Landeshauptstadt: „Wer glaubt, in diesem Job nur Erfolge vorzuweisen, würde am Ende verzweifeln“ Gerade musste Potsdams Oberbürgermeister die schwerste Niederlage seiner Amtszeit einstecken:
das Stadtverordneten-Nein zum Landtagsneubau. Doch Misserfolge hat der studierte Soziologe bereits einkalkuliert – eine Halbzeit-Bilanz mit Jann Jakobs (SPD)
Stand:
H
err Jakobs, vor vier Jahren wurden Sie zum Potsdamer Oberbürgermeister gewählt. Hätten Sie damals gedacht, dass Sie einmal so aufreibende Tage erleben würden wie jetzt?
Es gab vorher auch schon aufregende Tage, so ist das ja nicht. Aber es sind in den letzten Jahren viele Grundsatzentscheidungen vorbereitet worden – da kann man Verständnis dafür haben, dass die schwierig sind. Aber sie prägen die Stadt für die Zukunft. Und wenn es erfolgreich ausgeht, macht es auch Spaß, daran entscheidend mitwirken zu können.
Es hat Sie nicht überrascht, dass es um den Landtagsneubau große Turbulenzen gibt?
Das eine oder andere hätte man sich vielleicht ein bisschen leichter vorgestellt, das ist wohl wahr.
Welche Auswirkungen haben die zwei gescheiterten Abstimmungen zum Landtagsneubau in der Stadtverordnetenversammlung und die Debatte um die Bürgerbefragung auf den politischen Raum, auf die Bürger, auf den Ruf Potsdams?
Man muss unterscheiden zwischen der Außenwirkung und den Diskussionen innerhalb der Stadt. Die Außenwirkung ist in den letzten Jahren durchweg positiv gewesen. Die Arbeitslosenzahlen, die wirtschaftliche Entwicklung, das Pro-Kopf-Einkommen – da stehen wir in den neuen Bundesländern immer an erster Stelle. Es ist wichtig, dass das wahrgenommen wird, denn es begünstigt Ansiedlungen. Was die Bewertung der Situation in der Stadt angeht, muss man abwarten – wir sind ja noch mitten drin im Prozess. Aber ich glaube, dass wir mit der Befragung vielleicht eine eindeutige Festlegung bekommen für das, was in der Potsdamer Mitte geschehen soll – zumindest eindeutiger, als wir sie bisher haben. Und das kann, wenn es gut ausgeht, wie ein Befreiungsschlag wirken. Wenn nicht, dann werden wir weiter mühsame Diskussionen haben.
Haben die zwei Abstimmungsniederlagen und damit das Auseinanderbrechen der Schlosskoalition aus SPD, CDU und Grünen dafür gesorgt, dass etwas eingetreten ist, was bereits nach der Kommunalwahl 2003 prophezeit worden ist – nämlich die Nicht-Regierbarkeit der Stadt wegen der unsicheren Mehrheitsverhältnisse im Stadtparlament?
Man muss sich vor Augen halten, was in der Stadt in den letzten Jahren passiert ist: Wir sind in den Neubaugebieten einen riesigen Schritt nach vorne gekommen, haben sehr viel in die Wohnumfeldverbesserung gesteckt. In der Innenstadt hat sich eine Menge entwickelt, ebenso in der Schiffbauergasse. Die Konsolidierung des städtischen Haushalts können wir vorzeigen: Im Jahr 2010 wird der Haushalt ausgeglichen sein, das kann keine andere kreisfreie Stadt in Brandenburg aufweisen. Das alles sind Erfolge, die trotz komplizierter Mehrheitsverhältnisse zustande gekommen sind. Zugegebenermaßen sind wir jetzt an einem sehr schwierigen Punkt: Was die Weiterentwicklung der Potsdamer Mitte angeht, reichen offensichtlich die Mehrheitsverhältnisse nicht aus. Deshalb müssen wir nach neuen Mehrheiten suchen, die hoffentlich dazu führen, dass wir auch in diesem Punkt weiterkommen. Wenn Sie darauf anspielen, ob das eine Option auf ein rot-rotes Bündnis sein soll, kann ich Ihnen sagen, dass ich das im Augenblick nicht beurteilen kann. Ich will versuchen, für bestimmte Inhalte Mehrheiten zu bekommen – das kann mal so und mal anders ausgehen. Insofern leiten wir jetzt nicht eine neue Koalition jenseits der Schlosskoalition ein. Dazu ist ja auch noch unklar, wie es ausgehen wird mit der Mitte.
