Sport: „Wir brauchen Verstärkung“
Turbine-Trainer Bernd Schröder sieht Potsdams 3. Platz in der Bundesliga als das optimal Erreichbare an und hofft auf Besserung in der nächsten Saison
Stand:
Haben Sie dem FFC Frankfurt schon zum siebenten Deutschen Frauenfußball-Meistertitel gratuliert, Herr Schröder.
Selbstverständlich, das gehört sich so.
Und haben Sie Ihrer Spielerin Carolin Schiewe am Sonntag eine kleine Extra-Prämie versprochen?
Warum denn das?
Sie hat schließlich mit ihrem Tor zum 6:1-Endstand beim SC Freiburg dafür gesorgt, dass Turbine dank der besseren Tordifferenz doch noch Dritter dieser Bundesliga-Saison vor dem FC Bayern München wurde.
Eigentlich hätten wir all denen etwas abziehen müssen, die ihre Chancen davor und danach nicht genutzt haben. Aber Carolin Schiewe hat natürlich ein schönes Tor gemacht.
Sind Sie zufrieden mit diesem dritten Tabellenplatz Ihrer Mannschaft?
Ja. Wir haben es jetzt seit 2000 acht Jahre hintereinander ständig auf das Medaillentreppchen geschafft. Und ich stufe diesen dritten Platz jetzt höher ein als manchen besseren Rang davor.
Warum?
Es war schwieriger als in der letzten Saison, als wir auch Dritter wurden. Die erste Halbserie ging ja noch, aber durch den Wechsel unserer Torhüterin Nadine Angerers als einer wichtigen Gallionsfigur im Winter nach Schweden hatten wir es danach schwerer. Außerdem machten uns gleich drei Kreuzbandrisse – bei Monique Kerschowski, Aferdita Podvorica und in der Rückserie bei Stefanie Draws – das Leben alles andere als leicht.
Wie stellt sich das nun beendete Spieljahr aus Ihrer Sicht dar?
Bei allem Wissen um die Stärken und Schwächen unserer Mannschaft haben wir immer geglaubt, dass sie sich steigern kann und mehr Potenzial abruft, als sie letztlich gezeigt hat. Im Nachhinein muss man aber realistisch sein und die Dinge sehen, wie sie sind: Wir hatten nicht die Qualität an Einzelspielerinnen, um eine bessere Platzierung zu erreichen. Dieser dritte Platz war das optimal Erreichbare.
War die Mannschaft insgesamt ein bisschen zu jung?
Ich würde das nicht allein am Alter festmachen, denn wir haben ja junge Spielerinnen, die durchaus ihre Leistungen gebracht haben. Die Mannschaft insgesamt war nicht in der Lage, den Fußball zu spielen, den die Fans erwartet haben und der auch unseren eigenen Erwartungen entspricht. Aber natürlich spielt das Alter auch eine Rolle. Was uns fehlt, sind zwei, drei überragende Spielerinnen, die als Leistungsträgerinnen die Mannschaft mitreißen.
2007 haben viele erfahrene Spielerinnen Ihren Verein verlassen. War es nicht doch ein Fehler, einen so großen Aderlass auf einen Schlag zuzulassen?
Auch mit der Mannschaft, die wir in der vergangenen Saison besaßen, waren wir am obersten Level angekommen. Sicher hätten wir die eine oder andere Spielerin behalten können. Ariane Hingst war für uns sehr wichtig, aber nach acht, neun Jahren in einem Verein ist einfach die Luft raus. Natürlich hätte sie uns weiter helfen können, weil sie auch mal ein paar junge Spielerinenn zusammenstaucht. Und natürlich schießt Conny Pohlers jetzt in Frankfurt wieder Tore – aber warum? Weil sie dort das Umfeld dafür hat. Bei uns hätte sie es nicht geschafft, was man jetzt auch bei Anja Mittag sieht. Sie hängt völlig in der Luft, weil sie die Last der Verantwortung auf ihren Schultern spürt und nicht ein Spiel allein entscheiden kann. Man muss sich entscheiden, ob man auf dem erreichten Level bleiben oder auch nach vorn gucken will. Das zweite kann man nur mit einer Mannschaft machen, in der auch zahlreiche junge, entwicklungsfähige Spielerinnen stehen.
Müssen sich Potsdams Fans also weiter auf magerere Jahre einrichten?
Das hängt auch davon ab, wie sich die anderen Mannchaften entwickeln. Bayern München holt beispielsweise Nationalspielerin Melanie Behringer aus Freiburg und Tanja Wörle aus Crailsheim. Duisburg wird sich verstärken, und auch Frankfurt wird noch Spielerinnen holen.
Wie wird sich Turbine entwickeln?
Zum einen müssen wir abwarten, wie Aferdita Kamerajs Rückkehr nach Hamburg kompensiert wird. Dann hoffen wir, dass Spielerinnen wie Leni Larsen Kaurin und Jessica Wich in ihrem zweiten Jahr in Potsdam noch besser werden. Wir müssen jetzt sehen, welche Spielerinnen wir noch dazu bekommen. Viola Odebrecht wird uns sofort weiter helfen, aber sie allein reicht nicht. Wir brauchen vor allem in der kreativen Zone noch jemanden.
