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Akzente setzen. Die Farbe Rot signalisiert bei Primaten unbewusst die Paarungsbereitschaft. Make-up kann den Effekt zusätzlich akzentuieren.

© Wolfgang Kumm/dpa

Was Potsdamer Forscher über die Farbe Rot rausgefunden haben: Wie die Lust

Wie die Farbe Rot das Liebes- und Sexualleben beeinflusst, wird seit 2014 in einem DFG-Projekt an der Universität Potsdam erforscht. Offenbar steigert die Farbe die Attraktivität von Frauen.

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Potsdam - Rot polarisiert. Die Farbe steht für Blut, Liebe und Leidenschaft, Kraft und Energie, aber auch für Gefahr, Wut, Aggression und Tod. Wir „sehen rot“, wenn wir auf jemanden richtig sauer sind, wir „streichen etwas rot im Kalender an“, wenn etwas Besonderes passiert ist, und wenn wir frisch verliebt sind, haben wir die „rosarote Brille“ auf. Solche Redewendungen verweisen auf den besonderen bedeutungsvollen Charakter der Farbe in unserer Kultur.

Insbesondere im Bereich der Sexualität und Liebe hat Rot eine starke Wirkung, die weit über reine Symbolik und Ästhetik hinausgeht. An der Universität Potsdam wird der Einfluss der Farbe Rot auf die menschliche Wahrnehmung und soziale Austauschprozesse in einem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) finanzierten langjährigen Projekt erforscht. Daniela Niesta Kayser, die als Privatdozentin an der Professur für Sozialpsychologie der Universität Potsdam tätig ist, hat zusammen mit Kollegen aus Potsdam, München und Wuppertal herausgefunden, dass Farben nicht nur Informationen vermitteln, sondern auch das Verhalten beeinflussen können.

Signalwirkung der Farbe hat auch biologische Ursachen

Dass vor allem Rot eine enorme Wirkkraft hat, ist wohl der Evolution geschuldet. „Man weiß aus der genetischen Entwicklungsgeschichte, dass Rot die zweite Farbe nach Grün ist, die man als Säugling oder Kind erkennen kann“, erklärt Niesta Kayer. Die Farbe weist auf lebensbedrohliche Gefahren hin, da beispielsweise Blut, also Verletzungen oder Schlimmeres, oder auch giftige Beeren und Pflanzen schnell registriert werden können. Ein Grund, warum unsere Warn- und Stoppschilder rot sind. Auch biologische Ursachen für die Signalwirkung der Farbe gibt es. Bei verschiedenen Primaten, wie den Schimpansen- und Pavianweibchen, signalisiert die nicht zu übersehende rote Schwellung ihres Genitalbereiches die Paarungsbereitschaft.

Natürlich laufen wir Menschen nicht ganz so freizügig herum, wie unsere nächsten Verwandten aus dem Tierreich. Doch auch bei Frauen verändert sich während ihrer fruchtbaren Tage, mehr oder weniger erkennbar, ihr Erscheinungsbild. Nicht nur sind Dekolleté und Teint in dieser Zeit leicht getrötet – Auslöser hierfür ist das weibliche Sexualhormon Östrogen, dessen Konzentration im Körper zum Zeitpunkt des Eisprungs ansteigt und bei Primaten unter anderem die Blutzirkulation verstärkt. Auch wird die eigene Fruchtbarkeit in vielen Kulturen durch Make-up wie Rouge oder roten Lippenstift und rote Kleidung akzentuiert. So ziehen Frauen in der empfängnisbereiten Phase ihres Zyklus deutlich häufiger rote oder pinke Sachen und Accessoires an, wie das Forscherteam um Niesta Kayser herausfand. Im Übrigen ebenso, wenn sie erwarten, einen gutaussehenden Mann zu treffen.

