
© A. Klaer
Von Henri Kramer: Wenn sich alle im Recht fühlen
Anwohner streiten, wo die Bertinistraße künftig gesperrt werden soll – und die Stadt stiftet Verwirrung
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Friederike Sehmsdorf klingt frustriert, wenn sie über sich und ihren Kunst-Kontor in der Bertinistraße 16b spricht: „Wir sind abgeschnitten.“ Seit nebenan an der Villa Gutmann die Straße über den historischen Eiskeller wegen Einsturzgefahr gesperrt wurde, müssen sie, Besucher, Lieferanten und weitere Anlieger der Bertini- straße drei Kilometer Umweg in Kauf nehmen – über die Straßen Am Pfingstberg, die Vogelweide und schließlich den Bertiniweg. Ein Teil dieser Strecke verläuft über Feldwege, bei Regen schlammig, sonst voller Staub. Vier Monate geht dies schon so. „Wir kämpfen tagtäglich mit diesen widrigen Umständen“, sagt Friederike Sehmsdorf und wünscht sich die Zeit vor der Sperrung zurück.
Doch es gibt auch Bewohner in der Bertinistraße, die die inzwischen aufgestellten Poller vor der Villa Gutmann genau da lassen wollen, wo sie jetzt stehen – hier liegt der wesentliche Punkt eines Streits, der derzeit Schlagzeilen macht. Es geht um die Frage, wie der gültige Bebauungsplan B-Plan Nummer 60 zu interpretieren ist. Geregelt wird in dem Papier, wie die exklusive Wohngegend künftig aussehen soll. Der Plan sieht unter anderem zwei Dinge vor: Eine „verkehrsberuhigte“ Promenade von Ulmenhof bis zur Villa Gutmann, in der Autos nur mit Schrittgeschwindigkeit fahren dürfen; in der Begründung des B-Plans ist zudem eine Sperre zwischen Bertinistraße und Bertiniweg vorgesehen, um Durchgangsverkehr zur B2 zu verhindern. Das dieser Verkehr nicht gewollt ist, darüber scheinen sich die Streitparteien auch einig.
Doch wo nun die Sperre zum Bertiniweg stehen soll, dies ist strittig. Drei Varianten stehen im Raum: „Zwischen Ulmenhof und Villa Gutmann“, heißt es in einen aktuellen Mitgliederbrief der Nachbarschaftsinitiative Am Neuen Garten, die sich allgemein für weniger Verkehr in der Nauener Vorstadt einsetzt. Schauspielerin Nadja Uhl, sie wohnt in der Villa Gutmann, sieht die Entkopplung von Bertiniweg und -straße dagegen „in Höhe“ ihres Hauses. Ihre Nachbarn wie Sehmsdorf oder der Architekt Stefan Ludes in der Bertinistraße 17 lehnen beide Varianten als nicht befriedigend ab. Erst hinter der Villa Gutmann – nach der jetzigen Wendeschleife – soll demnach die Sperre in Richtung Bertiniweg entstehen. „Alles andere wäre durch den gültigen Bebauungsplan nicht legitimiert“, ist sich Ludes sicher.
Den B-Plan 60 haben die Stadtverordneten 2005 beschlossen. Ein Blick zeigt, dass die Passagen auf den ersten Blick unstrittig wirken. Demnach ist laut Plan-Begründung eine Anbindung des Bertiniwegs an die B2 vorgesehen – und eine Entkopplung dieses Weges von der Bertini- straße „durch geeignete bauliche Maßnahmen“. Doch wo ist die Grenze zwischen den Straßen? Laut ihren Hausnummern müssten Sehmsdorf und Ludes noch in Richtung Nauener Vorstadt angebunden werden – sie sehen sich deswegen im Recht. Ebenso zeigt ein Blick auf die Karte zum B-Plan, dass die Bertinistraße weiter geht als nur zur Villa Gutmann. „Wir appellieren an die Verwaltung, ihren Bebauungsplan einzuhalten“, so Ludes.
Ähnlich selbstsicher klingen aber auch die Mitteilungen der anderen Parteien in dem Streit – alle pochen auf ihr Recht. So hatte Uhl sich unlängst per Presse und Potsdam TV an die Öffentlichkeit gewandt, ebenso die Nachbarschaftsinitiative für die Nauener Vorstadt.
Die Verwaltung stiftet zusätzlich Verwirrung. „Der Bebauungsplan steht nicht zur Disposition“, sagt Stadtsprecherin Rita Haack. Vorgesehen sei eine Unterbrechung im Bereich der als verkehrsberuhigt festgesetzten Zone in der Bertinistraße – also vor der Villa Gutmann in Richtung Meierei. Für Rettungsfahrzeuge und die Müllabfuhr müsse diese Sperre aber durchlässig sein. „Dies ist kein Widerspruch“, glaubt Haack. Allerdings müsse zunächst die Straßenplanung fertig gestellt werden, so Haack. Anfang September ist dazu eine Bürgeranhörung geplant.
Darauf wollen die Anwohner um Stefan Ludes aber nicht warten: In einer Erklärung fordern sie: „Die Stadt soll umgehend die Bertinistraße reparieren, so wie sie es mit jeder Straße tut, die etwa wegen Rohrbruchs unpassierbar geworden ist.“
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