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Landeshauptstadt: Wilde Tiere, flinke Hände

Zwei Ferienprojekte in Drewitz fördern die Kreativität von Kindern

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Wilde Tiere sind derzeit auf dem Ernst-Busch-Platz in Drewitz zu sehen. Fuchs, Wolf und Löwe geben sich ein Stelldichein. Auch Hase und Dachs sind mit von der Partie. Der geneigte Goethe-Leser mag es ahnen: Hier macht kein Wanderzirkus Station, nein, es geht um die Tiere aus Goethes Fabel „Reineke Fuchs“. Und diese Fabelwesen sind auf dem Ernst-Busch-Platz natürlich gar nicht wild, sondern zahm, ja sogar völlig harmlos. Denn sie bestehen nicht aus Fleisch und Blut. Allein Papier, Draht, Holz, Leim, Farbe und Lack geben ihnen Form und Schönheit.

Viele Hände hauchen den Tieren seit vergangenem Montag Odem ein. Vor allem viele Kinderhände. Die Kinder sind dem Aufruf des Vereins „Way out“ und seiner Kooperationspartner gefolgt oder haben das Ferienprojekt sozusagen im Vorbeigehen entdeckt. Noch bis zum 5. August von Montag bis Freitag zwischen 10 und 17 Uhr sind Kinder im Vorschul- und Schulalter zum Mitmachen eingeladen. Dabei muss sich keiner für eine bestimmte Zeit zum Mitwirken verpflichten. Wer will, kann auch einfach nur zuschauen. Schwellenangst braucht niemand zu haben, denn auf dem Platz gibt es keine Tür, kein Anmeldeformular, kein Eintrittsgeld.

Bei vielen anderen Freizeitangeboten müsse man immer erst „über eine Türschwelle drüber“, meint Kathrin Feldmann vom Stadtkontor, einem der Partner von „Way out“. Feldmann beklebt gerade den Löwen Nobel mit Streifen aus Zeitungspapier. Der König der Tiere sitzt ehrwürdig mit dem Zepter in der Hand und harrt seiner Vollendung. Ein Holzgerüst in seinem Körper sorgt für Stabilität, „Karnickeldraht“ gibt ihm seine Form. Auf dieses Drahtgeflecht leimt Feldmann nun zusammen mit einigen Kindern die Papierstreifen. Bald wird die Haut des Löwen aus mehreren Schichten Papier bestehen. Dann soll der Löwe natürlich auch Farbe bekommen. Als besonders gefährliches Tier könnte er rot als Grundfarbe erhalten. Das jedenfalls schwebt Angela Frübing vor. Die Malerin und Grafikerin hat die künstlerische Betreuung des Reineke-Fuchs-Projekts übernommen. Sie achtet darauf, dass die Fabeltiere die „richtige“ Form und Farbe bekommen. Dabei soll die Farbe der Tiere nicht unbedingt der wirklichen Färbung in der Natur entsprechen, so Frübing. Vielmehr wolle man mit der Farbwahl den Charakter der Tiere unterstreichen.

Einige der Fabeltiere sind bereits in ihrer Form vollendet. Reineke Fuchs bekommt gerade seine zweite Hautschicht aus Zeitungspapier angelegt, der Wolf hat dies schon hinter sich. Isegrim steht etwas abseits und wippt manchmal ein wenig im Wind. Seine Schnauze ist weit geöffnet. Drinnen in der Schnauze, als Gaumen, klebt ihm das Fernsehprogramm vom 17. April. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

Doch nicht nur am Ernst-Busch-Platz, sondern auch auf dem Freigelände der „Arche“ in der Oskar-Meßter-Straße sind Drewitzer Kinder kreativ: Dort stellen Studenten der Fachhochschule zusammen mit ihnen Möbel und andere Gegenstände her. Die Aktion steht unter dem Thema „Umnutzung und Recycling“. So werden die meisten Ausgangsmaterialien nicht etwa im Baumarkt gekauft. Vielmehr entsteht aus alten kleinen Schränken, Beistelltischen und anderen ausrangierten Gegenständen etwas Neues. Der sechsjährige Tino zum Beispiel hat gerade eine kleine Tischplatte geschliffen und will sie nun streichen. Ein ganz bunter Tisch soll auf diese Weise entstehen. Fabian hingegen möchte aus einem ehemaligen Möbeltransportwagen ein Gokart bauen. Kein ganz einfaches Unterfangen für den Elfjährigen. Am Nachmittag werden Studenten daher seinen halbfertigen Rennwagen für ein paar komplizierte Arbeiten mit in die Werkstätten der Fachhochschule nehmen.

Für die Studenten ist die Arbeit in der „Arche“ Teil eines größeren Projekts, in dem sie sich dem Stadtteil Drewitz nähern. Die Design-Studenten Stephanie Neumann und Lionel Michel zum Beispiel haben mehrere Tage in Drewitz gewohnt und mit den Leuten im Stadtteil gesprochen. Es gehe darum, dass sich die zumeist in Berlin wohnenden Studenten die hiesige Sozialstruktur erschließen, so Jutta Bott, Professorin am Fachbereich Sozialwesen der Fachhochschule. Die Studenten sollen erfahren, wie der Stadtteil tickt: Wie leben die Menschen hier, wo „hängt man hier ab“? Dieses „Spüren, Erfahren, Wahrnehmen“ vor Ort könne man durch keine noch so gute Vorlesung in einem Hörsaal ersetzen, so Bott.

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