Wie beschreiben Sie Ihr persönliches Verhältnis zum Fraktionschef der Linkspartei.PDS, Hans-Jürgen Scharfenberg?
Na ja, ich würde mal sagen, das ist ein Verhältnis des gegenseitigen Respekts.
Hat sich das Verhältnis in der letzten Zeit geändert?
Wenn man weiß, dass man aufeinander angewiesen ist, statt von gegensätzlichen Positionen auszugehen, verändert das natürlich auch ein wenig das Klima.
Hat sich für Sie persönlich etwas verändert mit den Abstimmungen im November – politische Beobachter haben sie schließlich als Ihre schwerste politische Niederlage gewertet?
Das ist ja nicht nur eine Niederlage für mich gewesen, sondern für sehr viele, denen die Entwicklung der Potsdamer Mitte sehr am Herzen liegt. Aber ich will mein eigenes Empfinden nicht klein reden. Es ist natürlich so, dass ich sehr intensiv daran gearbeitet habe, dass wir in der Mitte vorankommen. Dazu sind viele, viele Gespräche geführt worden, da hat es viel Überzeugungsarbeit meinerseits gegeben. Als ich mein Amt angetreten habe, da war das Thema tot. Toter ging es gar nicht mehr, denn der damalige neue Ministerpräsident Matthias Platzeck hatte verkündet, ein Landtagsneubau in der Potsdamer Mitte sei gegenwärtig politisch nicht vertretbar. Aber wir hier in der Stadt haben uns dadurch nicht beirren lassen und gesagt: Das ist eine Idee, die es verdient, weiter verfolgt zu werden. Wir haben überlegt, wie wir sie wieder gangbar machen. Den ersten großen Erfolg hat es gegeben, als der Landtag im Mai 2005 den Neubau in den Um- und Aufrissen des Stadtschlosses beschlossen hat. Dieser Beschluss ist ja nicht vom Himmel gefallen, sondern hat vieler Vorarbeiten bedurft. Genauso wie die damit verbundenen Verkehrsverlegungen, die Neuordnung des gesamten Umfelds. Ich glaube, dass wir das überzeugend hinbekommen haben. Um so enttäuschender ist es für mich zu erleben, dass man zögert, kurz bevor der Sprung zur Realisierung kommt – dass man nicht springt.
Haben die Stadtverordneten Angst vor dem Sprung?
Manchmal hat man wirklich den Eindruck, als würden sie kurz vor der Realisierung eines Vorhabens Angst haben vor dem, was unmittelbar Wirklichkeit werden könnte.
Warum gab es in der Stadtverordnetenversammlung zweimal keine Mehrheit mehr für die weit gediehenen Pläne?
Da stehe ich vor einem Rätsel. Ich weiß ja nicht, was diejenigen bewogen hat, die in der geheimen Abstimmung dagegen gewesen sind. Das ist hochgradig spekulativ. Aber insbesondere was die Kommunikation des Verfahrens angeht hätte vielleicht einiges anders laufen müssen. Denn die Diskussionen darüber, wie der Landtagsneubau aussehen könnte, waren von der Idee getragen, es könnte ein Bau werden wie das IHK-Gebäude oder das Potsdam-Center. Ich glaube, wenn man eher und intensiver deutlich gemacht hätte, wie mit dem Investorenverfahren Qualität gesichert werden kann und dass man allerhöchsten Wert auf städtebauliche und architektonische Qualität legt, hätte man die eine oder andere Befürchtung zerstreuen können. Wenn es denn zu einer dritten Abstimmung kommt, wird man über diese Fragen nachdenken müssen.
