Landeshauptstadt: Wie sich der Traum vom Pfingstberg erfüllte
Mit geliehenem Leiterwagen ging es 1988 zum ersten Arbeitseinsatz / Heute Aktion zum 20. Jahrestag des Fördervereins
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Nauener Vorstadt - Heute ab 9 Uhr treffen sich die Mitglieder des Fördervereins Pfingstberg, um in einem Arbeitseinsatz einige noch unansehnliche Ecken aufzuräumen. Nichts Besonderes, sollte man meinen, denn das tun sie vom alljährlichen Neujahrsputz an in regelmäßigen Abständen. Diesmal aber feiern sie damit ein Datum, das im Nachhinein durchaus als historisch bezeichnet werden darf. Am 12. März 1988, also vor 20 Jahren, versammelte der Student Wieland Eschenburg etwa 20 junge Leute um sich – der heutige Ministerpräsident Matthias Platzeck war auch dabei – um den verwilderten Lennéschen Park wenigstens in Teilen zu entrümpeln.
„Mit einem geliehen Leiterwagen voller Gartengeräte zogen wir gemeinsam auf den Berg, im Fahrradanhänger Getränke, Brötchen, Schmalzfleisch, Bockwürste“, erinnert sich Eschenburg, heute Vorsitzender des Fördervereins Pfingstberg. Alle 14 Tage wurden die Einsätze fortgesetzt. „Da rotteten sich keine Staatsfeinde zusammen ... – wir wollten einfach leben und uns dafür einen Freiraum schaffen. Wir genossen das Gefühl, gemeinsam die gerodeten Äste zu verbrennen und vor der historischen Schlossanlage im offenen Feuer zu grillen. Regimefeinde der DDR seien sie nicht gewesen, meint Eschenburg, doch das sahen deren „Sicherheitsorgane“ anders. Von Anfang an observierte die Staatssicherheit die Gruppe, angebliche Betriebszeitungredakteure versuchten, die Mitglieder auszufragen, und dem Bausoldaten Sebastian Funke wurde ein Studienplatz versprochen, wenn er Informationen liefere.
Doch die Stasi biss auf Granit. Ihre Offiziere hatten durchaus richtig verstanden, dass es nicht nur um Entmüllung und Rodungen in einem historischen Park ging, sondern die Einsätze eine deutliche Kritik an der Vernachlässigung der Denkmalpflege und des Umweltschutzes durch das DDR-Regime darstellten. Das Belvedere auf dem Pfingstberg, unter König Friedrich Wilhelm IV. 1847 bis 1852 errichtet und 1860 bis 1863 in einer zweiten Etappe vollendet, bot nach jahrzehntelanger Vernachlässigung Mitte der 1960er Jahre noch einen halbwegs passablen Anblick. Dann aber verfiel es rapide. Es wurde zum gefährlichen Abenteuerspielplatz für Heranwachsende, vor allem aber für Soldaten aus dem „Verbotenen Städtchen“ des sowjetischen Geheimdienstes. Überall an den Mauern waren ihre Namenszüge zu lesen. Auch schwere, natürlich totgeschwiegene Unfälle hat es gegeben. Vom nahegelegenen Pomonatempel, um 1800 das Erstlingswerk des genialen Baumeister Karl Friedrich Schinkel, blieben nur Reste der Grundmauern.
Schon 1987 hatte Wieland Eschenburg in einer studentischen Belegarbeit „Der Pfingstberg gestern - heute - morgen?“ Überlegungen zur Zukunft des Ensembles angestellt. Hans-Joachim Giersberg, der Schlösserdirektor, dann Generaldirektor der Stiftung, nahm diese Vorschläge positiv auf, für realisierbar hielt er sie wohl kaum. Später wurde er zu einem der wichtigsten Förderer des Vereins, in dem er Großunternehmer wie Werner Otto und Hans-Hinrich Reemtsma dazu bewegte, über ihre Stiftungen Millionen für die Rettung und Wiederherstellung der Pfingstberg-Bauten zu spenden.
Zunächst entschloss sich die am 20. Februar 1988 unter dem Dach des Kulturbundes gegründete AG Pfingstberg (der spätere Förderverein), mit ihrem Anliegen an die Öffentlichkeit zu gehen. Zum ersten Pfingstbergfest am 10. Juni 1989 kamen nicht weniger als 3000 Besucher. Die Staatssicherheit setzte einen beträchtlichen Teil ihres Potsdamer Personalbestandes ein, um das Treffen zu überwachen. In ihrer „Operativen Einschätzung“ berichtet sie über „Meinungsäußerungen von operativ bedeutsamen Personen“ mit „konkreten Vorwürfen zum Verfall des Belvedere und der allgemeinen Feststellungen, dass staatlicherseits zu wenig für den Umweltschutz getan werde, es aber notwendig sei, auf Versäumnisse und Probleme aufmerksam zu machen“. Das Fest verlief störungsfrei, im Rückblick Eschenburgs ein „Bestandteil der sanften, stillen, unblutigen und aus dieser Sicht eigentlich selbstverständlichen Wende“.
Wenig später begann der Traum vom erneuerten Pfingstbergs Wahrheit zu werden. Am 29. Mai 1993 wurde der wiederaufgebaute Pomonatempel eingeweiht, für den 1991 die Reemtsma-Stiftung 500 000 DM spendete. Bis 2005 dauerte die Wiederherstellung des Belvederes mit den beiden Aussichtstürmen. Dazu trugen Reemtsma und die Otto-Stiftung insgesamt acht Millionen Euro bei.
Heute wird der Pfingstberg-Verein an den steinigen Anfang erinnern: Wie 1988 mit einem Arbeitseinsatz und anschließendem Grillen, aber auch mit einem Rückblick auf den 20-jährigen erfolgreichen Weg.
Erhart Hohenstein
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