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Defa-Klassentreffen in Potsdam: Wiedersehen in Babelsberg

2400 Mitarbeiter hatte die Defa einst – nach 1990 wurden die meisten von ihnen gekündigt. Jetzt organisierte Filmparkchef Schatz ein großes "Klassentreffen". Das Wiedersehen war emotional, denn die Defa war mehr als nur ein Arbeitsplatz.

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Potsdam - Manchmal ist eine Idee so nahe liegend, dass man sich im Nachhinein wundert, dass keiner früher darauf gekommen ist. Und was wäre angemessener, als die ehemaligen Mitarbeiter der Defa-Studios zu einem Wiedersehen einzuladen? „So etwas wie ein Klassentreffen“, wie Filmparkchef Friedhelm Schatz es ausdrückt? Mehr als tausend frühere Defa-Mitarbeiter waren am gestrigen Freitag seiner Einladung zu einem Tag der offenen Tür in den Filmpark Babelsberg gefolgt. Es wurde nicht nur ein emotionales Wiedersehen mit früheren Kollegen – es war auch ein Stück weit späte Anerkennung für die geleistete Arbeit, die für die meisten der rund 2400 Defa-Leute nach der Wende abrupt mit der Kündigung endete – ein Bruch, der damals und in der Zeit danach für viel Verbitterung gesorgt hat.

„Ich muss mich fast ein bisschen entschuldigen, dass wir so lange gewartet haben“, sagte Filmparkchef Schatz zur Begrüßung – und erntete Applaus in der Metropolishalle, wo zum Mittag Spargel, Schnitzel und Lachs serviert wurde. Noch ein anderer stand neben Schatz mit auf der Bühne: Carl L. Woebcken, Vorstandschef der Studio Babelsberg AG, der Nachfolgerin der Defa.

Lange Filmtradition in Babelsberg

Woebcken dankte zuerst Schatz für dessen Initiative – und dann den Gästen: „Sie sind die Wurzeln dieses Studios“, sagte er, und: „Es ist ein Geschenk des Himmels, dass es diese Defa-Zeit gegeben hat.“ Die Defa habe den gut 100 Jahre alten Filmstandort bisher am längsten geprägt. Ohne sie wäre die Tradition und das Filmhandwerk in Babelsberg nicht erhalten geblieben: „Das Studio hätte nicht überlebt.“ Auch die aktuellen internationalen Erfolge wertete Woebcken als Anerkennung der Defa-Tradition. Der Studio-Chef erinnerte an die Oscars für „The Grand Budapest Hotel“ im Februar – neben der Musik bekamen das Szenenbild, Kostüm und Maske den Hollywood-Ritterschlag: „Von den vier Oscars waren es drei, die das eigentliche Filmhandwerk ehren – und darauf sind wir sehr stolz“, sagte Woebcken. Wieder Applaus in der Metropolishalle – und viele versöhnte Gesichter.

An eine solche Würdigung war in Babelsberg lange nicht zu denken. Der frühere Studiochef und Oscarpreisträger Volker Schlöndorff hatte noch 2008 die Defa-Filme als „furchtbar“ abgetan – eine weitere Kränkung für die Ehemaligen. Die vielleicht unbedachte Aussage nahm er später unter Tränen zurück. Vorangegangen waren die Jahre, in denen die Traumfabrik vor allem nach vorn blicken musste, sich umorientieren, was mit harten Einschnitten verbunden war. Nach der Wende wurde der behäbige Riese zur schmalen und wettbewerbsfähigen Firma umgebaut. Nur noch knapp 100 feste Mitarbeiter hat das Studio heute – rundherum gibt es Hunderte Freischaffende, die projektweise verpflichtet werden.

Eine kleine Stadt für sich

Für viele der Veteranen, die am Freitag im Filmpark waren, war die Defa mehr als nur Arbeitsplatz. So wie die Deutsche Film AG auch mehr war als nur ein Filmstudio: Kindergarten, Sauna, Taubenhaus oder Krankenstation gehörten zur Defa-Familie genauso wie die Techniker und Kreativen vor und hinter der Kamera. Mit rund 2400 Mitarbeitern war es eine kleine Stadt für sich, sogar eine eigene Zeitung gab es, die „Defa-Blende“. Nicht selten waren Filmfamilien mit Karrieren über mehrere Generationen.