Steht das Investorenverfahren, bei dem ein privater Investor den Landtag baut und auch den Architekten mitbringt, zur Debatte?
Das Verfahren lässt sich mit Sicherheit nicht ändern, es ist vom Landtag beschlossen worden und das müssen wir akzeptieren. Ich glaube auch nicht, dass es sinnvoll wäre, jetzt im Landtag einen neuen Beschluss darüber herbeizuführen, beispielsweise einen Architekturwettbewerb dem Investorenverfahren vorzuschalten. Das würde ich ablehnen, mal abgesehen davon, dass auch damit nicht sichergestellt wäre, dass man erstklassige Qualität kriegt.
Es gibt ein anderes Projekt, das in einer ähnlichen Phase wie der Landtagsneubau war, und das dann gestoppt wurde: das Niemeyer-Bad auf dem Brauhausberg.
Vor einem Jahr wurde das Projekt insgesamt in Frage gestellt. Dann hat das Wirtschaftsministerium uns die Hausaufgabe aufgegeben, die Planung insbesondere beim Investitionsvolumen zu überarbeiten – es anzupassen an vergleichbare Projekte. Daran haben wir fast ein Dreivierteljahr gearbeitet. Das Ganze wird nun im Januar oder Februar im Förderausschuss behandelt. Wird die Förderung bewilligt, kann gebaut werden. Ich finde, das Niemeyer-Bad ist nach wie vor das richtige Projekt an der richtigen Stelle.
Und Sie sind überzeugt, dass das Brauhausberg-Areal nicht zur „Jakobs-Brache“ wird?
Mit den Brachen hat es ja in Brandenburg eine besondere Bewandtnis ... Doch ich fürchte das nicht, weil das Niemeyer-Bad jetzt nicht mehr vor dem politischen Hintergrund diskutiert wird wie vor anderthalb Jahren. Es ist klar, dass wir nicht mehr ausgeben als das, was andernorts Freizeitbäder auch kosten. Und dass Potsdam überhaupt ein solches Bad benötigt, daran zweifelt nun wirklich keiner mehr. Was die Architektur angeht, kann man sich etwas Besseres als den Niemeyer gar nicht vorstellen. Ich bin der Überzeugung, dass wir uns nicht nur an dem orientieren können, was in der Vergangenheit geschaffen worden ist, sondern auch wagen müssen, neue Architektur in die Stadt zu bringen. Dass das gelingen kann, hat das Hans Otto Theater unter Beweis gestellt. Und so wird das am Ende auch mit Niemeyer ausgehen.
Welche Architektur wünschen Sie sich denn für die Brache in Drewitz?
Das eine ist, was man sich wünschen kann und das andere, wo man Möglichkeiten sieht, eine Brache zu beseitigen. Und da braucht man in Drewitz einfach Investoren. Ich hätte mir gewünscht, dass die Stadtverordneten entschieden hätten, dort den Baumarkt Hornbach zu bauen. Denn die neueren Planungen haben ja vorgesehen, die städtebauliche Situation zu respektieren und mit der Fußballhalle einen Kristallisationspunkt für Begegnungen zu schaffen. Das hätte viele Leute angezogen. Nun ist ein Baumarkt aber ein Baumarkt, also ein reiner Zweckbau, das ist klar. Aber ich bin mir sicher, dass man andere Investitionen kaum auf die Brache bekommt. Theoretisch denkbar ist, dass man dort Wohnungen baut – aber das ist auch nur Theorie, denn wir verfügen über viel attraktivere Flächen. Bleibt Einzelhandel, und dabei können wir keinen zulassen, der die Innenstadt gefährdet. Das einzige, was ich mir vorstellen kann, ist ein Möbelhaus.
Ein dramatischer Einschnitt war der Überfall auf Ermyas M. im Frühjahr dieses Jahres.
