Landeshauptstadt: Wider die „Bananenrepublik“
Opposition im Stadtparlament will Kommunalaufsicht anrufen / Scharfe Kritik an Birgit Müller
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Die umstrittene Abstimmung der Stadtverordneten um die Personalie Andreas Klemund wird die Kommunalaufsicht und möglicherweise das brandenburgische Verwaltungsgericht beschäftigen. Neben der Linken kündigten gestern die Wählergemeinschaften Die Andere und das Bürgerbündnis in seltener Einigkeit an, gegen die Entscheidung vom Montagabend juristisch vorzugehen. „Wir sind hier doch nicht in einer Bananenrepublik“, sagte Potsdams Linke-Fraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg den PNN und begründete seinen Ärger mit Vorschriften, die bei der Wahl des SPD-Stadtverordneten Klemund zum neuen Geschäftsführer der Luftschiffhafen GmbH umgangen worden seien.
In der Tat waren Klemunds Berufung außergewöhnliche Querelen vorangegangen. Er hatte sich gegen 18 Mitbewerber durchgesetzt. Doch Die Linke kritisiert den SPD-Mann seit Wochen, spricht von Klüngelei und zweifelt an seiner Qualifikation. Schließlich hatten die Stadtverordneten am vergangenen Mittwoch in nicht-öffentlicher Sitzung erstmals über Klemund abgestimmt. Weil aber Stadtpräsident Peter Schüler von den Grünen im entscheidenden Augenblick neun Ja-Stimmen für Klemund mit vier Nein-Stimmen verwechselte, verlor Klemund trotz der sicheren Mehrheit von 27 zu 22. Ehe der Aussetzer auffiel, war Schüler schon beim nächsten Tagesordnungspunkt. Am Montag nun arbeiteten die Stadtverordneten die noch nicht beendete Tagesordnung endgültig ab – und beschlossen auf Antrag der Rathauskoalition um SPD, CDU/ANW, Grünen und FDP/Familiepartei überraschend die erneute Abstimmung. Diesmal in geheimer Wahl gewann Klemund mit knapp mit 26 zu 23 Stimmen.
Das Procedere der erneuten Abstimmung innerhalb einer zusammen gehörenden Sitzung empört die Klemund-Gegner. „Hier wurde die Kommunalverfassung ausgehebelt“, kommentierte Wolfhard Kirsch vom Bürgerbündnis. Die Kritiker berufen sich unter anderem auf Paragraph 34, Absatz 5der neuen Kommunalverfassung. Dort heißt es über Sitzungen wie vom Montag: „Die Fortsetzungssitzung ist allein der Behandlung der noch offenen Tagesordnungspunkte derselben Tagesordnung vorbehalten.“
Die erneute Wahl hatte die Rechtsabteilung der Verwaltung mit Schüler als Leiter des Stadtparlaments abgesprochen. Er habe sich letztlich gegen eine um einen Monat verschobene Abstimmung entschieden, um einen gemachten Fehler bis dahin nicht zu reproduzieren. Allerdings gäbe es dafür keine „klare Rechtsvorschrift“, räumte Schüler ein: „Auch die Gegenseite hat gewichtige Argumente.“ Allerdings hätten die Gegner Klemunds auch bei einer Abstimmung im April geschimpft: „Der Streit um das Verfahren überdeckt die Sachentscheidung einer Mehrheit.“ Potsdams SPD-Chef Mike Schubert nannte das „Gezerre“ um Klemund unwürdig: „Das ist nicht im Interesse der Entwicklung des Sportstandorts Luftschiffhafen." Klemund soll das sanierungsbedürftige Areal in den nächsten Jahren mit Millionenbeträgen entwickeln.
Jenseits des Streits um die Abstimmung reagierten gestern mehrere Politiker auf eine persönliche Erklärung der früheren Stadtpräsidentin Birgit Müller von der Linken, die seit Schülers Wahl mit ihm im Präsidium des Stadtparlaments sitzt. Wegen des Zählfehlers hatte sie Schüler am Montag scharf kritisiert. Schüler selbst wollte dies nicht kommentieren. Allerdings bekam er Rückendeckung aus der Stadkoalition. Potsdams CDU-Chefin und Bundestagsabgeordnete Katherina Reiche nannte die Erklärung von Müller „schlechten Stil“. Grünen-Fraktionschef Nils Naber warf ihr „verletzte Eitelkeit“ vor: „Birgit Müller soll endlich den Vorsitzenden in seiner Arbeit unterstützen, dafür ist sie gewählt worden.“ Henri Kramer
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