Landeshauptstadt: Wetterfühlige Altbäume
Der Eichenprozessionsspinner ist fast verschwunden. Dafür leiden die Pflanzen jetzt unter Trockenheit
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Die gute Nachricht vorweg: Der Eichenprozessionsspinner befindet sich auf dem Rückzug. Potsdams Bäume müssen sich aber noch immer einiges gefallen lassen – vor allem Walnussfruchtfliegen, auch unter dem Namen „Russische Kolonie“ bekannt, und Weißdorngespinstmotten machen ihnen nach Angaben der Stadtverwaltung zu schaffen. Ulmen und Linden leiden an verschiedenen Arten der Napfschildlaus, Splintkäfer fühlen sich ebenfalls auf Ulmen und auch auf Eichen wohl.
Hingegen sei „das Massenaufkommen von Eichenprozessionsspinner und Kastanienminiermotte stark rückläufig“, so Stadtsprecher Jan Brunzlow. Im vergangenen Jahr hatte die Bekämpfung des Eichenprozessionsspinners für viel Aufsehen gesorgt: Problematisch ist er für Mensch und Natur, weil er einerseits die Bäume völlig kahl frisst und andererseits die lediglich 0,1 Millimeter feinen Brennhaare der Raupen gesundheitliche Probleme auslösen können. Dafür muss nicht einmal ein Kontakt vorliegen. Es reicht, dass die mit Widerhaken versehenen Härchen durch die Luft fliegen. Sie reizen Oberhaut und Schleimhäute, zudem verursacht das darin enthaltene, giftige Eiweiß Thaumetopoein allergische Reaktionen. Die Gesundheitsgefährdung nimmt mit jedem weiteren Entwicklungsstadium der Tiere zu: Altraupen besitzen bis zu 700 000 Brennhaare.
In Brandenburger Wäldern wurde der Nachtfalter mit dem Bakterienpräparat Dipel ES bekämpft. Werden in Potsdam Nester des lästigen Schmetterlings gemeldet, steht Absaugen an. Auch der Bestand der Kastanienminiermotte habe sich mittlerweile bedeutend reduziert, informiert Brunzlow. Wird ein Befall gemeldet, werden die entsprechenden Laubblätter abgesammelt und getrennt entsorgt.
Die Kosten für Maßnahmen der Schädlingsbekämpfung – die Stadt beauftragt hiermit externe Firmen – ließen sich allerdings erst am Ende des Jahres beziffern. Um das Wohl der Potsdamer Grünpflanzen sorgt sich verständlicherweise auch die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten in Brandenburg (SPSG).
In puncto Eichenprozessionsspinner kann die Stiftung für Potsdam Entwarnung geben: Nester wurden bislang nur an 15 Bäumen auf der Pfaueninsel und im nahe gelegenen Grunewald festgestellt, teilte SPSG-Sprecher Frank Kallensee mit.
Sorge machen der Stiftung vielmehr die Witterungsverhältnisse. So zeigten in den Parks Sanssouci und Babelsberg Birken, Buchen, Eschen, Eichen und Ulmen „im Vergleich zu den Vorjahren eine schüttere Belaubung der Kronen“ – die Bäume leiden unter fehlender Winterfeuchte bei gleichzeitig sehr trockenem Sommer, sagte Kallensee.
Die Trockenheit der Monate Mai, Juni und Juli sei vermutlich der Auslöser gewesen, dass es bei Eichen, Ahornbäumen und Buchen in diesem Jahr vermehrt zum spontanen Abfall starker Äste gekommen ist. Teilweise geschah dies auch ohne nennenswerte Windbewegung. „Dies könnte ein Zeichen dafür sein, dass der Zellinnendruck sinkt und damit das Holz instabiler wird“, erläutert Kallensee. Wegen des möglichen Astabfalls mussten im Neuen Garten aus Sicherheitsgründen insgesamt vier Bäume notgefällt werden, bei anderen wurden gefährdete Tragäste abgesägt. Im Zuge der regelmäßigen Baumkontrolle seien viele Bäume mit sehr schlechter Vitalität festgestellt worden. „Perspektivisch ist mit einer vermehrten Totholzbildung zu rechnen“, sagt Kallensee. „Das Grundproblem ist, dass wir in den Parkanlagen Altbaumbestände haben, die sowieso an ihre natürliche Lebensgrenze kommen.“
Der Regen der vergangenen Tage wird den Wiesenflächen vieler Potsdamer Schlossgärten gut tun, auch diese waren durch die Trockenperiode teilweise verdorrt. Unter der Trockenheit leiden ebenso die Strauchpflanzen. Im Neuen Garten wurden Philadelphius-Sträucher verjüngt, jedoch muss die Entwicklung der Bestände beobachtet werden. „Gerade in der Wachstumsphase benötigen diese Sträucher Regen“, sagt Kallensee.
Die Trockenheit im Mai war auch Auslöser einer Läuseepidemie, die sich jedoch mittlerweile wieder eingependelt habe. „Im vergangenen Jahr hatten wir mit starkem Pilzbefall zu kämpfen“, berichtete Kallensee. Der Pilzbefall in diesem Jahr war so gering, dass der Einsatz eines Fungizids bisher nicht nötig geworden sei. Einige Eichenneutriebe seien von Mehltau befallen, aber auch hier werde das normale Maß nicht überschritten.
Der größte Baumfeind ist in diesem Jahr die Miniermotte – Kastanienbäume seien durchweg davon befallen. Wer genau hinguckt, wird auf den Blättern Fraßspuren des Kleinschmetterlings finden. Doch auch hier eine gute Nachricht: Die Miniermotte hat sich in 2016 etwas Zeit gelassen und rund einen Monat später zugeschlagen, sodass die Blätter der Kastanie jetzt noch in sattem Grün leuchten – im vergangenen Jahr waren sie zu dieser Zeit bereits braun. Zu verdanken haben wir dies den Vögeln: Sie haben die Puppen der Miniermotte mittlerweile als Delikatesse entdeckt.
Anne-Kathrin Fischer
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