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STIMMEN: Wie Potsdamer auf den Anschlag reagieren

Viele Menschen in Potsdam reagieren auf den Anschlag in Paris. Die PNN haben Künstler und Wissenschaftler befragt.

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Viele Menschen in Potsdam reagieren auf den Anschlag in Paris. Die PNN haben Künstler und Wissenschaftler befragt.

Die Philosophin Susan Neiman, Direktorin des Potsdamer Einstein Forums, findet, dass nun jede Zeitung der Welt die Mohammed-Karikaturen von „Charlie Hebdo“ veröffentlichen sollte. „Ich finde sie weder brillant noch besonders komisch. Aber es geht darum, ein Zeichen gegen Angst zu setzen.“ Die Zeitungen müssten gerade jetzt die Werte des Westens verteidigen – mit einer Moral, die den Fundamentalismus infrage stellt.

Der Professor für Politische Theorie an der Universität Potsdam, Heinz Kleger, findet es bezeichnend, dass keine Regierungsstellen, sondern – nicht zum ersten Mal – die Redaktion einer Zeitung angegriffen worden ist. „Dies zeigt, was die Attentäter stört: Die Meinungsfreiheit, die für eine liberale Demokratie grundlegend ist.“ Kleger gibt auch zu bedenken, dass von Frankreich aus die meisten Dschihadisten nach Syrien gegangen sind. Die Attentäter lebten schon lange in Frankreich, würden akzentfrei Französisch sprechen. „Dies verweist auf eine tiefe Spaltung der französischen Gesellschaft, die große Probleme mit der Integrationspolitik hat.“

Der aus Frankreich stammende Laurent Dubost vom Potsdamer Tanztheater „fabrik“ in der Schiffbauergasse sagte: „Die Karikaturisten und Journalisten, die gestorben sind, sind in Frankreich sehr bekannt – viele sind täglich mit ihren Zeichnungen in den Hauptzeitungen präsent gewesen, daher sitzt der Schock für viele Franzosen besonders tief.“ Reagieren könne man nur mit mehr Demokratie, mehr Satire, mehr Pressefreiheit und mehr Toleranz für alle Religionen und Meinungen. „In einer Zeit, in der oft Pegida und die AfD in Deutschland die Schlagzeilen bestimmen, ist es jetzt die Gelegenheit, viele Stimmen gegen Hass, Ausländerfeindlichkeit und Ängste sprechen zu lassen.“ Die Mehrheit der Bevölkerung stehe für Demokratie und Offenheit, ist sich Dubost sicher – insofern seien die weltweiten Solidaritätskundgebungen ermutigend.

Der Leiter des Brandenburgischen Kunstvereins, Gerrit Gohlke, warnte vor einer Instrumentalisierung des Anschlags: „Wir sind wieder mit dem Aufruhr der Frustrierten konfrontiert, denen die Religion nur als Projektionsfläche dient, um über die eigenen Sehnsüchte, die eigene Entfremdung zu reden: Hier die Fremdheitsphobiker auf den Straßen, die vom Islam reden und nur eine Gesellschaft meinen, deren dauernde Veränderung ihre Ängste weckt. Dort die Gewalttäter, die ihre Wut und Feigheit mit religiösem Weihrauch parfümieren.“

Der Comic-Produzent Christopher De La Garza sieht den Angriff als weiteren Versuch, die Meinungs- und Pressefreiheit ins Wanken zu bringen. Der verletzte Stolz einiger weniger Fanatiker und Extremisten dürfe nun aber nicht Anlass dafür bieten, Gleiches mit Gleichem zu vergelten. HK/kix

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