zum Hauptinhalt

Landeshauptstadt: „Wir haben alle ein Problem“

Nach Ekelfleisch-Skandal klagen Imbiss-Besitzer über Umsatzrückgänge um bis zu 50 Prozent

Stand:

Innenstadt – Potsdams Döner-Verkäufer haben mit schweren Umsatzeinbußen zu kämpfen. Knapp zwei Wochen nachdem bekannt wurde, dass auch in einem Potsdamer Imbiss so genanntes „Ekelfleisch“ aus Schlachtabfällen als Döner verkauft wurde, haben die Potsdamer offenbar den Appetit auf die türkische Spezialität verloren.

Die Umsätze seien „fast um die Hälfte zurückgegangen“, beklagt etwa Ismail Inci, Inhaber des „First Döner“ in der Friedrich-Ebert-Straße. Statt bisher zwischen 250 und 300 Dönergerichten pro Tag verkaufe er jetzt „höchstens 150“, erklärte der 38-Jährige. „Die anderen Skandale haben uns nicht so geschadet“, sagte Inci im Hinblick auf den „Gammelfleisch“-Skandal im vergangenen Jahr. Damals war die Landeshauptstadt nicht direkt betroffen. Auch Liliana Ciuaru, Chefin des „Alanija Grill“ in der Friedrich-Ebert-Straße, verkauft nur noch „ungefähr die Hälfte“. „Wir haben alle ein Problem“, so die gebürtige Rumänin. Er verkaufe „viel weniger“, sagte auch Sait Yesilmen, Imbiss-Besitzer am Platz der Einheit. Genauere Angaben wollte er allerdings nicht machen.

Als Reaktion auf die Umsatzrückgänge hat sich Inci jetzt von der Veterinär- und Lebensmittelüberwachung der Stadtverwaltung eine Bestätigung schicken lassen. Das Schreiben vom 5. September, das Potsdams Amtstierärztin Renate Lehmann unterschrieben hat, hängt nun in mehreren Kopien am Fenster, an der Wand und am Tresen des Imbisses aus: „Diese Einrichtung wird regelmäßig durch das Veterinär- und Lebensmittelüberwachungsamt Potsdam überwacht“, heißt es darin. Inci sei allerdings der einzige Imbiss-Besitzer, der eine solche Bescheinigung erbeten hat, sagte Stadtsprecherin Rita Haack gestern auf Anfrage.

Mehr Kunden hat er deshalb trotzdem nicht: „Wir hatten nie Zeiten, wo es mittags so tot war“, so Inci gestern. „Wenn es weiter so geht, muss ich Mitarbeiter entlassen.“ Er arbeite momentan mit vier Festangestellten und einer Aushilfskraft. „Die Bürger sind vorsichtiger geworden“, denkt auch Ciuaru: „Viele fragen, ob das Fleisch gut ist.“ Bei ihr hängen die gerahmten Zertifikate für das Döner-Fleisch bereits seit dem vergangenen Jahr an der Wand. Billige Angebote wolle sie jetzt aber nicht machen, um die Leute wieder in den Laden zu locken. Der Einkaufspreis für die Fleisch-Spieße habe sich nach dem Skandal nicht verändert. Auch Yesilmen wird jetzt von vielen Kunden gefragt, ob er “Gammelfleisch“ verkaufe, berichtete er gestern. Das sei jedoch „Spaß“, glaubt er.

Nach Schätzungen der Staatsanwaltschaft im bayerischen Memmingen, wo das minderwertige Fleisch produziert wurde, gelangten seit November 2006 bis zu 180 Tonnen „Ekelfleisch“ nach Berlin. Ein Nachrichtenmagazin hat in der aktuellen Ausgabe eine Liste von Imbissen veröffentlicht, die mit „Ekelfleisch“ beliefert worden sein sollen. Der Besitzer des darin gelisteten Potsdamer Imbisses war gestern allerdings für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

Angesichts des Fleisch-Skandals forderte der Bundesverband der Lebensmittelkontrolleure gestern in Berlin eine Verstärkung durch 1500 zusätzliche Kollegen. Bisher gibt es in Deutschland rund 2500 Kontrolleure. Nach Medienberichten könnte auch die EU-Kommission noch ab Ende des Jahres die Einfärbung von Schlachtabfällen fordern. Über einen entsprechenden Kommissionsvorschlag soll heute im zuständigen Ausschuss abgestimmt werden. (mit dpa)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })