Landeshauptstadt: Wenn Regenschirme zu Waffen werden
Fünf Jungen und ihre Mütter besuchten gestern den Filmpark – alle überlebten Beslan
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Fünf Jungen und ihre Mütter besuchten gestern den Filmpark – alle überlebten Beslan Von Henri Kramer Ein kleiner Junge hebt seinen zusammen gefalteten Regenschirm, zielt mit ihm auf eine Ritterstatue im Filmpark Babelsberg und tut so, als würde er abdrücken. Dann läuft er nervös umher. Am gestrigen Vormittag sind im Filmpark fünf Jungen aus Beslan zu Gast, die zusammen mit ihren Müttern nach Deutschland gekommen sind, um das Trauma der blutigen Geiselnahme im vergangenen September zumindest für ein paar Tage zu vergessen. Filmparkchef Friedhelm Schatz begrüßt sie laut und deutlich: „Ich bin hier der Zirkusdirektor von Babelsberg und heiße euch herzlich willkommen.“ Organisiert hat die Reise Ljuba Schmidt, Vorsitzende des in Dessau beheimateten Vereins „Hilfe für Tschernobylkinder“. „Diese Fahrt ist keine Touristenreise, hier geht es um echte Rehabilitation“, sagt sie. Die Station Potsdam ist der einzige echte Vergnügungstag – in den nächsten Tagen wird die Gruppe nach Dessau fahren. Dort werden die Beslaner unter anderem von Ohrenärzten untersucht. „Alle haben Hörschäden durch die vielen Detonationen, die es bei der Erstürmung der Schule gab“, sagt Schmidt. Die Ärzte hat sie organisiert. Nach der Zeit in Dessau geht es für die Gruppe bis zum 23. Juli nach Berlin-Spandau in ein Hotel der Diakonie. „Ein paar Krankenhäuser haben sich bereit erklärt, kostenlos zu operieren, wenn es nötig sein sollte.“ Unterdessen sind Parkchef Schatz und die Beslaner im Thronsaal der Traumwerkerhalle angekommen. Neugierig blicken die Kinder umher. Journalisten sind eingetroffen, Blitzlichtgewitter. „So einen Tag wie heute können wir wirklich nur einmal machen, die Kinder werden heute Abend sehr aufgedreht sein“, sagt Schmidt. Clemens Appel, der Chef der brandenburgischen Staatskanzlei, ist inzwischen eingetroffen. Gemeinsam streift er mit den Kindern durch die Halle. In der Gips-Werkstatt rührt er zusammen mit dem kleinen Batraz die grau-weiße Flüssigkeit an. Dann wird der Gips in eine Maske gekippt. Appel ermuntert den Jungen: „So ist es gut.“ Später lässt er sich von Ljuba Schmidt die Schicksale der Kinder und ihrer Eltern erzählen. Eine der Mütter hat ihre Tochter während der Erstürmung verloren, sie starb in ihren Armen. Ihr überlebender Sohn ist jetzt hyperaktiv. Ein anderer Junge leidet noch jetzt unter Schmerzen, weil seine Füße bei der Befreiung von Kugeln aus russischen Kalaschnikows durchbohrt wurden. „Nachts ist es besonders schlimm für die Kinder, sie können nicht schlafen“, teilt Appel seine Erkenntnisse vor einem Mikrofon mit. Die Beslaner sind am Schminkstand angekommen. Einer lässt sich als eine Art Vampir anmalen, der Junge mit den durchschossenen Füßen erhält eine rote Maskerade. Sie alle sehen sich an, lachen. Wenig später zücken zwei Jungen wieder ihre zusammengefalteten Regenschirme und schießen.
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