Der Überfall hat gezeigt, dass es wichtig ist, das Thema Rechtsradikalismus, den Umgang mit Alltagsrassismus, fortlaufend zu behandeln. Wir hatten dazu schon lange vorher einen Beirat etabliert, der sich damit auseinandersetzt. Damit sind Kommunikationsformen entstanden, die den inneren Frieden in der Stadt erhalten. Vor zwei Jahren haben sich die rechten und linken Jugendlichen gegenseitig bekriegt – so etwas kann auch dazu führen, dass eine Stadt förmlich auseinander fliegt. Wir haben aber ein Gremium, in dem solche Konflikte besprochen und am Ende auch gelöst werden können. Hier wird das als gemeinsames Problem begriffen und daran wird gemeinsam gearbeitet, von der PDS bis hin zur CDU, mit unterschiedlichen Vereinen, Kirchen, Verbänden und Gewerkschaften. Ich finde, das ist eine Art von Gesprächskultur, die ihresgleichen sucht.
Welche Folgen hat der Überfall auf Ermyas M. für die Stadt?
Das Entsetzen war zu Beginn riesengroß, über die Tat selbst und darüber, dass so etwas in einer Stadt wie Potsdam überhaupt möglich ist. Wichtig waren die entschlossenen Reaktionen danach. Es war deutlich, dass wir das Problem nicht klein reden wollen. Sowohl die Politik als auch die städtische Gesellschaft haben das als Herausforderung begriffen und nach außen signalisiert: Wir nehmen das ernst, wir wollen uns damit auseinandersetzen, wir lassen so etwas nicht zu.
Wenn Sie zurückschauen auf Ihre vier Jahre als Oberbürgermeister: Was steht auf der Haben-Seite, wie haben Sie die Stadt geprägt?
Die wirtschaftliche Entwicklung beeinflusst man durch Politik immer nur indirekt, darüber darf man keinen Zweifel lassen – aber ich glaube schon, dass durch meine Politik Investoren das Gefühl haben, in Potsdam gern gesehen zu sein. Das ist eine wichtige Atmosphäre, die in den letzten Jahren entstanden ist, und dafür sprechen die Zahlen: Die geringste Arbeitslosenquote in den neuen Bundesländern, sie liegt bei sensationellen 9,8 Prozent, nach wie vor das höchste Pro-Kopf-Einkommen in den neuen Bundesländern, und eine ansteigende Zahl von Gewerbeansiedlungen. Wenn Potsdam als Boomtown bezeichnet wird, ist das auch Ausdruck der kontinuierlichen Politik der letzten Jahre. Wichtig ist die Erkenntnis, welches Potenzial die wissenschaftlichen Einrichtungen der Stadt haben. Mit der Gründung des Vereins Pro Wissenschaft gibt es eine sehr kontinuierliche und sehr erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen der Stadt und den wissenschaftlichen Einrichtungen. Das war nur in Rudimenten vorhanden, als ich meine Amtszeit begonnen habe. Das Dritte ist mein ursprüngliches Feld – die Sozialpolitik. Als ich hier anfing, mussten wir reihenweise Kindertagesstätten schließen, Erzieherinnen entlassen. Ich freue mich, dass wir mittlerweile wieder neue Kindertagesstätten eröffnen können: Allein in diesem Jahr sind acht zusätzliche Angebote geschaffen worden. Weiter fällt mir die Eingemeindung der sieben neuen Ortsteile ein. Das war ein nicht einfacher Prozess, der aber relativ reibungslos verlaufen ist. Es wird zwar an der einen oder anderen Stelle noch gemeckert, aber es zweifelt keiner mehr in Golm, Uetz-Paaren oder Groß Glienicke, dass es gut war, nach Potsdam zu kommen. Das Thema Haushaltskonsolidierung sind wir mit Vehemenz angegangen, das hat auch viele Veränderungen in der Verwaltung bewirkt. Wir haben schlankere Strukturen, schlankere Entscheidungswege, wir sind wesentlich bürgerfreundlicher geworden. Das hat auch mit dem Bewusstsein der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu tun – was nicht einfach war, weil wir nicht unerheblich Personal abbauen mussten.
