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Landeshauptstadt: „Wie eine Säge durch die Kehle“

Zum diesjährigen Weinfest am Klausberg kamen mehrere Hundert Besucher. Wer wollte, konnte dort deutsche Weine verkosten – oder einfach nur den Berg genießen

Stand:

Der König höchstselbst schaute sich am vergangenen Samstag auf seinem Weinberg um. Mit dem Dreispitz auf dem Haupt, gekleidet in seinem blauen Uniformrock, durchschritt Friedrich der Große die Rasenfläche vor dem Königlichen Weinberg am westlichen Ende der Maulbeerallee. Der Monarch tat dies zur Freude seiner Untertanen, denn er spielte auf der von ihm so geliebten Querflöte.

Natürlich war es nicht der leibhaftige Friedrich II., der die Besucher des fünften Königlichen Weinfestes mit seinem Flötenspiel erfreute. Und Untertanen gibt es hier freilich ebenfalls nicht mehr. Und doch: Wie würde dieser so reizvoll überformte Klausberg wohl heute aussehen, wenn ihm in vergangenen Jahrhunderten nicht gleich mehrere Monarchen ihre Aufmerksamkeit geschenkt hätten? Wir würden sicher nicht auf langen Terrassen wandeln können, an deren Mauern Wein gedeiht. Auch könnten wir nicht, mitten im Weinberg stehend, die famosen Blicke auf Belvedere und Drachenhaus genießen.

Und ohne diese royale Vorgeschichte wären hier am vergangenen Wochenende auch nicht so viele Menschen zusammengekommen – unter ihnen der ungekrönte König des Frauenfußballs, der langjährige Turbine-Trainer Bernd Schröder. An langen Tischen unter offenen Zelten saßen die Besucher – auch auf Stühlen mitten im Rasen. Manche Familien brachten Decken mit, um es sich im Grünen unterhalb der Terrassen gemütlich zu machen. Wie viele Menschen das zweitägige Weinfest besuchten, das am Freitag begonnen hatte, kann man nur schätzen. Man zähle die Besucher nicht, sagte Dirk Häusser von den Berliner Mosaik-Behindertenwerkstätten, die das Königliche Weinfest veranstalteten. Allein am Samstagnachmittag waren es mindestens mehrere Hundert Menschen.

Winzer aus vielen Weinanbauregionen Deutschlands hatten dazu ihre Zelte aufgeschlagen und boten Bacchus’ Leibgetränk zum Kosten und Kaufen an. Dabei war die Moselregion ebenso vertreten wie das Saale-Unstrut-Gebiet, aus dem Württembergischen gab es Wein, auch von der Nahe – und natürlich durfte Brandenburger Rebensaft ebenfalls nicht fehlen: Der Weinverein aus Werder bot Gekeltertes der Familie Lindicke an. Aus dem Süden Brandenburgs wurde an einem anderen Stand Wein aus einem rekultivierten Tagebaugebiet angepriesen.

Friedrich der Große ließ am Klausberg einst Tafeltrauben anbauen, wie Dirk Häusser am Samstag bei einer Führung durch die Anlage berichtete. Der Hofgärtner Heinrich Christian Eckstein aus dem Neuen Palais-Revier kultivierte hinter Glas an den sogenannten Talutmauern für den königlichen Hof vor allem südländische Rebsorten, deren Früchte auf die höfische Speisetafel kamen. Den Wein zum Trinken ließ sich der preußische Herrscher jedoch aus Frankreich kommen. „Friedrich war ja der Überzeugung, dass Brandenburger Wein runtergeht wie eine Säge durch die Kehle“, berichtete Häusser. Kurzum: Vom märkischen Rebensaft hielt der König herzlich wenig.

Friedrich II. ließ den Klausberg ab 1769 zur gärtnerischen Nutzung urbar machen. Ein Teil des südlichen Hanges erhielt Terrassen. Es wurden drei durchgängig verglaste, unbeheizte Treibmauern für Pfirsiche, Aprikosen und Äpfel errichtet. Zunächst pflanzte man nur auf den unteren Terrassen Weinreben an. Die Idee zum Weinanbau auf dem Klausberg hatte der rheinländische Gardesoldat Werley. Der König nahm diese Anregung auf und betraute Werley mit der Realisierung der Pläne. Doch schon nach wenigen Jahren fiel der Rheinländer bei seiner Majestät in Ungnade und musste den Posten räumen. Fortan war Hofgärtner Eckstein verantwortlich für das Gedeihen des königlichen Tafelobstes vom Klausberg.

Eine große Neuerung führte der französische Obstzüchter Alexis Lepère d. J. ein. Er erhielt 1862 die Genehmigung, im südöstlichen Teil des Weinbergs drei rechteckige Flächen mit jeweils drei Mauern einzufassen. Nur nach Süden hin sind diese Areale nicht von einer Mauer umfasst. Auf diese Weise schuf der französische Obstzüchter klimatisch geschützte Areale, die zum Treiben von Obst besonders geeignet waren. Unterhalb der Mauerkrone dieser heute noch erhaltenen Lepère’schen Mauern ragen Eisenstreben hervor, auf die Holzbohlen aufgelegt werden konnten, um das Spalierobst vor Frost zu schützen. Kaiser Wilhelm II. ließ am Klausberg später auch noch massive beheizbare Gewächshäuser errichten.

Nach dem Krieg verwilderte die Anlage. Seit rund zehn Jahren betreiben – auf Grundlage einer Vereinbarung mit der Schlösserstiftung – die Berliner Mosaik-Behindertenwerkstätten den Weinberg. Menschen mit Behinderungen pflegen den Berghang, an dem nun wieder viel Wein wächst. Im Gegensatz zu Friedrichs Zeiten wird aber kaum Tafelwein, sondern vor allem Wein zum Keltern angebaut. Die jüngste Lese habe erstmals über 1000 Flaschen erbracht, sagt Häusser. In einigen Potsdamer Läden kann man den Rebensaft kaufen. An den Lepère’schen Mauern gedeihen heute unter anderem Pfirsiche und Birnen als Spalierobst.

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