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Landeshauptstadt: Wie Tarzan im Bürokratiedschungel

In der Stadt- und Landesbibliothek wurde gestern die Interkulturelle Woche 2003 eröffnet – und mit ihr die Ausstellung „anders? cool!“

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In der Stadt- und Landesbibliothek wurde gestern die Interkulturelle Woche 2003 eröffnet – und mit ihr die Ausstellung „anders? cool!“ Von Sabine Schicketanz Im Bürokratiedschungel hat Yoham-Panton Ke“ngum so wenig Probleme wie Tarzan im echten Urwald. Kaum überlegen muss der 30-Jährige aus Kamerun, bevor er den Sensor mit dem Buchstaben A oder B berührt, aus dem daraufhin ein kurzer, blechern klingender Erfolgsmarsch ertönt. 27 Monate lebt Yoham-Panton Ke“ngum schon in Potsdam, er ist Asylbewerber, wohnt im Heim in der Kirschallee – und er ist jemand, der sich mit aller Kraft und vor allem mit viel Optimismus für das friedliche Zusammenleben der Potsdamer mit ihren ausländischen Mit-Potsdamern einsetzt. Deshalb hat Yoham-Panton Ke“ngum es sich auch nicht nehmen lassen, an diesem Dienstagmorgen zur Eröffnung der Interkulturellen Woche in die Stadt- und Landesbibliothek zu kommen. Gemeinsam mit Oberbürgermeister Jann Jakobs macht der Mann aus Kamerun, dessen Lachen so ansteckend ist, die Runde durch die in der Kinder- und Jugendbibliothek aufgebaute Ausstellung, die den Titel „anders? cool!“ trägt. Große Schautafeln zeigen, wie ausländische Jugendliche das Leben in Deutschland empfinden, warum sie hergekommen sind, welche Träume sie haben, wie schwer es ist, eine neue Sprache zu lernen, mit welchen Anfeindungen sie zurechtkommen müssen, aber auch, wie sie das alles erfolgreich gemeistert haben. Teil dieser Wanderschau, die von der Bundesarbeitsgemeinschaft Jugendsozialarbeit zusammengestellt wurde, ist auch die interaktive Fragentafel zum Bürokratiedschungel, in dem sich Ausländer zurechtfinden müssen. Wie oft muss eine Aufenthaltsgenehmigung beantragt werden? Muss ein Zuwanderer, der schon einen Führerschein hat, in Deutschland noch eine Prüfung machen? Müssen alle Dokumente übersetzt werden? Yoham-Panton Ke“ngum ist meist schneller am Drücker als der Oberbürgermeister – schließlich hat er fast tagtäglich mit derartigen Fragen zu tun. Weil er bereits in Kamerun Deutsch gelernt und studiert hat, hilft er anderen Asylbewerbern, ihre Anträge zu stellen, arbeitet als Deutschlehrer und übersetzt Schriftstücke, auch für die Heimleitung. Ob er selbst in Deutschland bleiben darf, steht noch nicht fest. „Das entscheidet jetzt das Verwaltungsgericht.“ Studieren und forschen würde Yoham-Panton Ke“ngum hier gern, in einer Stadt, die „zwar für Ausländer nicht perfekt ist, aber in der es Strukturen gibt, die sich engagieren und das Leben einfacher machen, besonders für Menschen mit einer anderen Hautfarbe als hier die meisten haben“, sagt er. Genau um dieses Lebensgefühl der zugewanderten Potsdamer ginge es bei der Interkulturellen Woche – vormals „Woche der Ausländischen Mitbürger“ – , meint Oberbürgermeister Jann Jakobs. Bei der Integration werde viel Unterstützung gebraucht – dass es die gebe, könne man bei dieser Veranstaltungswoche mit zahlreichen Angeboten von 15 verschiedenen Vereinen und Initiativen spüren. „Hier machen Ausländer und Deutsche etwas gemeinsam.“ Was der Oberbürgermeister besorgniserregend findet, sehen die Schüler der Rosa-Luxemburg- und der Steuben-Gesamtschule genauso: In Potsdam ist die Zahl der rassistischen Angriffe auf Ausländer wieder angestiegen. „Manche werden an unserer Schule schon ziemlich fertig gemacht, weil sie Ausländer sind“, sagt der 16-jährige Philipp Friedrich von der Rosa-Luxemburg-Gesamtschule. In Potsdam gebe es viele Jugendliche, die Ausländer nicht mögen, rechtsgerichtet seien. Es sei schwer, etwas gegen sie zu tun, meinen Philipp Friedrich und sein Schulkamerad Nico Heinze: „Es gibt zu viele davon.“ An ihrer Schule gebe es aber zumindest Streitschlichter, die sich einschalten, wenn es Konflikte gibt. „Da kann dann alles beredet werden.“ Yoham-Panton Ke“ngum will sich durch die Überfälle auf Ausländer – 20 Fälle hat der Verein Opferperspektive seit Anfang 2002 in Potsdam gezählt – nicht entmutigen lassen. „Man muss sehr hart kämpfen, wenn man etwas erreichen will“, sagt er. Doch die Vorurteile zu überwinden scheint allemal schwieriger zu sein, als sich im deutschen Bürokratiedschungel zurecht zu finden. Das Programm der Interkulturellen Woche 2003 in Potsdam im Internet: www.potsdam.de, Link Rathaus Online

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