Einer, der fast von Anfang an dabei war, ist Günter Stockmann. Der 85-Jährige kam 1949 nach Babelsberg – damals noch zur sowjetischen Linsa AG. Stockmann war Kameratechniker und leitete dann die Abteilung Bildtechnik, der bis zu 70 Mitarbeiter angehörten. „Ich habe mit allen Kameramännern gearbeitet“, erzählte er. Schon beim Kinderfilmklassiker „Die Geschichte vom kleinen Muck“ war er dabei. Auf einen Lieblingsfilm aus all den Jahren kann er sich nicht festlegen: „Jeder Film war anders schön.“ Kameratechnik bekam die Defa damals aus Russland und Frankreich, in Ausnahmefällen auch aus der BRD. Auch bei der Errichtung des studioeigenen Kinos „Defa 70“ war Stockmann maßgeblich beteiligt. „Wir haben ja alles selber gebaut“, sagte er. 1992 verließ er die Defa – gerade alt genug für den Vorruhestand. „Für mich war es nicht so problematisch“, sagte er.

Aus Defa-Bekanntschaft wurde eine Ehepaar

Eine kurze, aber entscheidende Zeit verbrachte Bärbel Haudan in Babelsberg: Von 1956 bis 1959 machte sie eine Lehre im Defa-Kopierwerk. „Wir waren sehr fleißig, haben gut zusammengehalten, es wurden auch Feste gefeiert“, erinnerte sie sich an die Lehrjahre. Kurz nach ihrer Einstellung ging sie 1960 aber mit ihrer Familie nach Westdeutschland: „Das war eine Entscheidung meiner Eltern, über die ich sehr dankbar bin“, erzählte sie am Freitag. In ihrer neuen Wahlheimat Köln bekam Bärbel Haudan, die damals noch ihren Mädchennamen Splitt trug, mit dem Defa-Zeugnis eine Anstellung beim WDR, wo sie lange im Schnitt arbeitete. Außerdem gab es ein unerwartetes Wiedersehen mit einer Defa-Bekanntschaft: Ein gewisser Bernd Haudan, den sie als Musiker auf einer Feier im Kopierwerk kennengelernt hatte, war ebenfalls in den Westen geflohen und in Köln gelandet. Aus den beiden wurde ein Paar – die Ehe hält bis heute. Vor fünf Jahren zogen die beiden, heute 75 und 76 Jahre alt, zurück in ihre alte Heimat Potsdam. Von der Filmpark-Einladung habe sie über eine Freundin aus jenen Jahren erfahren, erzählte Bärbel Haudan: „Ich bin gespannt, ob ich außer ihr noch jemand anderen hier treffe.“

Die Tradition lebt weiter

Jede Menge alter Bekannter konnte Otto Hanisch begrüßen: Der 88-Jährige bringt es als Kameramann auf rund 70 Filme, er startete seine Karriere 1953 mit einem Praktikum beim „Kleinen Muck“. 1956 fing er offiziell in Babelsberg an, war zum Beispiel auch bei Indianerfilmen wie „Spur des Falken“ dabei, der auch im Kaukasus gedreht wurde. Ein herzliches Wiedersehen gab es unter anderem mit seinem früheren Assistenten, dem Filmfotografen Norbert Kuhröber.

Die Ehemaligen konnten am Freitag den Filmpark besichtigen und unter anderem die Stuntshow im Vulkan, die Show „Die drei Musketiere“ und die Originalkulissen der TV-Serie „Gute Zeiten, Schlechte Zeiten“ oder des George-Clooney-Films „Monuments Men“ erleben. Das Studiogelände selbst war aber tabu: Wegen der Dreharbeiten für die US-Serie „Homeland“ und der Vorbereitungen auf den Horrorfilm „A Cure for Wellness“ sind alle Hallen belegt. „Wir haben zur Zeit sehr viel zu tun“, sagte Babelsberg-Chef Woebcken. Eine gute Nachricht für die Gäste: Die Tradition lebt.

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