Vieles hat sich auch bei den städtischen Unternehmen geändert.
Wir haben endlich unsere städtischen Betriebe und Beteiligungen auf Vordermann gebracht. Bei den Stadtwerken haben wir restrukturiert, so dass Gewinne der Energie und Wasser GmbH jetzt unmittelbar zum Verkehrsbetrieb fließen. Die Pro Potsdam hat das Thema Bauen und Stadtentwicklung aufgegriffen. Die Neustrukturierung des Klinikums sind wir auch angegangen. Diese Vorhaben, die nicht so öffentlichkeitswirksam sind, haben dazu geführt, dass wir wesentlich besser aufgestellt sind als noch vor ein paar Jahren. Wir sind für die Zukunft gut gerüstet – in Potsdam wird zum Beispiel keine Diskussion darüber geführt, ob wir Wohnungen verkaufen müssen wie in Dresden um die Stadt zu entschulden.
800 Wohnungen hat auch Potsdam verkauft.
Aber es macht einen Unterschied, ob das Geld in die Stadt fließt, um den Haushalt zu sanieren, oder es investiert wird, wie wir das im Bornstedter Feld machen und dort Geschosswohnungen bauen. Davon wird eine Signalwirkung für andere Investoren ausgehen.
So viel zu den Erfolgen. Welche Rückschläge haben Sie verbucht?
Für mich enttäuschend war das Abschneiden bei der Bewerbung um die Kulturhauptstadt 2010. Da hätte ich mir schon mehr gewünscht. Ob es möglich gewesen wäre, wenn wir etwas anders gemacht hätten, ist aber zu bezweifeln. Bei der Entscheidung spielten offenbar Aspekte eine Rolle, die man nicht mit einer noch so guten Bewerbung beeinflussen kann. Aber die Ablehnung Potsdams hat dazu geführt hat, dass wir unser Profil als Kulturstadt schärfen. Es hat eine lebhafte Debatte eingesetzt, die von mir ganz bewusst provoziert worden ist. Ich würde mir zugute halten, aus dieser Situation das beste gemacht zu haben. Und wenn Potsdam sich mittlerweile bei Musik und Theater mit Inszenierungen deutschland- und europaweit einen Ruf erworben hat, ist das auch darauf zurückzuführen, dass wir unsere Kräfte bündeln. Das müssen wir in der Zukunft noch wesentlich mehr machen. Bedauerlich finde ich es, dass wir bei der ersten Bewerbung als Stadt der Wissenschaft nicht erfolgreich gewesen sind. Das hat mich mehr geschmerzt als die Kulturhauptstadt-Absage, weil unsere Bewerbung nicht so war, dass sie am Ende überzeugt hat. Deshalb haben wir uns entschlossen, ein zweites Mal einen Vorstoß zu wagen und nun müssen wir sehen, was daraus wird ...
... da es mit Jena nur einen Mitbewerber gibt, sind die Chancen ja nicht schlecht ...
Fifty-fifty. Aber auch die erste Ablehnung hat etwas Positives bewirkt: Die kontinuierliche Auseinandersetzung mit der Popularisierung von Wissenschaft. Die neue Bewerbungsschrift ist viel besser, die Beteiligung breiter.
Liegt Ihnen der Optimismus eigentlich im Blut – oder haben Sie sich den in vier Jahren als Oberbürgermeister angelernt?
Wenn Sie hier den Job anfangen und glauben, Sie können nur Erfolge vorweisen, dann ist man in der Politik schlecht aufgehoben. Dann würden Sie ja am Ende nur verzweifeln.
Was hat Sie in den vergangenen vier Jahren am meisten geärgert?
Die letzte Abstimmung zum Landtagsneubau – aber das war eher Entsetzen ... Was hat mich so richtig wütend gemacht? Das fällt mir jetzt nicht ein.
Vielleicht der aufgerissene Uferweg am Griebnitzsee?
