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Die elfjährige Alisa aus Kiew ist zum ersten Mal auf dem Wannsee.

© Andreas Klaer

Westwind Richtung Potsdam: Ukrainische Kinder segeln auf der Royal Louise über den Wannsee

Mit einer Segeltour starten 40 Kinder aus der Ukraine in die Sommerferien. Ermöglicht haben den Ausflug zwei Potsdamer Vereine.

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Alisa hat sich gut vorbereitet auf ihre erste Segeltour: Ein Strohhut, um sich vor der Sonne zu schützen, dazu eine lässige lila Sonnenbrille. Auch ihre Frisur ist passend, um in See zu stechen: Mit den geflochtenen Zöpfen sehe sie doch aus wie eine Piratin, findet sie. Und das muss auch so sein: „Ich bin schließlich das erste Mal auf einem Piratenschiff“, sagt die Elfjährige begeistert. Nun, die Royal Louise ist eigentlich kein Piratenschiff, sondern der Nachbau eines britischen Kriegsschiffs aus dem 19. Jahrhundert – doch das tut der Freude keinen Abbruch.

Etwa 40 ukrainische Kinder aus Potsdam, darunter auch Alisa, durften am Donnerstag ihre Sommerferien mit einer Segeltour über den Wannsee einläuten. In zwei Touren mit jeweils 20 Kindern ging es von einer Anlegestelle in Berlin bis fast nach Potsdam. Am Montag dürfen noch einmal 40 Kinder in See stechen. Geplant und organisiert wurde die Segeltour von zwei Vereinen aus Potsdam, dem Yacht- und Schifffahrtsverein Royal Louise und die Ukraine-Hilfe Potsdam.

Unterstützung von belarussischem Verein

Unterstützung kam von Razam, ein Verein der belarussischen Community in Berlin: Weil die Ukraine-Hilfe Potsdam derzeit noch damit beschäftigt ist, Vereinsstrukturen aufzubauen, stellte Razam ein Spendenkonto für den Ausflug zur Verfügung.

Für Anton Niadzelka, Gründungsmitglied von Razam, ist diese Solidarität selbstverständlich: „Wir kämpfen ja gegen die gleichen Diktatoren. Und ohne freie Ukraine wird es auch niemals ein freies Belarus geben“, sagt der junge Mann, der schon vor Jahren vor dem belarussischen Regime nach Deutschland geflohen ist. Etwa die Hälfte der Kosten für den Segeltörn hat der Yacht- und Schifffahrtsverein Royal Louise übernommen. „Die Kinder haben ja einiges durchmachen müssen, da ist es doch schön, wenn wir ihnen eine Freude machen können“, sagt Matthias Jung, Vorstandsmitglied des Potsdamer Vereins. „Und wir haben heute ja auch eine gute Zeit“, sagt er lachend.

Die ukrainischen Kinder durften ihre Sommerferien mit einer Segeltour über den Wannsee einläuten.

© Dominik Lenze

Wohin die Reise gehen soll, ist beim Ablegen noch nicht klar. „Das hängt vom Wind ab“, sagt Gerd Kaiser, Vorsitzender des Schifffahrtsvereins und an diesem Tag auch Teil der Crew. „Aber heute haben wir Westwind – vielleicht kommen wir bis nach Potsdam“, sagt er.

Vom Wannsee bis in Sichtweite der Glienicker Brücke

Den ersten Teil der Strecke über den Wannsee fährt die Royal Louise noch mit ihrem Motor. Die Route führt zunächst vorbei an der Pfaueninsel und dann an der Heilandskirche am Port vom Sacrow. In Sichtweite der Glienicker Brücke setzt die Crew der Royal Louise ihre Segel – was bei den Kindern für Begeisterung sorgt. Unter Aufsicht und gut abgesichert dürfen einzelne Kinder sogar auf den Mast klettern.

Potsdam ist vielleicht nicht meine Heimat, aber ein Ort, an dem ich mich wohlfühle.

Kateryna Horbatiuk, Ukraine-Hilfe Potsdam

Für Dan Grabov, der sich bei der Ukraine-Hilfe Potsdam engagiert, ist es eine Herzensangelegenheit, den Kindern zum Ferienbeginn diese Freude zu machen: Gerade in Potsdam seien viele Ukrainerinnen und Ukrainer gut angekommen und würden Unterstützung erhalten. „Aber für die Kinder ist es natürlich trotzdem schwierig“, sagt Grabov, der selbst Ukrainer ist.

Nachdem sie die Zusage vom Schifffahrtsverein erhalten hatten, hat Grabov das Angebot in der ukrainischen Community in der Landeshauptstadt bekannt gemacht. Innerhalb von einem Tag waren alle Plätze für die Segeltouren ausgebucht. Grabovs Hoffnung ist, dass sie durch solche Erlebnisse Energie tanken, auch für die Schulzeit nach den Sommerferien. „Und ich finde es schön, wenn sie etwas von den Orten erfahren, wo sie jetzt leben“, sagt er.

Kateryna Horbatiuk, die sich bei der Ukraine-Hilfe Potsdam engagiert, ist an diesem Tag als Betreuerin für die Kinder mit an Bord. Sie kann gut nachvollziehen, was Grabov sagt. „Potsdam ist vielleicht nicht meine Heimat, aber ein Ort, an dem ich mich wohlfühle“, sagt die junge Frau. Horbatiuks Beobachtung nach ändere sich aber schon bei vielen Kindern, die zu Beginn des russischen Angriffskriegs hierher geflohen sind, die Perspektive. „Viele denken schon darüber nach, dass sie hier ihren Abschluss machen, vielleicht sogar eine Ausbildung“, sagt sie.

Die kleine Piratin Alisa ist jedenfalls schon ortskundig: „Schau, da vorne ist die Glienicker Brücke“, sagt sie und deutet nach Backbord. In Potsdam habe sie sich schon gut eingelebt und auch schon neue Freunde gefunden, erzählt die Elfjährige. Vor einem Jahr sei sie aus der ukrainischen Hauptstadt Kiew mit ihrer Familie nach Potsdam gekommen. Heute vermisse sie ihre Heimatstadt nicht mehr, sagt sie. „Es ist zwar für meine Mama schwer, aber: Ich kann inzwischen sogar besser Deutsch als Ukrainisch.“ Mit dem Wannsee, wo sie an diesem Tag zum ersten Mal gewesen ist, hat sie nun auch ein neues Ausflugsziel entdeckt.

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