Von Anja Priewe: Wie man fliegt und trotzdem am Boden bleibt
Die Potsdamer Kinder-Filmuniversität hat gestern nach zehn Sonntagen voller Vorlesungen die Diplome an seine jüngsten Absolventen übergeben
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Ein großer Kinosaal. Die schweren Stahltüren mit den dahinter hängenden Vorhängen lassen kein Licht von außen herein. In den weichen Sitzen lümmeln sich die Kinobesucher und schauen gebannt auf die Leinwand. Nur der fehlende Duft von Popcorn macht deutlich, dass es sich hierbei um keine gewöhnliche Kinoveranstaltung handelt.
Als der Film plötzlich stoppt und Marlis Roth auf die Bühne tritt, sind alle Blicke auf sie gerichtet. Mit dem Zeigestock in der Hand wendet sie sich an ihr Auditorium und beginnt die eben gesehene Montagetechnik zu erläutern. Sie wirft mit Begriffen wie „Schwarzbild“, „Überblendung“ und „Frame“ um sich. Die Studenten nicken verständlich. Nach zehn Vorlesungen stehen sie voll im Stoff und kennen die Fachwörter aus dem Film- und Fernsehbereich.
Dabei handelt es sich bei den Zuhörern nicht um gewöhnliche Studenten, sondern um Kinder im Alter zwischen neun und zwölf Jahren. Seit dem Wintersemester nahmen sie an dem europaweit einmaligen Projekt einer Kinderfilmuniversität teil. Die Vorlesungen, die abwechselnd im Thalia Kino Babelsberg, im Filmmuseum und in der Hochschule für Film und Fernsehen „Konrad Wolf“ stattfanden, sollten Grundlagen des Filmemachens, der Filmsprache und der Filmtechnik vermittelt. Ziel war es, Kinder spielerisch für das Metier zu sensibilisieren. Besonders gut kam bei vielen die Vorlesung zur Animation an. Max Reichert, der zusammen mit seiner Mutter die gesamte Vorlesungsreihe besuchte, zeigte sich besonders beeindruckt über die enorme Arbeitszeit, die ein Animationsfilm, wie etwa der Kinoerfolg „Ice Age“ in Anspruch nimmt: „36 Bilder allein für eine Sekunde Film, das ist schon erstaunlich“, sagte der 11-Jährige verblüfft.
Am vergangenen Sonntag gab es die vorerst letzte Veranstaltung in diesem Semester. Dabei erklärte Marlis Roth, Professorin am Lehrstuhl für Medienwissenschaft, alles Wissenswerte rund um das Thema „Montage“. Sie zeigte sich begeistert von ihren jungen Hörern: „Es hat irre viel Spaß gemacht.“ Im Gegensatz zu ihren üblichen Studenten würden sich Kinder viel spontaner äußern. „Sie sind unglaublich rege und überlegen nicht lange wie ihre Antwort bei den Kommilitonen ankommen könnte. Im nächsten Jahr bin ich auf alle Fälle wieder dabei“, sagte Marlis Roth. Zuspruch erhält sie von Dieter Wiedemann, Initiator und Präsident der Hochschule für Film und Fernsehen Konrad Wolf: „Kinder besitzen eine sehr genaue Beobachtungsgabe und oftmals über deutlich mehr Phantasie als Erwachsene. Dieses Talent gilt es zu fördern.“
Wie aufwendig es ist, um im Film fliegen zu können und dabei trotzdem am Boden zu bleiben, wurde den Kindern am vergangenen Sonntag ebenfalls erklärt. Am Ende erhielten die insgesamt 37 Teilnehmer ihr Diplom, darunter auch Max Reichert. Claudia Wegener, Professorin für Kinder und Jugendkultur an der HFF, sprach von einer gelungenen zweiten Veranstaltungsreihe: „Wir freuen uns über die breite Resonanz der Kinderfilmuni. Unser Ziel ist es das Projekt im nächsten Jahr fortsetzen.“
Ob Max mal Regisseur werden wird, weiß der 11-Jährige heute noch nicht. „Es hat auf alle Fälle viel Spaß gemacht und wer weiß, vielleicht öffnet mir das Diplom später mal den Zugang zu dieser Universität, wenn ich mich doch für das Filmemachen entscheide.“
Anja Priewe
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