Ja, stimmt. Da war ich auf 180, das ist richtig. Das hat ja auch zu prompten Reaktionen geführt. Meine Juristen haben mir alle davon abgeraten, aber da hat der politische Instinkt obsiegt und ich glaube, das war auch richtig, was wir gemacht haben.
Sie meinen, die Bagger aufzufahren, die den Weg wieder planiert haben?
Ja.
Der Streit hat teilweise den inneren Frieden der Stadt gefährdet – und den in der SPD, die deshalb ihren Stadtverordneten Wolfhard Kirsch herauswerfen wollte. Eine Klärung scheint es in beiden Fällen nicht zu geben.
Es ist uns schon gelungen, das Thema Griebnitzsee sachlicher zu diskutieren. Klar ist aber auch, dass die Lösung ein langwieriger Prozess ist: In jedem Einzelfall müssen Kompromisse gefunden werden, es gibt eine Menge Anlieger, mit denen wir vom Wegverlauf bis zur Vertragsgestaltung alles aushandeln müssen. Dann stehen uns noch die entscheidenden Verhandlungen mit dem Bund darüber bevor, zu welchem Preis wir die ehemaligen Mauergrundstücke am Ufer ankaufen können. Man darf nicht dem Trugschluss unterliegen, wir würden mit einem Aufwasch alles erledigen. Wenn nicht die Interessen von einzelnen Anliegern in den Vordergrund gestellt werden, glaube ich aber, dass man zu einer sachlichen Lösung in der Lage ist. In der Stadtverordnetenversammlung sehe ich dazu einen großen Konsens.
Wann werden Sie die Akten wegstellen können?
Das wird noch ein paar Jahre dauern. Denn es ist ja nicht auszuschließen, dass wir in dem einen oder anderen Fall in eine rechtliche Auseinandersetzung geraten. Wir wollen es vermeiden, aber ausschließen lässt es sich nicht. Insofern müssen wir da auf Kontinuität und Beharrlichkeit setzen. An unserem Willen, den Weg freizuhalten, gibt es keinerlei Zweifel. Was die Situation innerhalb der SPD angeht: Ich finde es außerordentlich bedauerlich, dass wir uns in der Weise mit Herrn Kirsch auseinanderzusetzen haben. Zu einer klaren Profilierung, zu einem klaren Bild, was die SPD in dieser Frage will, trägt so etwas nicht bei.
Nun ist Herr Kirsch weiter SPD-Stadtverordneter: Lässt sich die Situation kitten?
Wenn ich wenigstens erkennen würde, dass sich an der Haltung von Herrn Kirsch etwas bewegt, dann wäre ich schon zuversichtlich. Aber ich erkenne eher das andere – dass es ihm daran gelegen ist, diesen Konflikt womöglich noch zusätzlich zu schüren. Das halte ich für unerträglich.
Monika Keilholz hat ihren Konflikt beigelegt – die Stadtverordnete und ehemalige Lindenpark-Chefin ist aus der SPD-Fraktion ausgetreten und soll nun aus der Partei ausgeschlossen werden.
Frau Keilholz hat für sich eine Entscheidung getroffen, damit ist Klarheit hergestellt und das ist dann am Ende auch gut so.
Blicken wir in die Zukunft: Der Haushalt der Stadt Potsdam soll 2010 ausgeglichen sein. Wird es weitere Einschnitte für die Bürger geben?
Das erkenne ich im Augenblick nicht. Wir haben in den letzten Jahren Notwendiges angepasst, wie die Straßenreinigungssatzung. Das war ein sehr schwieriges Thema, das aber angepackt werden musste. Allerdings wird sich die Erhöhung der Mehrwertsteuer nun in bestimmten Bereichen unmittelbar auswirken.
Eine Sportstättennutzungsgebühr wird es also nicht geben?
Da hat die Stadtverordnetenversammlung in ihrer letzten Sitzung noch einmal sehr deutlich ausgesprochen, dass sie das nicht will. Man muss sagen, das kostet unsere Stadt eine ganze Menge, aber wenn es der erklärte Wille der Stadtverordnetenversammlung ist, dann wird das respektiert.