Männer finden Frauen in roten Kleidungsstücken attraktiver

Männer wiederum empfinden Frauen während ihrer empfängnisbereiten Phase natürlicherweise attraktiver – und daher auch wenn sie rote oder pinke Kleidungsstücke tragen. „Diese Prozesse laufen zum großen Teil bei beiden Geschlechtern unbewusst ab“, erklärt Niesta Kayser. Die Privatdozentin für Psychologie hat in ihren Versuchsreihen männlichen Probanden nur für einige Sekunden das Foto einer Frau gezeigt. War die Frau in Rot gekleidet beziehungsweise stand sie vor einem roten Hintergrund, fanden die Männer sie im Vergleich mit anderen chromatischen und achromatischen Farben attraktiver. Warum sie so entschieden haben, war ihnen gar nicht klar.

„Man meint eigentlich, dass Farben einem sofort ins Auge springen“, sagt Niesta Kayser. Im Vergleich zu möglichen anderen Einflussgrößen wie der Frisur, dem Gesichtsausdruck und der Haarfarbe der gezeigten Person hatte – nach Aussage der Probanden – die Farbe Rot aber kaum Einfluss auf ihre Wahrnehmung. Sie waren sich der Bedeutung der Farbe gar nicht bewusst.

Auswirkung auf das Verhalten?

Die Verbindung zwischen Rot und einer verstärkten physischen Anziehung lässt sich in allen Kulturkreisen finden. Studien im anglosächsischen Raum, China, Deutschland oder auch Burkina Faso zeigten immer eine attraktivitätssteigernde Wirkung durch die Farbe Rot. Dabei ist jedoch zu beachten, so Niesta Kayser, dass bisher die Probanden in den Versuchsreihen immer nur Personen der eigenen Ethnie bewerten sollten. Ob die Farbe Rot hingegen auch kulturübergreifend die Attraktivität steigert, muss noch untersucht werden. Interessant ist, dass die Farbe selbst in Burkina Faso, wo Rot eigentlich mit Krankheit in Verbindung gebracht wird, diese Wirkung erzielt.

Die Psychologin Niesta Kayser und ihr Forschungsteam interessiert jedoch nicht nur der Wahrnehmungsprozess, sondern auch, ob die Wahrnehmung konkrete Auswirkungen auf das Verhalten hat. „Aus unserer Forschung in der Sozialpsychologie wissen wir, dass verschiedenste Prozesse dazu führen können, dass man sich beim Kennenlernen oft nicht so verhält, wie man es gerne würde“, erklärt die Wissenschaftlerin. Dass man beispielsweise einfach zu schüchtern ist oder sich selbst nicht als attraktiv genug einschätzt oder dass man Angst vor Zurückweisung hat. Dazu hat das Forscherteam untersucht, ob die Farbe Rot in diesem Kontext ihre zielführende Wirkung beibehält.

Rot scheint somit auch die Kontaktbereitschaft zu erhöhen

In einem Experiment wurden Männer in einen Raum mit mehreren Sitzgelegenheiten gebracht. Vorher war ihnen ein Foto mit einer Frau, entweder in Blau oder in Rot gekleidet, gezeigt worden, die sie gleich in dem Raum treffen sollten. Bei den rot gekleideten Frauen setzten sich die Männer automatisch näher an die Frau heran. In einem anderen Versuch wurden Männer gebeten, Fragen für ein Treffen mit einer Frau zu formulieren. Auch hier wurde ihnen wieder vorher ein Bild der Frau, wieder in Rot und anderen Farben, gezeigt. Der Frau in Rot stellten die Männer deutlich intimere Fragen, die auf ein gesteigertes Interesse zum Kennenlernen hinwiesen. Rot scheint somit auch die Kontaktbereitschaft zu erhöhen, also das Verhalten direkt zu beeinflussen.

Auch Frauen finden Männer in roter Kleidung anziehender, die Ergebnisse sind hier jedoch nicht so eindeutig und konsistent wie andersherum. Frauen können Rot bei Männern mit einem höheren Status und Dominanz assoziieren. Das könne aber auch schnell zu bedrohlich wirken, so die Forscher. Eine gute Nachricht gibt es auch für Frauen, die kein Rot tragen wollen: Der warme Ton befördert nur dann die physische Anziehung, wenn von vornherein die Person als attraktiv angesehen und als potenzieller Partner wahrgenommen wird. Denn natürlich ist die Farbe nicht der einzige Grund, warum wir uns zu jemandem hingezogen fühlen.

Sarah Stoffers

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