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Homepage: Wie ein Askanier Kurfürst wurde

Der Potsdamer Historiker Helmut Assing hat neue Erklärungen für den Aufstieg des Fürstengeschlechts

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Als 1198 in Köln die deutschen Fürsten zur Königswahl schritten, gaben wie üblich die Stimmen der „Großen“, der Erzbischöfe von Köln, Mainz, Trier, des Pfalzgrafs bei Rhein und des Herzogs von Sachsen den Ausschlag. Die brandenburgischen Askanier wurden als Teilnehmer des Hoftages nur an hinterer Stelle genannt. Ein Jahrhundert später, als Albrecht I. von Habsburg auf den Thron gehoben wurde, war dagegen Markgraf Otto IV. von Brandenburg in die Gruppe der Kurfürsten (küren = wählen) aufgerückt.

Dieser erstaunliche und rätselhafte Aufstieg hat Historiker immer wieder beschäftigt. Nun liefert Professor Helmut Assing dazu neue Erklärungen. Der 78-jährige Nestor der Potsdamer Mediavisten belegt in den vor kurzem erschienenen „Askanier-Studien der Lauenburgischen Akademie“ an Urkunden und Chroniken die zunehmende Versachlichung der Kurwürde. Sie wurde ab dem 13. Jahrhundert nicht mehr so stark an die Person des Herrschers, sondern an das von ihm beherrschte Land gebunden. Und da besaß Brandenburg gute Karten: Die askanischen Markgrafen hatten ihr Territorium durch Neuerwerbungen vergrößert und durch Landesausbau für stabile politische und wirtschaftliche Verhältnisse gesorgt. Damit sicherten sie sich auch die Unterstützung die einflussreichen norddeutschen Großstädte, die auf sichere Handelswege angewiesen waren.

Die Zeichen für die höhere Wertschätzung der Brandenburger mehrten sich: 1237 lud Kaiser Friedrich II. Markgraf Johann I. nach Speyer ein, um auch von ihm das Einverständnis zur Königswahl seines Sohnes Konrad IV. einzuholen. 1246 legte der Papst Wert darauf, dass die brandenburgischen Markgrafen der Einsetzung eines Gegenkönigs zustimmten. 1256 versuchte, allerdings erfolglos, mit Otto III. gar ein Askanier erstmals den Königsthron zu erklimmen.

Schritt für Schritt schafften es die brandenburgischen Landesherren, als einzige „Spätaufsteiger“ in das Kurfürstenkolleg vorzustoßen, das laut Assing eine „neue Etappe in der deutschen Verfassungsgeschichte“ eröffnete. Darin liegt, selbst wenn nach dem Aussterben dieser Linie der Askanier andere Geschlechter, zuletzt die Hohenzollern, das Regiment übernahmen, sicher eine Wurzel für den Aufstieg Preußens.

In den gut 400-seitigen „Askanier-Studien“ sind mit Lutz Partenheimer, Universität Potsdam, und Clemens Bergstedt, nunmehr Direktor des Mittelaltermuseums auf der Bischofsburg Ziesar, zwei weitere Potsdamer Historiker vertreten. Partenheimer war 2001 mit einer umfassenden, wissenschaftlich hoch eingeschätzten – und auch für Laien spannend lesbaren – Biographie Albrechts des Bären hervorgetreten. In den „Studien“ gibt er nun ein um neue Erkenntnisse bereichertes Lebensbild des Stammvaters der Askanier und Begründers der Mark Brandenburg. In einem zweiten Beitrag widerlegt Partenheimer am Beispiel der Stammburg Brandenburg die These, die Mark sei vornehmlich durch „Krieg, Gewalt und Verrat“ gegründet worden. Bergstedt liefert einen Überblick über den weiteren Weg des Askaniergeschlechts bis zum Aussterben der männlichen Linie im Jahr 1320.

Sowohl Bergstedt als auch Partenheimer haben an der damaligen Pädagogischen Hochschule Geschichte studiert. Partenheimer war Forschungsstudent bei Professor Assing, der von 1959 - 1998 in Potsdam und an der Berliner Humboldt-Universität lehrte. Assing gilt als Begründer der modernen brandenburgischen Askanierforschung. Zweige dieses bedeutenden Adelsgeschlechts herrschten nicht nur über Brandenburg, sondern auch über Sachsen-Wittenberg, Sachsen-Lauenburg, Weimar-Orlamünde und – hier bis 1918 – über Anhalt. Ihr Wirken ist dennoch wenig erforscht, schreibt Herausgeber Professor Eckardt in der Einführung zu den Lauenburgischen „Studien“. Assing und seinen Schülern kann man dies für Brandenburg nicht vorwerfen.

Die Askanierforschung ist nur ein Wirkungsfeld des betagten Historikers. Seine auf akribisches Quellenstudium und mutige Schlussfolgerungen gestützten Thesen hatten seit jeher wissenschaftlichen Streit ausgelöst, so zur Datierung der Bistumsgründung in Brandenburg. Politisch wurde Assing bei der DDR-Staatssicherheit durch sein Eintreten für eine unabhängigere Gewerkschaft und durch ein kritisches Traktat zur Hochschul- und Jugendpolitik der SED auffällig und in seiner Karriere gebremst. Nach der „Wende“ wurde er, bisher einmalig in dessen langjähriger Geschichte, im Historischen Institut durch die Lehrkräfte, Mitarbeiter und Studenten in demokratischer Abstimmung zum Direktor gewählt. Auch zwölf Jahre nach der Emeritierung setzt Professor Assing seine von Beifall und Kritik begleitete Forschungsarbeit fort. Im neuen Jahrbuch der Landesgeschichtlichen Vereinigung für die Mark Brandenburg wird er einen Beitrag zur Gründungsgeschichte Potsdam veröffentlichen. Man darf gespannt sein. Erhart Hohenstein

Eckardt Opitz (Herausgeber), „Askanier-Studien der Lauenburgischen Akademie“, Winkler-Verlag, Bochum 2010, 19,45 Euro, ISBN 978-3-89911-132-3 Kt.

Erhart Hohenstein

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