„Sorgenkinder“ in der Stadtmitte sind die Stadt- und Landesbibliothek und das Alte Rathaus. Wann werden die Gebäude saniert?
Mit dem Alten Rathaus wollen wir ab 2008 beginnen. Was die Stadt- und Landesbibliothek angeht, planen wir, aber die Finanzierung steht noch nicht. Wir wollen mit der Landesregierung noch einmal abstimmen, ob es Fördermittel dafür geben könnte.
Nachdem die Landesregierung das Vorhaben „Wissensspeicher“ für die Bibliothek zunächst abgelehnt hat?
Es ist nicht abgelehnt worden, es ist zurückgestellt. Es sind Präzisierungen erforderlich, unsere Vorstellungen müssen konkreter werden. Und wir müssen sehen, wie wir die Sanierung durch eine Bündelung unterschiedlicher Fördermöglichkeiten zu einem nicht unerheblichen Teil dann aus öffentlichen Förderprogrammen mitfinanziert bekommen.
Wann könnte es so weit sein?
Das kann ich im Augenblick nicht sagen, schlauer sind wir vermutlich Ende des Jahres, wenn wir das zweite Mal damit im Kabinett gewesen sind.
Politisch sehr umstritten ist der Wiederaufbau der Garnisonkirche. Wie beurteilen Sie den Stand des Projekts?
Da hätte ich auch gern gesehen, dass wir ein Stück weiter wären. Als Stadt haben wir aber eine unabdingbare Voraussetzung geschaffen – nämlich die notwendigen Grundstücke zu erwerben. Jetzt muss darauf gedrungen werden, dass die Stiftung für die Garnisonkirche gebildet wird. Die Kirche ist bereit, etwas in die Stiftung einzubringen, wir als Stadt würden die Grundstücke einbringen. Geschaut werden muss, inwieweit sich das Land in der Lage sieht, ebenfalls einen aktiven Beitrag zu leisten. Ich stelle mir vor, dass die Stiftungsgründung im ersten Halbjahr abgeschlossen sein müsste. Dann ist man voll handlungsfähig. Der Wiederaufbau hat aus meiner Sicht nach wie vor eine ganz zentrale Bedeutung bei der Entwicklung der Potsdamer Mitte.
Wird sich die Stadt auch an dem Bau der Synagoge an der Schlossstraße beteiligen?
Wir haben zugesichert, uns an den Abrisskosten für die Bauten zu beteiligen. Erster Schritt ist aber, dass das Geld für die Planung zusammengebracht wird.
Was ist die größte Baustelle für die zweite Hälfte Ihrer Amtszeit?
Der Potsdamer Mitte kommt große Bedeutung zu, im Übrigen unabhängig davon, wie es weiter geht – der Alte Markt kann nicht so liegen bleiben. Ein weiteres Thema, mit dem wir uns sehr intensiv auseinandersetzen müssen, ist die Frage, wie wir in Potsdam genügend Wohnraum schaffen. Bei drei Prozent Leerstand können wir jetzt schon von Wohnraummangel sprechen. Doch um preiswerten Wohnraum zu schaffen, werden wir darauf angewiesen sein, dass es dafür Fördermittel gibt. Die zahlt das Land aber nur für Abrisse, weil im restlichen Brandenburg der Leerstand groß ist. Wir werden intensiv mit dem Land darüber diskutieren, ob wir nicht für spezifische Zielgruppen Förderprogramme wieder auflegen können. Beschäftigen werden uns außerdem die großen Verkehrsprojekte: Die Sanierung der Humboldtbrücke, die Straßenbahnbrücke parallel zur Langen Brücke. Und wir werden uns auch intensiv mit der Frage auseinandersetzen müssen, wie wir überhaupt die Verkehrsprobleme in der Stadt lösen. Da gibt es ja die Vorstellung, über den Templiner See eine Brücke zu bauen oder die Innerstädtische Entlastungsstraße. Ich glaube, das alles müssen wir uns mit den damit verbundenen Konsequenzen vor Augen führen und dann Entscheidungen treffen.
