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Homepage: „Wie in der Champions League“

Der Präsident der Max-Planck-Gesellschaft, Peter Gruss, über die Potsdamer Institute, den Nobelpreis und Gewinne der Forschung

Stand:

Herr Gruss, Sie bringen in dieser Woche rund 600 Wissenschaftler und Experten zur Jahreshauptversammlung der Max-Planck-Gesellschaft nach Potsdam. Warum gerade hierher?

Die Max-Planck-Gesellschaft wird je zur Hälfte von Bund und Ländern finanziert. Ihre Hauptversammlung wandert, wie die einstigen Wanderkaiser, durch die Bundesländer. Damit wollen wir den Ländern symbolisch etwas zurückgeben. Mit Potsdam haben wir nun einen ganz besonders attraktiven Standort ausgewählt. Auch die Forschungsaktivitäten in dieser Stadt sind beachtlich.

Welche Rolle spielt Potsdam für die Max-Planck-Gesellschaft?

Für uns ist Potsdam nicht nur ein historisch bedeutsamer Ort, sondern auch Sitz von drei Instituten, die allesamt hervorragend sind. Auf dem Golmer Campus haben wir das Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik, das Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung sowie das Max-Planck-Institut für molekulare Pflanzenphysiologie versammelt. Wir haben hier in den 90er-Jahren einen hervorragenden Standort geschaffen, mit internationalen Spitzenwissenschaftlern, die weltweit Anerkennung finden.

Die Max-Planck-Institute haben Grundlagenforschung zum Auftrag

die aber auch direkte Effekte für die Wirtschaft hat. Grundlagenforschung erschafft nicht nur Theoretisches. Nehmen Sie beispielsweise das Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung, das mit seinen Erkenntnissen sehr dicht an der Anwendung arbeitet. Wir haben mittlerweile neun Ausgründungen aus diesem Institut. Auch das Institut für molekulare Pflanzenphysiologie hat intensive Kontakte in die Wirtschaft. Das Interesse an unseren Forschungsergebnissen zeigt, dass das Geld in der Grundlagenforschung gut investiert ist. Aber es gibt auch unmittelbare Effekte.

Zum Beispiel?

Eine neue Studie zu Berlin besagt, dass jede Stelle, die in der Wissenschaft und den Hochschulen investiert wird, eine weitere halbe Stelle zusätzlicher Aktivitäten in der Wirtschaft schafft. Damit sind noch nicht einmal die wirtschaftlichen Erfolge des Wissens gemeint, sondern nur die Nebeneffekte. In München ist es sogar eine Dreiviertel-Stelle, die zusätzlich entsteht. Es gibt also auch einen wirtschaftlichen Gewinn durch die Wissenschaft.

Welche Rolle spielt Ostdeutschland für die Max-Planck-Gesellschaft?

Wir haben hier nach der Wende eine Reihe hervorragender Institute gegründet. Insgesamt sind es 20 Institute von bundesweit 82 Einrichtungen. Der Aufbau Ost ist ein Beispiel dafür, wie eine gute Politik es schafft, wissenschaftliche Leuchttürme anzusiedeln. Das kann man auch für die Entwicklung der neuen EU-Länder in Osteuropa als Erfahrung nutzen. Es war mutig von meinen Amtsvorgängern, zunächst über Forschungsgruppen an den Universitäten dynamisch zu reagieren, um dann anschließend in einer „Tour de Force“ die Institute in den neuen Ländern anzusiedeln. Die Qualität der Arbeit, die dort geleistet wird, ist im internationalen Vergleich hervorragend. Ostdeutschland ist für uns ein unverzichtbarer Bestandteil unseres Forschungs-Portfolios.

Welche Pläne zur Expansion gibt es?

Wir expandieren zurzeit durch die Gründung einer Vielzahl von international ausgerichteten Graduiertenschulen. Zu meinem Amtsantritt 2002 waren es rund 20, inzwischen sind es 65. Dabei ist der Osten besonders aktiv. In Dresden wurde außerdem ein neues Zentrum für Systembiologie gegründet. Es gibt also zahlreiche zusätzliche Aktivitäten in den neuen Bundesländern. Aber die sind natürlich abhängig von einer zusätzlichen Förderung. Die Diskussion der kommenden Jahre wird zeigen, ob die Länder bereit sind, der Grundlagenforschung hier die entsprechenden finanziellen Spielräume zu geben. Deutschland wäre allerdings schlecht beraten, den aktuellen Aufwärtstrend im Innovationsgeschehen, der die Forschung als Grundlage hat, wieder zu stoppen.

