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Experten halten Klimaschutz für vernachlässigt
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Ein Jahr nach dem interdisziplinären Nobelpreisträgertreffen zum Klimawandel in Potsdam zogen Experten eine erschreckende Bilanz über die Entwicklung des Klimaschutzes. Bei einer Podiumsdiskussion im Kutschstall zeigte sich, dass man heute noch weit entfernt von den Zielsetzungen des 2007 verfassten Memorandums ist. Im „Potsdam Memorandum“ wurde von zahlreichen Nobelpreisträgern und Politikern die Notwendigkeit einer Transformation der Industriegesellschaft auf dem Weg in die Nachhaltigkeit gefordert.
Doch von einer Transformation konnten die Experten nicht wirklich berichten. „Es handelt sich um einen Wettlauf mit der Zeit“, sagte Prof. Stefan Rahmstorf, der Forschungsbereichsleiter im Bereich Erdsystemanalyse am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK). Schließlich hätten sich die Industriestaaten zum Ziel gemacht, die Treibhausgasemissionen bis 2050 zu halbieren. „Der Spielraum wird immer enger“, betonte der Physiker. Die Menschen und die Politik müssten endlich die Dringlichkeit des Problems verstehen, sagte er. Halbherzig genüge einfach nicht mehr. Deshalb sei er etwas neidisch, dass man für die Finanzkrise innerhalb von Tagen 700 Milliarden locker gemacht habe. „Für den Klimaschutz hat Präsidentschaftskandidat Barack Obama aber nur 15 Milliarden zugesagt“, so Rahmstorf, der auch Autor des Weltklimaberichtes der Vereinten Nationen ist.
In der Politik müsse ein Umdenken entstehen, sagte auch der Politikwissenschaftler Prof. Martin Jänicke, Mitglied im Sachverständigenrat des Bundes für Umweltforschung. Durch die Finanzkrise könne so ein Umdenken endlich vorangetrieben werden, erklärte Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin. „Die Krise hat uns gezeigt, welche fatalen Folgen es haben kann, wenn wir nicht vorbeugend handeln.“ Deshalb könne man jetzt noch versuchen, die kostspieligen Folgen des Klimawandels zu verhindern. Zwar werde das Interesse für den Klimaschutz angesichts der Finanzkrise mittelfristig sinken. „Wenn sich jedoch die Wellen glätten, werden klimafreundliche Unternehmen die Nase vorn haben“, so Kemfert.
Über zukünftige Klimaschutzmaßnahmen waren sich die Teilnehmer allerdings nicht einig. Es zeigte sich, dass jeder Experte eine andere Methode zur Reduzierung der CO2-Emissionen vorschlägt. „Wir wollen Kohle sauber machen“, sagte etwa Reinhardt Hassa, Vorstandsvorsitzender von Vattenfall Europe. Ziel seines Unternehmens sei die Kohlendioxid-Abscheidung am Kraftwerk und die unterirdische CO2-Lagerung. Wie lange der Umstellungsprozess dazu dauern wird, konnte Hassa nicht sagen. Und genau diese Technik stieß bei dem Umweltforscher Jänicke auf heftige Kritik. Laut Jänicke seien Kohlekraftwerke nicht günstig nachrüstbar. Außerdem sei es schwierig, für Länder wie Indien, in so einen teuren Umrüstungsprozess zu investieren. Deshalb müssten erneuerbare Energien weiter ausgebaut werden, so Jänicke. Auch die unterirdischen CO2-Einlagerung ist umstritten. „Das wäre nur eine Übergangslösung“, sagte Onno Oncken, Direktor des Bereichs Geodynamik am GeoForschungsZentrum Potsdam (GFZ). Die verfügbaren Kapazitäten für die Einlagerung seien nämlich auf Dauer begrenzt. Zudem dürften die neuen Lösungen nicht auf Kosten der nachfolgenden Generationen entwickelt werden, argumentierte Uwe Prüfer vom Verbund Entwicklungspolitischer Nichtregierungsorganisationen Brandenburgs. Einfach nur auf neue Technologien setzen, reiche nicht aus: „Wir müssen endlich unseren Verbrauch reduzieren.“
In einem Punkt waren sich die Experten allerdings einig: „Wir müssen die Probleme gemeinsam lösen“, sagte der Physiker Stefan Rahmstorf. Doch selbst wenn man die Probleme verstehe, werde es immer wieder Überraschungen geben, so Oncken. Manches hätten die Studien eben nicht vorausgesagt. Außerdem stehe nicht mehr so sehr die Vermeidung des Klimawandels im Vordergrund, sondern es gehe vielmehr um die Anpassung an die Probleme, betonte der Geoforscher. Susanna Maier
Susanna Maier
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