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Landeshauptstadt: Wertvoller als Gold

Eine „Werkstattwoche“ in der Gedenkstätte Leistikowstraße gibt Einblicke in die neue Ausstellung

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Nauener Vorstadt - Dieses Schmuckstück durfte niemand sehen. Mit einfachem grünem Faden ist das Foto des lächelnden Mädchens mit Taufblumen im gelockten Haar eingefasst – für die Trägerin war das schlichte Medaillon wertvoller als Goldschmuck. Helga Kühn verwahrte es heimlich in der Brusttasche ihrer Häftlingskleidung. Im April 1951 war sie vom sowjetischen Geheimdienst ins Untersuchungsgefängnis in der Leistikowstraße gesperrt worden – schwanger. Wenige Tage nach ihrer Verurteilung – 25 Jahre wegen angeblicher Spionage – gebar sie ihre Tochter Angelika im Frauengefängnis Hoheneck. Nach drei Monaten nahm ihr die Gefängnisleitung das Kind weg, es kam in ein Säuglingsheim und wuchs später bei den Großeltern auf. Bilder ihres Mädchens wurden Helga Kühn im Zuchthaus regelmäßig gezeigt – wenn sie sich „gut geführt“ hatte. Eines dieser Fotos entwendete eine Mitgefangene heimlich, verzierte es und schenkte es der Mutter.

Das Medaillon wird in der geplanten Dauerausstellung in der Gedenk- und Begegnungsstätte Leistikowstraße zu sehen sein – und es ist eines von sieben „Objekten des Tages“, die das Museum bei einer „Werkstattwoche“ vom 14. Mai bis 20. Mai exemplarisch vorstellt. Das Schmuckstück steht dabei für das Themengebiet der Häftlingsbiografien. Die Veranstaltungswoche soll einen Einblick in den Stand der Vorbereitungen auf die neue Dauerausstellung geben, wie Gedenkstättenleiterin Ines Reich am gestrigen Montag erklärte: „Wir wollen eine Vision der zukünftigen Ausstellung vermitteln.“

Gut acht Monate vor der geplanten Eröffnung im Februar 2012 werden dabei nicht nur neu erworbene Ausstellungsstücke und unbekannte Häftlingsschicksale erstmals der Öffentlichkeit präsentiert – auch ein Faltblatt mit der ersten wissenschaftlichen Karte über das „Militärstädtchen Nr. 7“, das als Deutschlandzentrale der Spionageabwehr des KGB noch bis 1994 zwischen Neuem Garten und Pfingstberg bestand, wird vorgestellt. Ergänzt wird das umfangreiche Programm mit Sonderführungen, Gesprächsrunden mit Zeitzeugen und Museumsmachern sowie Bildungsangeboten für Schüler und Lehrer. Der Eintritt ist kostenlos.

Das Angebot werde auch zum Abbau von Konflikten zwischen den Museumsmachern und Opferverbänden beitragen, hofft Martin Gorholt, Staatssekretär im brandenburgischen Kultusministerium. Von Seiten der Opferverbände hatte es in den vergangenen Monaten immer wieder Kritik an der geplanten Dauerschau und der im Vorfeld notwendigen Schließung des Hauses gegeben (PNN berichteten).

Das Gebäude war von 1916 bis 1918 für den Evangelisch-Kirchlichen Hilfsverein gebaut worden. Im August 1945 wurde es durch die Sowjetische Armee beschlagnahmt und bis Ende der 80er Jahre als Untersuchungsgefängnis der Spionageabwehr genutzt. Für die neue Dauerausstellung fließen laut Gorholt von Bund und Land insgesamt 770 000 Euro, zusätzlich wird der Betrieb ab 2012 mit jährlich 268 000 Euro gefördert. Träger ist eine Ende 2008 gegründete Stiftung unter dem Dach der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten, die unter anderem auch Sachsenhausen und Ravensbrück betreibt.

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