Die neue Bundesforschungsministerin Johanna Wanka (CDU) wird bei ihrer Festversammlung im Nikolaisaal sprechen. Was erwarten Sie von ihr?

Sie ist Naturwissenschaftlerin, sie war Ministerin in Brandenburg und Niedersachsen. Insofern erwarte ich mir von ihr höchstes Verständnis für die Belange der Wissenschaft, gerade weil sie eine große Erfahrung aufweist. Ich denke, dass sie die Politik, die ihre Vorgängerin Annette Schavan erfolgreich begonnen hat, fortsetzen wird.

Was werden Sie in den zwei Tagen in Potsdam für die Max-Planck-Gesellschaft anschieben?

Unsere Wissenschaftlichen Mitglieder treffen sich in ihren Sektionen. Sie werden über Berufungen beraten und der Senat wird am Ende ein Votum dazu abgeben. Das heißt, hier werden die Weichen für die kommenden 20 Jahre der Max-Planck-Gesellschaft gestellt. Es muss uns weiterhin gelingen, die besten Köpfe der Welt an uns zu binden. Ein weiterer Tagesordnungspunkt ist dann die Wahl des nächsten Präsidenten. Meine Amtszeit läuft im Sommer 2014 aus. In Potsdam werden also Entscheidungen getroffen, die für unsere Forschungsorganisation von größter Bedeutung sind.

Auch Internationalisierung wird ein Schwerpunkt sein.

Großartige Talente sind immer rar. Das ist ähnlich wie in der Champions League. Das ist die Liga, die wir brauchen, und die ist weltweit knapp besetzt. Wir müssen also alles daran setzen, diese Talente an uns zu binden. Insofern ist die Internationalisierung keine Option, sondern eine Voraussetzung. Wir müssen in der Welt einen Bekanntheitsgrad erreichen, damit unser System von den Studierenden über die Nachwuchsgruppenleiter bis hin zu den Direktoren als eines der international besten wahrgenommen wird. Damit haben wir bislang gute Erfahrungen gesammelt. In der letzten Dekade haben wir über 40 Prozent der Direktoren aus dem Ausland rekrutiert; über 50 Prozent unserer Doktoranden und fast 90 Prozent unsere Post-Doktoranden kommen aus anderen Ländern.

Wieso drängt das Thema so sehr?

Man sollte sich vor Augen führen, dass in sieben Jahren 40 Prozent der Nachwuchswissenschaftler aus China und Indien kommen. Unsere demografische Entwicklung hingegen geht in die andere Richtung. Hinzu kommt, dass bei uns bereits heute eine hohe fünfstellige Zahl an Ingenieuren und Naturwissenschaftlern fehlt. Es ist also absolut unabdingbar, dass Deutschland sich international so positioniert, dass die besten Nachwuchswissenschaftler hierherkommen. Das gilt nicht nur für die Max-Planck-Gesellschaft.

Es werden auch Nobelpreisträger zu der Jahresversammlung erwartet. Was meinen Sie, wird es in einigen Jahren auch einen Nobelpreisträger aus Potsdam geben?

Wir arbeiten auf diesem Niveau, auch in Potsdam. Die Forschungsleistungen unserer Institute liegen nach Harvard weltweit auf Platz zwei. Wir haben also die entsprechenden Kandidaten. Aber die Entscheidungen des Nobelpreiskomitees sind natürlich nicht vorhersehbar.

Mal angenommen, am Institut für Gravitationsphysik würden Gravitationswellen gemessen

dann wäre das natürlich ein Anwärter auf den Nobelpreis.

Das Gespräch führte Jan Kixmüller

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Peter Gruss (63) ist seit 2002 Präsident der Max-Planck-Gesellschaft. Der Zellbiologe ist Träger des Leibniz-Preises, des Deutschen Zukunftspreises und des Bundesverdienstkreuzes.

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