Helmholtz-Gymnasium in Potsdam: Wer schmeißt denn da mit Lehm ?
Die Helmhöltzer weihen nach fünfjähriger Bauzeit ihre Aula mit einem Chansonkonzert musikalisch ein. Es werden Anleihen bei Claire Waldoff, aber auch Brecht genommen
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Chansons der 20er- und 30er-Jahre – damit konnten die Schüler des Helmholtz-Gymnasiums in der Kurfürstenstraße nicht allzu viel anfangen. Der Claire-Waldoff-Titel „Wer schmeißt denn da mit Lehm?“ sprach sie aber sofort an und so konnte Musiklehrer Frank Siegmeier mit 15 Schülern den „Tanz auf dem Vulkan“ beginnen. Es sind Mädchen und Jungen der Abiturklasse, die das anspruchsvolle Programm am Mittwoch und Donnerstag dieser Woche, jeweils 19.30 Uhr, in der Aula ihrer Schule starten. Nach den beiden Aufführungen werden die Mitwirkenden erst einmal eine andere „Premiere“ vorbereiten müssen – das Abitur. Siegmeier kann sich jedoch vorstellen, dass man sich danach nochmals zu Auftritten zusammenfindet und es ist auch eine Fortsetzung der Chansonabende geplant. Man wolle beim nächsten Mal, so Siegmeier, mit dem Hans Otto Theater zusammenarbeiten und auch dort auftreten. Denn – das war bei der Hauptprobe schon klar zu erkennen – die intensive Beschäftigung mit dem Chanson und die musikalische Qualität haben mehr Öffentlichkeit verdient als nur die zwei geplanten im Rahmen der Schule.
Die Aula ist nach fünf Jahren Bauzeit wieder sehr schön anzusehen und entfaltet historischen Charme. Technisch wurde sie dagegen modern ausgerüstet mit Licht- und digitaler Musikanlage und Siegmeier kam als Regisseur und musikalischer Begleiter erst einmal ganz schön ins Schwitzen, weil auch für ihn vieles neu war. Doch bald hatte er versierte Hilfe, nicht nur bei der Technik, sondern auch beim Einstudieren der Chansons und deren Umsetzung in Gestik und bei den Bewegungsabläufen. Der Dozent für Schauspiel an der Filmuniversität „Konrad Wolf“, Michael Schenk, übernahm bei den Proben einen wichtigen Part. Als Dritte im Bunde ist Ellen Rossie dabei. Sie ist Musikerin und leitet am Gymnasium den Pop-Chor.
Rossie und Schenk steuerten am Samstag bei der Hauptprobe immer wieder neue Ideen bei, vermittelten passende Gesten, ließen bestimmte Teile der Musik aufleuchten und verstärkten die Eindringlichkeit des Songs von Mikis Theodorakis, Griechenlands berühmtestem Musiker, der in seinem Chanson „Man hat sie fortgebracht“ an die Konzentrationslager Auschwitz und Dachau erinnert. Denn so fröhlich der Chansonabend auch teilweise ist, der Titel „Tanz auf dem Vulkan“ deutet es schon an: Die Schüler gehen auch in die Tiefe und benennen den heraufziehenden Faschismus. Dass der Chansonabend beides zeigt, das Fröhliche der Gassenhauer, aber auch das Nachdenkliche und Bedrohliche der Jahre nach 1933, gefällt Rachel Zimmer und Johanna Grambow sehr gut. Den beiden 18-Jährigen macht die Arbeit mit dem Chanson viel Spaß und sie haben in den anderthalb Jahren Probe viel gelernt bei ihren Auftritten. Beide singen zwar im Chor mit, aber allein oder nur mit wenigen auf der Bühne zu stehen, ist doch etwas anderes. „Am Anfang“, erzählt Rachel, „waren unsere Stimmen noch ganz piepsig. Dann wurden sie immer kräftiger.“ Michael Schenk habe gezeigt, was in jedem steckt. „Das wussten wir oft selbst nicht“, meint sie lachend. Johanna und Rachel bezeichnen die Musik als sehr schönes Hobby, nicht als Berufswunsch. Johanna möchte Gemeindepädagogik studieren und später die kirchliche Arbeit unterstützen. Rachel schwebt ein Ingenieurstudium vor. Sie will jedoch erst einmal ein Auslandsjahr absolvieren. Sie spricht Englisch als zweite Muttersprache und will in Bali unterrichten. Auch die beiden Jungs Peer Völckers und Niclas Freese sehen die Musik eher als Hobby. Niclas will als Baumaschinenmechatroniker in den Betrieb seines Vaters einsteigen und Peer visiert ein Geschichtsstudium an.
Was den Schülern am Anfang ein Buch mit sieben Siegeln war, das ist für Siegmeier die große Liebe. Er hat sich mit dem Chanson intensiv beschäftigt, seine Frau Claire Diller tritt mit Waldoff-Liedern auf und er hat sich in der Chansonwerkstatt Buckow im Brecht-Weigel-Haus weitergebildet. Über das gemeinsame Hobby lernte er Schenk kennen, der ebenfalls eigene Chansonabende gestaltet. Und so können die Kursleiter sehr gut vermitteln, wie man nicht nur gekonnt mit Lehm schmeißt, über die Bühne radelt und die Waldoff zitiert, ohne sie nachzuahmen, sie haben es auch verstanden, Brecht und Tucholsky die nötige Tiefe zu geben, ohne den Spaß an der Satire zu verderben.
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