
© Andreas Klaer
Landeshauptstadt: Werwölfe, Derwische und Jongleure
Der Treffpunkt Freizeit lud erstmals zum großen Spiele-Tag, bei dem Brettspiele aus aller Welt ausprobiert werden konnten: Mehr als 150 Besucher ließen ihrem Spieltrieb freien Lauf
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Ganz schön wacklig: Das kleine Holzschiff, auf dessen Masten bereits zahlreiche kleine Figuren lasten, wankt bedenklich. Vorsichtig legt eine Spielerin eine weitere Figur auf einen der Masten, da bricht das Gebilde zusammen: „Nein!“, kreischen die drei Mädchen, als das Schiff aus dem Brettspiel „Riff Raff“ scheppernd umkippt. Über 25 verschiedene Spiele konnten Kinder und Erwachsene beim ersten großen Spiele-Tag am Sonntag im Treffpunkt Freizeit am Neuen Garten ausprobieren: Von schnellen Action-Spielen wie „Formula De“, „Jakkolo“ oder „Pitchcar“ über Familienspiele wie „Jungle Jam“, „Samurai“ oder „Geistesblitz“ bis hin zu komplexen Strategiespielen wie „Kylkyades“ oder „Kingsburg“ mit zahlreichen Figuren, Karten und Regeln. Wer etwas mehr Bewegung brauchte, konnte in der Turnhalle auch Zirkusspiele, Einradfahren und Jonglieren lernen.
Gestellt wurden die Spiele vom Potsdamer Spieleladen „Galadriel“. Inhaber Andreas Schöfer beriet alle Neuankömmlinge. Schnell waren alle Spieltische besetzt, an jedem sitzt ein kundiger Spieler und erklärt die Regeln. Klassiker wie „Monopoly“ sind nicht im Angebot, dafür Ausgefalleneres wie das Erzählspiel „Die Werwölfe von Düsterwald“: Neun Spieler sitzen dabei im Kreis, jeder hat durch eine verdeckte Karte eine Rolle zugewiesen bekommen: „Entweder man ist Werwolf oder Dorfbewohner – ich nenne sie immer Dorftrottel“, erklärt die zehnjährige Isabel.
„Nun wird es Nacht in Düsterwald und alle schließen die Augen“, sagt Spielleiter Franz Feldtkeller: „Die Werwölfe können jetzt ihre Augen öffnen und auf ihr Opfer zeigen.“ Aufgabe der restlichen Spieler, die am Morgen den „toten“ – also ausgeschiedenen – Spieler vorfinden, ist es, durch Diskussionen und Anschuldigungen herauszufinden, wer der Werwolf ist: Wer grinst? Wer bleibt stumm? Wer wirkt verdächtig? „Ich glaube, du bist der Werwolf“, sagt Isabel zum elfjährigen Julian, der sich verteidigt: „Du hast keine Begründung, warum ich es sein soll!“ „Aber du kannst auch nicht begründen, dass du es nicht bist!“, kontert Isabel. Die Diskussion funktioniert wie eine regelrechte Hexenjagd: Erst nach einer weiteren Nacht sind beide Werwölfe erlegt, aber auch ein Unschuldiger wurde „verbrannt“.
Weniger reden muss man beim Action-Spiel „Carabande“, um das sich zahlreiche Kinder drängen: Eine schwarze Bahn mit vielen Kurven, Rampen und Banden, über die man einen Spielstein schnipsen muss. Klingt simpel, kommt aber gut an: „Das werden wir kaufen“, sagt die 18-jährige Sarah Müller: „Man braucht Geschicklichkeit und Strategie und es macht schon beim Zusehen Spaß.“ Gedacht ist das Spiel als Geschenk für ihren kleinen Bruder, der sich kaum davon hatte losreißen können.
Neben einem klassischen Holz-Flipper finden sich auch ausgefallene Ideen wie „Tanz der Derwische“, bei dem man einen Kreisel so manövrieren muss, dass er möglichst viele kleine Kegel umwirft. Originell ist auch der „Weykicker“: Auf einer Holzplatte verschiebt man Fußballspieler, die man über einen starken Magneten unter dem Spielfeld steuert. Wer es klassisch mag, kann auch Spiele aus aller Welt ausprobieren, zum Beispiel „Go“, das japanische Schach, das afrikanische Stein-Setz-Spiel „Bao“, oder das indische „Pachisi“, der Vorläufer von „Mensch-ärgere-dich-nicht“: Die Würfel sind quadratische Stangen, das Spielbrett ist kreuzförmig und die Figuren starten in der Mitte, die nicht „Haus“, sondern „Nirvana“ heißt. Dorthin müssen die Figuren am Ende wieder zurückkehren.
Der Spiele-Tag ist ein Erfolg: Mehr als 150 Besucher zählen die Organisatoren – darunter Familien, aber auch Studenten und Senioren. Dass heute wenig Brettspiele gespielt werden, kann Spielehändler Andreas Schöfer nicht behaupten: „Deutschland ist eine der größten Spielenationen überhaupt, allerdings wird in Süddeutschland etwas mehr gespielt als in Berlin und Brandenburg; hier kauft man Brettspiele meist nur zu Weihnachten.“ Im kommenden Jahr soll es wieder einen Spiele-Tag im Treffpunkt Freizeit geben. Auch der seit Jahren etablierte Internationale Spielemarkt auf Hermannswerder plant eine Neuauflage: Am 26. und 27. April 2013 heißt das Motto „Phantasie - Schlüssel zur Welt“.Erik Wenk
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