DIE GESCHICHTE DER FESTUNG KÜSTRIN: Wiederaufbau des Schlosses unrealistisch
Polnische Studentin erkundet Geschichte des zerstörten Küstriner Bauwerkes
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Küstrin/Kostrzyn - Zweisprachige Wegweiser stehen seit kurzem auf dem Gelände der im Zweiten Weltkrieg zerstörten Altstadt von Küstrin (Kostrzyn) am östlichen Ufer der Oder. Sie weisen in Polnisch und Deutsch zum Berliner Tor, wo inzwischen eine Touristeninformation untergebracht ist, zur früheren Pfarrkirche und auch zum einstigen Schloss. Heute lassen nur noch die zerbröckelnden Grundmauern die Umrisse des einst 73 mal 55 Meter großen, dreigeschossigen Renaissance-Baus erahnen.
64 Jahre nach der Zerstörung der von Festungsmauern umgebenen Altstadt hat eine polnische Studentin dem Schloss eine über 100 Seiten starke wissenschaftliche Publikation gewidmet. Als Schülerin sei sie gern durch die von Sträuchern überwucherten Trümmer der Altstadt gelaufen, erzählt Dominika Piotrowska, die in Kostrzyn aufwuchs. Während ihres Kunstgeschichte-Studiums in Wroclaw (Breslau) habe sie ihre Magisterarbeit über das Schloss geschrieben. Diese kam in diesem Jahr erweitert in Buchform heraus – in polnischer Sprache zwar, aber mit einer 16-seitigen deutschen Zusammenfassung sowie zahlreichen Illustrationen aus vergangenen Jahrhunderten.
„Mich fasziniert die Geschichte dieses Orts, der einst eine Stadt war und heute als Pompeji an der Oder bezeichnet wird“, sagt Piotrowska, die inzwischen am Herder-Institut in Marburg tätig ist.
So habe sie sich intensiv mit der Geschichte des Schlosses und insbesondere der Architektur befasst. „Viele Menschen in Kostrzyn wissen nichts weiter, als dass hier einst die Altstadt war“, sagt die 25-Jährige. Ihr Buch soll den heutigen Bewohnern die Regionalgeschichte aus der Zeit vor 1945 näherbringen.
Es handle sich um eine der umfangreichsten Abhandlungen zum Küstriner Schloss seit 1945 überhaupt, betont Slawomir Gorka, der Direktor des künftigen Festungsmuseums. Dessen Büroräume sind im ausgedienten Zollamt direkt neben der Altstadt untergebracht. In den kommenden Jahren sollen wissenschaftliche Publikationen zu weiteren historischen Bauten der früheren Festung erscheinen.
Unterdessen schwelt die seit Jahren höchst strittige Diskussion weiter, was mit der Altstadt geschehen soll. „Mein erster Gedanke war, alles sollte so erhalten bleiben, wie es ist“, sagt Piotrowska, die derzeit ihre Doktorarbeit über die früheren Residenzen und Burgen der heute zu Polen gehörenden Neumark schreibt. Inzwischen sei sie aber dafür, Teile zu rekonstruieren, etwa die Festungsbastionen. Ein Wiederaufbau des Schlosses erscheint dagegen unrealistisch.
Die 17 000 Einwohner zählende Kleinstadt hat dafür kein Geld. Auch ein Investor sei bisher nicht in Sicht, sagt Ryszard Skalba von der Kostrzyner Stadtverwaltung. Sollte sich irgendwann ein seriöser Interessent finden, würde die Stadt das Grundstück an ihn verkaufen.
Skalba verweist jedoch darauf, dass das Schloss unter denkmalrechtlichen Grundsätzen wieder aufgebaut werden müsse. Aber auch ein Erhalt der Altstadt als Flächendenkmal beschere der Kommune hohe Kosten etwa für die Unterhaltung und die – angesichts von Schatzsuchern notwendige - Bewachung, sagt Museumsmitarbeiter Marcin Wichrowski. Die beste Lösung wäre seiner Ansicht nach ein Kompromiss: Ein Teil der Grundstücke am Rand der Altstadt sollte von Investoren bebaut, der andere Teil zu einer Art Open-Air-Museum gemacht werden. Letztendlich darüber entscheiden müsse aber die Stadt.
„Wir wollen den Besuchern ein historisches Erlebnis anbieten, dafür bietet sich das jetzige Gelände an“, sagt Wichrowski, der häufig deutsche Gruppen durch das Altstadtareal führt. Wichtig sei auch, das der Grenzbrücke am nächsten gelegene Berliner Tor zu öffnen, das durch Gitter versperrt ist. Schnell wird das angesichts schwieriger Eigentumsverhältnisse beim angrenzenden Grundstück nicht gehen.
Zunächst solle ab 2010 am anderen Ende der früheren Festung die Bastion Philipp mit den angrenzenden Anlagen komplett restauriert werden, kündigt Wichrowski an. Die Gelder dafür in Höhe von neun Millionen Zloty (etwa zwei Millionen Euro) seien bereits bewilligt worden. In die Bastion soll anschließend das Museum der Küstriner Festung einziehen.
Die Stadt Küstrin wurde 1232 erstmals
urkundlich erwähnt
und zwischen 1537 und 1568 zur Festung ausgebaut
Zum Ende des Zweiten Weltkriegs wurde die Bastion wochenlang von der Roten Armee belagert und die von Festungsmauern eingeschlossene Altstadt fast komplett zerstört
Steine aus der seit 1945 zu Polen gehörenden Altstadt wurden für den Wiederaufbau von Warschau verwandt
Die Schlossruine wurde 1969 auf Anordnung der kommunistischen
Machthaber Polens gesprengt
In den 1990er Jahren ließ die Stadtverwaltung die zerstörte Altstadt von Trümmerresten beräumen; Straßenzüge und noch existierende Häuserfundamente wurden freigelegt
Teilweise erhalten oder inzwischen saniert sind einige Festungsmauern und Bastionen
Im Berliner Tor wurde eine Touristeninformation eingerichtet; dort ist neben Broschüren und Plänen auch die Dokumentation über das Schloss erhältlich
Küstrin liegt rund 80 Kilometer östlich von Berlin an der Oder; der Zugang zur Altstadt befindet sich neben dem Hotel „Bastion“; auch am früheren Zollamt gibt es einen Eingang ddp
Jörg Schreiber
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