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Landeshauptstadt: Wie die SED den Alten Fritz rettete

Der zweite Teil der Potsdam-DVD der PNN beschäftigt sich mit den Jahren 1945 bis 1991

Von Peer Straube

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Die wohl schönste Geschichte betrifft mal wieder den Alten Fritz. Das berühmte Reiterstandbild Friedrichs II., das in Berlin Unter den Linden steht, war nach dem Krieg dem Schmelzofen geweiht. Alles, was Preußen verherrlicht, so die Devise der SED, musste getilgt werden. Doch die eigenen Leute schlugen dem Ostberliner Parteiapparat ein Schnippchen. Potsdams Genossen erboten sich 1950, das Meisterwerk von Christian Daniel Rauch zu entsorgen und besorgten sich einen Verschrottungsschein. Statt aber Friedrich nebst seinem Ross einzuschmelzen, zerlegten sie ihn und versteckten die Teile im Park Sanssouci. 1962 bauten sie das Standbild eigenmächtig im Hippodrom am Schloss Charlottenhof wieder auf. Als die DDR-Mächtigen zu Beginn der 1980er den Marktwert des Alten Fritzen wiederentdeckten, holten sie die Plastik nach Berlin zurück.

Zum ersten Mal werden nun Filmaufnahmen davon veröffentlicht, wie das Standbild in Potsdam abgebaut wird. Zu sehen ist die Szene im zweiten Teil der DVD „Potsdam – Eine Zeitreise durch unbekannte Filmschätze“, der sich mit den Jahren 1945 bis 1991 beschäftigt. Die knapp einstündige Dokumentation hat der Osnabrücker Historiker und Filmemacher Joachim Castan exklusiv für die PNN erstellt. Wie schon beim ersten Teil, in dem Aufnahmen zu sehen sind, die zwischen 1921 und 1945 entstanden sind, hat Castan auch jetzt spektakuläres Material zusammengetragen. Durch einen PNN-Artikel aufmerksam geworden, haben sich in diesem Sommer drei Potsdamer bei dem Historiker gemeldet und ihm ihre privaten Aufnahmen überlassen.

Deren Inhalt hat Castan regelrecht in Euphorie versetzt: „Ganz tolle“ Bilder habe er bekommen, die ein Bild Potsdams im Sozialismus zeichnen, das es bislang so nicht zu sehen gab. Wer diese Zeit miterlebt hat, dürfte beim Anschauen tatsächlich einen „Aha“-Effekt nach dem anderen erleben: Flanierende Menschen in der Brandenburger, die damals Klement- Gottwald-Straße hieß, der Platz der Einheit mit dem Schuhhaus und dem „Basar“ an jener Stelle, an der heute die WilhelmGalerie steht, das Interhotel – jetzt „Mercure“ – in verschiedenen Bauphasen, der Bau des Wohngebiets Am Stern in den 1970er Jahren.

Besonders spannend sind Farbaufnahmen von der einzigen Instandsetzung der Altstadt, um sie für die Arbeiterfestspiele 1966 aufzuhübschen – laut Castan die umfassendste Sanierung des alten Zentrums zu DDR-Zeiten. Daneben glänzt der Film auch mit Szenen aus dem Alltag: Eine Familie hat ihren ersten Wartburg gekauft und bestaunt ihn durch das Auge der Kamera. Eine Seltenheit: Zwar gab es Orwo-Farbfilme zu kaufen. Doch leisteten sich nur wenige DDR-Bürger dieses kostspielige Hobby.

Zu den Höhepunkten des Films zählen zweifellos Aufnahmen von der Wiedereinweihung der Nikolaikirche 1981, der Eröffnung des DDR-Armeemuseums im Marmorpalais und die bislang einzig bekannten Bewegtbilder der Großdemonstration am 4. November 1989 mit zehntausenden Teilnehmern. Allein als zeitgeschichtliches Dokument ist der Film Juwel und Unikat zugleich: „Eine Dokumentation, die nur die DDR-Zeit Potsdams behandelt“, sagt Castan, „gab es bislang meines Wissens nicht.“

Die DVD „Potsdam – Eine Zeitreise durch unbekannte Filmschätze, Teil 2: 1945-1991“ ist für 16,95 Euro im PNN-Shop bei Karstadt in der Brandenburger Straße sowie online unter www.pnn.de/shop erhältlich. Teil 1 und 2 kosten zusammen 29,95 Euro.

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