Von Guido Berg: „Wer hat noch ein Fluchtauto?“
Matthias Döpfner richtet in der Villa Schöningen ein „Freiheitsmuseum“ ein und sucht nach Zeitzeugen
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Berliner Vorstadt - Mathias Döpfner hatte ins Turmzimmer der Zichorienmühle geladen – zu einem Hintergrundgespräch im kleinen Kreis. Doch es wurde mehr daraus: Wenn der Vorstandsvorsitzende der Axel Springer AG – eines der größten Medienhäuser in Europa – zum Pressefrühstück ins Theaterrestaurant „Il Teatro“ bittet, dann erscheint die Journaille zahlreich – und fordert Honig aufs Brot. Doch Döpfner kennt seine Pappenheimer, was er zu sagen hat, sagt er spannend und zitierfähig. Er erzählt, wie ihn der Vorbesitzer der Villa Schöningen anrief und ihm ein Ultimatum stellte: Er habe 24 Stunden Zeit, sich für den Kauf des Persius-Baus an der Glienicker Brücke zu entscheiden. „Ich habe mir dann einen ebenso verrückten Partner gesucht“, berichtet Döpfner – und ihn mit dem Manager Leonhard H. Fischer auch gefunden. Mit dem Kauf der Villa Schöningen vollzogen beide „einen unvernünftigen Akt“; es handele sich „um keine normale Immobiliennutzung“.
Vielmehr will der Zwei-Meter-Mann in dem Haus an der Berliner Straße 68 ein Ost-West-Museum einrichten, eine historische Dauerausstellung, die die deutsche und auch die deutsch-deutsche Geschichte des Ortes zeigt. In der Villa sei „viel Geschichte wie in einer Nussschale“ konzentriert. Sie entstand „aus einer Laune heraus, aus ästhetischer Willenskraft“, weil Kaiser Friedrich Wilhelm IV. das an dieser Stelle stehende „hässliche Haus eines Bootsbauers“ durch einen schönen Bau ersetzen wollte – „in der romantischen Vorstellung einer idealen Landschaft“, so Döpfner. Gleichsam stehe die Villa für den Aufstieg des jüdischen Bildungsbürgertums; über hundert Jahre war sie Wohnhaus der Familie Wallich. Dem folgte „die tragische Enteignung durch die Nazis“. In der DDR-Zeit war das Haus Kinderwochenheim, mit den Worten Döpfners „eine Anstalt für sozialistische Erziehung“. Gleichzeitig werde sich das „Freiheitsmuseum“ der Nähe zur Glienicker Brücke stellen, einst Nahtstelle zwischen der DDR und West-Berlin. Spektakuläre Fluchtversuche von DDR-Bürgern machten die Brücke bekannt, aber auch geheimnisumwitterte Agenten-Austausche.
Döpfner ruft alle Potsdamer dazu auf, durch die Schilderung ihrer Erinnerungen oder durch die Gabe von Exponaten an der Ausgestaltung des Museums mitzuwirken. Döpfner scherzend: „Vielleicht hat irgendjemand noch ein Fluchtauto?“
Gleichsam hofft Döpfner darauf, dass sich auch Menschen melden werden, die zu den Tätern zählen, „die sich verstrickt hatten“; sie seien als Zeitzeugen sehr interessant, mit ihren Informationen werde „sehr fair umgegangen“.
Zur wissenschaftlichen Untermauerung holte sich der Springer-Chef Prof. Christoph Stölzl ins Boot, Ex-Kultursenator von Berlin und Gründungsdirektor des Deutschen Historischen Museums (DHM). Dass nur etwa 300 Quadratmeter zur Verfügung stehen kommentiert Stölzl so: „Je kleiner der Raum, um so größer die Herausforderung.“ Die Villa Schöningen entspreche der „uralten Sehnsucht des Menschen nach authentischen Orten“ – wie das Gartenhaus Goethes oder die Villa Wahnfried Wagners.
Döpfner glühte vor Enthusiasmus, will dass der Funke überspringt: „Ich will keine negative Energie zulassen, ich will Freude schaffen.“ Von der Freude an der Sache will sich der Einkommen-Millionär auch nicht von der Tatsache abbringen lassen, dass er und sein Partner Fischer „erheblich in Vorleistung gegangen sind.“ Döpfner bestätigte einen einstelligen Millionen-Betrag. Später solle sich das Museum durch Eintrittsgelder tragen. Allerdings verhält sich das mit dem finanziellen Möglichkeiten bei Döpfner offenbar so wie mit den Pferdestärken bei frühen Autos von General Motors: Stölzl zufolge wurden deren PS-Zahlen nicht angegeben. Stattdessen hieß es generös, die Autos seien „ausreichend motorisiert“.
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