
© Johanna Bergmann
Flüchtlingsprojekt "3x Deutschland" in Potsdam: Wie Deutschland funktioniert
Miteinander reden statt übereinander: Das Projekt „3x Deutschland“ bereitet Flüchtlinge auf ihr Leben in Deutschland vor und bezieht Potsdamer Bürger mit ein.
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Potsdam - Es sind besondere Gäste, die Markus Klier an diesem Nachmittag durch sein Reich führt. Der Pressesprecher der Landeshauptstadt Potsdam geleitet eine Gruppe Syrer durch die langen, hohen Flure des Stadthauses, vorbei an geschwungenen Treppen, der Cafeteria und beeindruckenden Buntglasfenstern, zum Herzen der Potsdamer Stadtverordnetenversammlung: dem Plenarsaal. „Hier wird die Stadtpolitik gemacht“, erklärt er den interessiert Zuhörenden. Die meisten von ihnen sind erst seit wenigen Monaten in Deutschland, geflüchtet vor dem Bürgerkrieg in ihrer Heimat. Dass sie heute das Potsdamer Rathaus besuchen, ermöglicht das Projekt „3x Deutschland“, das als eines von insgesamt 37 bundesweiten Modellprojekten von der Bundeszentrale für politische Bildung gefördert wird und die Integration von Flüchtlingen unterstützen soll.
Auch der Potsdamer Stadtverordnete David Kolesnyk (SPD) hat sich heute Zeit genommen für die Gruppe, um von seiner politischen Arbeit zu erzählen. Welche Fraktionen sitzen in der Stadtverordnetenversammlung? Wie wird hier Politik gemacht? Welche besonderen Probleme gibt es in Potsdam? Die Flüchtlinge stellen Fragen, entdecken Parallelen zwischen dem gegenwärtigen politischen System in Syrien und jenem der DDR. Rasch entsteht ein Gespräch zwischen den Geflüchteten und dem Politiker. Und genau das ist das Ziel des Projekts, wie Projektreferent Grischa Zeller von der Stiftung „Partnerschaft mit Afrika e.V.“, die das Programm umsetzt, erklärt.
Noch fehlen einige Potsdamer Tandempartner
Miteinander reden, statt übereinander, das ist das Grundprinzip von „3x Deutschland“. Die Geflüchteten lernen in insgesamt neun Modulen Basiswissen über die deutsche Gesellschaft. Begleitet werden sie dabei von Potsdamer Bürgern, die ihnen als Tandempartner zur Verfügung stehen. „Wir haben 30 teilnehmende Flüchtlinge aus Syrien, Afghanistan, Pakistan und Eritrea und bisher acht Potsdamer, die sich im Projekt engagieren“, sagt Zeller. Das ursprüngliche Ziel, jedem Geflüchteten einen Tandempartner gegenüber zu stellen, ist noch nicht erreicht – doch vermutlich hänge das auch mit der Ferienzeit zusammen, sagt Zeller. Die direkte Begegnung soll Vorurteile und Ängste abbauen und einen Grundstein für Integration legen. Gemeinsam besuchen die Geflüchteten und ihre deutschen Projektpartner den Landtag, das Rathaus, Kirchen, Moscheen, Gerichte, Schulen und Zeitungsredaktionen. „Auch für die Einheimischen gibt es dabei sicherlich viel Neues zu entdecken“, so Zeller. Das Programm findet auf Deutsch statt – „Deutschkenntnisse auf dem Level B2 sind eine Voraussetzung für die Teilnahme.“
Gestartet war das Projekt, das vom Lehrstuhl der Universität Potsdam wissenschaftlich begleitet und auch evaluiert wird, bereits am 18. Juli mit dem Modul „Medien und Pressefreiheit in Deutschland“, dem sich die Teilnehmenden im Projekthaus Babelsberg vier Nachmittage lang widmeten. Nun folgte das zweite Modul mit dem Thema „Demokratie in der Gemeinde“, das an drei Nachmittagen in den Räumen des Potsdamer Rathauses stattfindet. Berufsschulen, Religionsfreiheit, Justiz und Polizei, Frauenpower, der Tag der deutschen Einheit und Landespolitik sind weitere Themen, über die die Geflüchteten in den kommenden Seminaren, die bis zum Jahresende laufen, mehr erfahren werden.
Syrerin: „Ich möchte wissen, wie Deutschland funktioniert“
„Die Freiheitsrechte, die wir in Deutschland genießen, die Pressefreiheit oder auch die vielen Möglichkeiten der Beteiligung erleben die Teilnehmer als besonders gewinnbringend“, resümiert Projektreferent Zeller seine bisherigen Erfahrungen. Dies verwundere nicht – schließlich stammten die meisten Projektteilnehmer aus Staaten, in denen ihnen diese Rechte nicht eingeräumt wurden. „Es ist hier leicht, sich politisch einzubringen“, bestätigt ein Teilnehmer. „In Syrien ist es das nicht.“
„Ich möchte wissen, wie Deutschland funktioniert“, erklärt die 28-jährige Nur Alhanna, die aus Damaskus flüchtete und seit zehn Monaten in Deutschland lebt. „Wir brauchen diese Informationen, um zu verstehen, wie man in Deutschland lebt“, sagt auch Basel Alashkar, ebenfalls aus Damaskus. Der 24-Jährige begeistert sich besonders für die Arbeit der Pressestelle im Rathaus. „Mein Vater war Direktor einer Lokalzeitung“, sagt er lächelnd. Doch auch die Arbeit der Gleichstellungsbeauftragten, die sich den Projektteilnehmern ebenfalls vorstellte, habe ihn beeindruckt. Er selbst studierte in Syrien Innenarchitektur und hofft nun darauf, seinen Masterabschluss in Deutschland nachholen zu können.
Interessierte können sich weiterhin für eine Teilnahme am Projekt bewerben. Mehr Informationen gibt es hier >>
Heike Kampe
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