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Landeshauptstadt: Wer braucht ein Stadtschloss?

Die Andere: EU-Brachflächenprogramm ist eine Zwecklüge

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Die Andere: EU-Brachflächenprogramm ist eine Zwecklüge Von Maren Poeschke Seit Jahren wird in Potsdam erbittert um den Wiederaufbau der historischen Stadtmitte gestritten. Der Grund für die heftige Diskussion liegt weniger in verschiedenen ästhetischen Auffassungen. Wäre dies der Fall, hätte es für die Gestaltung der Stadtmitte wie üblich eine Ausschreibung gegeben, deren Ergebnisse dann diskutiert und umgesetzt worden wären. Ein derart ergebnisoffenes Verfahren wird es in Potsdam aber nicht geben. Stattdessen hält eine konservative Mehrheit von den Traditionsvereinen bis zu den Bündnisgrünen – sogar gegen das Votum wichtiger Denkmalpfleger - am weitgehend originalgetreuen Aufbau historisierender Kopien fest. Es geht erklärtermaßen darum, die Identität der Stadt (was immer das ist) zurückzugewinnen. Bemerkenswert ist vor allem, in welch historisch, politisch und städtebaulich unreflektierter Weise sich die politische Klasse dabei der alten Potsdamer Symbole bedient. So soll das Stadtschloss, das als Repräsentationsbau einer Monarchie erbaut wurde, als Parlamentssitz wieder errichtet werden. Die Garnisonkirche, die wie kein anderes Gebäude für den von den Alliierten aufgelösten Staat Preußen und sein Militär steht, soll ausgerechnet ein Versöhnungszentrum werden. Mechanisch wird die Sprengung durch die DDR und in letzter Zeit auch verstärkt die Bombardierung Potsdams 1945 nicht nur als alleiniger Grund der Zerstörung der Bauwerke, sondern auch als Grund für deren Wiederaufbau genannt. Der Tag von Potsdam und seine Hintergründe oder die Rolle Preußens bei der Machtübernahme durch die Faschisten spielen in dieser Konstruktion keine Rolle. Allenfalls dient der Tag von Potsdam dazu, den Symbolgehalt der Garnisonkirche auf dieses Datum zu beschränken und damit zu verharmlosen. Mit gleicher Hartnäckigkeit wie die Befürworter des Wiederaufbaus den Symbolgehalt der Gebäude leugnen, bestehen sie auf der originalgetreuen Kopie als allein sinnstiftender Variante. Diese eigentümlichen, oft widersprüchlichen Argumentationsmuster verweisen auf die problematischen Positionen, die dahinter stehen: Bei der Diskussion um Potsdams vermeintliche Mitte geht es darum, mit den Symbolen von Militär und Monarchie einen politischen Machtanspruch im öffentlichen Raum zu erheben. Deshalb wird auf einen demokratischen Bruch mit der zerstörten monarchistischen Architektur verzichtet. Die Leugnung des Symbolgehaltes von Garnisonkirche und Schloss erscheint lediglich als taktische Zurückhaltung, die Durchsetzbarkeit der Maßnahme erleichtern soll. Aber sie ist in der politischen Auseinandersetzung bei weitem nicht die einzige Zwecklüge. Gerade bei der Darstellung der Finanzierung von Garnisonkirche und Stadtschloss nehmen es die Nachbau-Befürworterinnen oft mit den Tatsachen nicht so genau. Erst vor einigen Tagen behauptete die bündnisgrüne Stadtverordnete Saskia Hüneke, dass die Baumaßnahmen auf dem Alten Markt überwiegend aus einem EU-Brachflächenprogramm finanziert werden soll, dessen „Gelder nicht auf andere Maßnahmen umgeleitet werden können.“ Entgegen dieser Darstellung existiert aber kein EU-Brachflächenprogramm. Die Gelder stammen aus dem EFRE-Fonds der EU, aus dem die einzelnen Bundesländer feste Zuweisungen für die Entwicklung strukturell schwacher Gebiete erhalten. In Brandenburg verwaltet die ILB diese Gelder und finanziert aus ihnen ein Förderprogramm zur Beseitigung von Brachflächen. Natürlich könnte die Landeshauptstadt Potsdam eine Förderung aus diesen Mitteln auch für andere Projekte beantragen. Der ursprüngliche Zweck der Gelder wäre sicher eher erfüllt, wenn die Flächen in den Wohngebieten entwickelt würden, die nach der Nutzung durch Kongresshotel, Brotfabrik oder Schöller brach liegen, als durch den Plan, ein Schloss auf die meistbefahrene Kreuzung der Stadt zu bauen. Das Stadtschloss ist nicht – wie Frau Hüneke meint – eine Alternative zu vagen Großprojekten. Es ist vielmehr selbst ein Großprojekt, das sich in der Höhe der herausgeworfenen öffentlichen Gelder keineswegs zu verstecken braucht. Der Lausitzring wurde gebaut, obwohl die Formel 1 von vornherein signalisiert hatte, dass sie ihn nicht benötigt. Das Stadtschloss soll als Sitz eines gemeinsamen Landtages Berlin-Brandenburg aufgebaut werden, obwohl ein Volksentscheid vor wenigen Jahren der Länderfusion eine klare Absage erteilt hat. In den letzten Wochen wurde die Bewerbung Potsdams als Europas Kulturhauptstadt 2010 immer wieder als Argument für den Stadtschlossnachbau benutzt. Aber warum sollte ausgerechnet eine kleinere ostdeutsche Großstadt, die keine neuen architektonischen Impulse setzt, sondern nur Barockbauten nachbaut, ihre Bevölkerung dazu nicht fragt und mit ihren Symbolen nicht umgehen kann, die Kulturhauptstadt Europas 2010 werden? Die Autorin ist Vorsitzende der Stadtverordnetenfraktion „Die Andere“ und Mitglied im Kulturausschuss.

Maren Poeschke

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