Bisher heißt es, der Bund habe die so genannte Netzverknüpfung von B 1 und B 2 samt Templiner Spange auf Eis gelegt.
Es ist richtig, die Pläne sind auf Eis gelegt. Auf der anderen Seite kann man ein solches Thema nicht dauerhaft in der Kiste lassen. Irgendwann müssen wir sagen, was wir wollen. Bis 2010 muss das definitiv entschieden werden.
Zum Thema Verkehr gehört auch die Anbindung Potsdams an den Großflughafen Schönefeld, Berlin-Brandenburg International (BBI).
Die Straßenanbindung wird klappen, dafür gibt es den entsprechenden Kabinettsbeschluss. Aber wir wollen auch eine Anbindung über den Schienenweg und das nicht über die Bundeshauptstadt, sondern direkt. Dazu haben wir drei Vorschläge unterbreitet, angefangen von einer Straßenbahn, die auf Bundesbahngleisen hinfährt, über Investitionen, die eine direkte Erschließung ermöglichen, bis hin zu der Möglichkeit, eine Zuglinie über Golm einzurichten. Das wäre am preisgünstigsten, weil dafür gar keine zusätzlichen Investitionen erforderlich wären. Hier werden wir uns mit aller Macht gegenüber dem Land versuchen zu positionieren.
Potsdamer könnten also in Golm einsteigen und am BBI aussteigen?
Nein, man könnte am Potsdamer Hauptbahnhof einsteigen, bis Golm fahren, und von dort fährt der Zug direkt zum BBI. Das würde 35 Minuten dauern und der Vorteil wäre, dass der Wissenschaftsstandort Golm direkt mit angeschlossen wäre.
Umstritten ist dagegen die Straßenbahnbrücke neben der Langen Brücke: Sie hoffen natürlich, dass der Landtag in der Mitte gebaut wird. Wenn das aber nicht passiert, wird die Brücke überhaupt noch gebraucht?
Die Straßenbahnbrücke brauchen wir so oder so, denn die Lange Brücke ist ein hochkompliziertes Tragwerk. Wenn wir sie noch längere Zeit haben und nicht grundlegend sanieren wollen, müssen wir sie von der Straßenbahn entlasten. Dafür bietet es sich an, parallel eine weitere Brücke zu bauen. Wenn der Landtag nicht in die Mitte kommt, müssen wir uns allerdings intensiv überlegen, wie es dann überhaupt weitergeht. Dann werden wir uns mit der Sanierungssatzung und den Sanierungszielen auseinandersetzen müssen. Das wird dann auch die Stadtverordnetenversammlung beschäftigen.
Da gegen Beschlüsse verstoßen würde, wenn es in der Mitte nicht weiter geht wie geplant?
Ja. Die Sanierungsziele und die Sanierungssatzung beziehen sich ja nicht ausschließlich auf den Landtagsneubau, sondern auch darauf, wie die Mitte weiter gestaltet werden soll. Entsteht die Situation, dass der Landtag nicht in die Mitte kommt – was ich nicht hoffe und glaube – wird die Stadtverordnetenversammlung die Frage beantworten müssen, ob das noch gilt.
Zum Schluss möchten wir Sie auffordern, ein wenig zu träumen. Wie sehen Sie Potsdam im Jahr 2010?
Ich träume? Also, ich träume davon, dass wir ein erfolgreicher Standort für Wissenschaft und Forschung sind – denn da liegen noch jede Menge Potenziale, die genutzt werden sollten. Ich träume, dass Potsdam ein profilierter Kulturstandort ist und dass hier noch mehr los ist als ohnehin schon los ist und die Menschen sagen: Potsdam, das ist eine Stadt, da müssen wir hin, da lebt es sich gut.
Und dass die Potsdamer Sie als Oberbürgermeister behalten möchten?
Ja, das wäre natürlich das Allerschönste.
Das Interview führten Sabine Schicketanz und Guido Berg.
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