Welche Hoffnung verbinden Sie mit der 21-jährigen kroatischen Nationalspielerin Kristina Sundov vom Schweizer Erstligisten FFC Zuchwil 05, die schon bei Ihnen vortrainierte?
Sie hat wie so viele Südländerinnen ein Riesenpotenzial und war in der Schweizer Meisterschaft zweitbeste Torschützin. Entscheidend wird sein, ob sie bereit ist, sich bei uns im Training auch mal zu quälen, um noch besser zu werden. Wir haben ihr ein Angebot unterbreitet und werden nun abwarten, wie sie sich entscheidet.
Gibt der deutsche Markt Verstärkung für Turbine her?
Das werden wir sehen. Wir verhandeln derzeit mit drei deutschen Spielerinnen für Mittelfeld und Abwehr, deren Verpflichtung auch davon abhängt, ob und wie sie beispielsweise in die Potsdamer Sportschule umgeschult werden können oder wie es mit der Ausbildung aussieht. Eine Schwierigkeit für uns besteht auch darin, dass viele Spielerinnen nicht weit von der Familie fort wollen. Melanie Behringer wäre beispielsweise gern zu uns gekommen – aber es ist von Brandenburg halt weit bis nach Süddeutschland.
Was passiert, wenn es mit Ihren Wunschspielerinnen nicht klappt?
Dann müssen wir uns noch im Ausland umsehen, denn wir brauchen weitere Verstärkung.
Sie sollen auch an der Schweizer Nationalspielerin Lara Dickenmann interessiert sein.
Sie ist eine sehr gute Mittelfeldspielerin und wird uns im Juli besuchen. Aber sie studiert und spielt noch ein halbes Jahr in den USA.
Werden Sie auch aus dem eigenen Nachwuchs Spielerinnen ins Bundesliga-Team holen?
Ja, Anna Felicitas Sarholz als zweite oder dritte Torhüterin, Tabea Kemme und Marie-Louise Bagehorn, die in der U17-Nationalmannschaft die derzeit beste Mittelfeldspielerin ist und bei der EM ins Allstar-Team gewählt wurde. Die können wir sofort mal eine halbe Stunde oder eine Halbzeit lang einsetzen, weil sie gut Fußball spielen können. Wir haben in diesem Jahr allerdings das Problem, dass Ende Oktober und Anfang November die U17-WM in Neuseeland stattfindet, ab Ende November dann die U20-WM in Chile, bei der wir auch mit fünf bis sieben Spielerinnen dabei sein werden.
Im Nachwuchs ist Potsdam in den Nationalteams gut vertreten, für das Olympiateam ist nur noch Babett Peter im Rennen.
Was mit Nationaltrainerin Silvia Neid abgestimmt ist. Jede Spielerin hat ihre Chance gehabt. Anja Mittag ist weiter in der Warteschleife, aber sie hat im Spiel immer noch zu viele Höhen und Tiefen. Und bei Jennifer Zietz hat es einfach nicht gereicht, das muss man einfach so akzeptieren. Jenny soll in der nächsten Saison bei uns in der Vierer-Abwehrkette spielen; für sie soll Viola Odebrecht ins Mittelfeld rücken.
Wie geht es nach der Saison nun weiter?
Wir werden am 21. Juni um 17 Uhr in Damsdorf gegen eine Männer-Kreisauswahl antreten und am 25. Juni hier im Potsdamer Luftschiffhafen ein Kleinfeldspiel gegen eine Firmenmannschaft unseres Sponsors DaBeSa austragen. Wir haben ja schon nicht mehr alle Spielerinnen hier. Babett Peter ist erstmal im Urlaub und soll relaxen, Leni Larsen Kaurin ist bereits mit der norwegischen Nationalmannschaft in der Olympia-Vorbereitung. Die Saison plätschert nun so langsam aus.
Wann beginnt das offizielle Training für das nächste Spieljahr?
Am 28. Juli – dann mit schon hoffentlich allen neuen Spielerinnen und mit unseren jungen Leuten.
Wird Turbine Potsdam in der nächsten Saison den FFC Frankfurt und den FCR Duisburg wieder mehr in Bedrängnis bringen können als in diesem Jahr?
Frankfurt ist eine routinierte Mannschaft und wird im Hochgefühl des jetzt erreichten Triples sicher wieder einen guten Fußball spielen. Ich hoffe, dass wir eine gute Mannschaft zusammen bekommen, um wieder unter den ersten drei zu landen. Mittlerweile dürfte es sogar einen Vierkampf um die Spitze geben, denn auch Bayern München muss man in der nächsten Saison auf der Rechnung haben. Ich hoffe einfach, es geht für uns im nächsten Jahr besser aus als in diesem Jahr.
Das Interview führte
Michael Meyer.
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