
© Andreas Klaer
PNN-Serie: Angekommen in Potsdam: „Wir haben nur die Erinnerung“
Ashraf Husameddin aus Syrien ist Zahnarzt. In Potsdam arbeitet er als Dolmetscher für Flüchtlinge und hilft somit anderen, hier anzukommen. Er will hier bleiben, denn zurück in die syrische Heimat darf er nicht.
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Sie kommen aus Afghanistan, Syrien, Eritrea oder Kamerun und hoffen auf ein besseres Leben in Deutschland. Doch in der Realität haben es die Flüchtlinge hier oft schwer – es gibt Probleme mit der Sprache, der Arbeitserlaubnis oder den neuen Nachbarn. Aber es gibt auch Erfolgsgeschichten: Jeden Mittwoch stellen die PNN künftig eine Person vor, die zumindest ein Stück weit in Potsdam angekommen ist.
Potsdam - Er träumt von einer eigenen Zahnarztpraxis. Und davon, dass er seine Frau endlich nach Potsdam holen kann. „Wir kennen uns seit vier Jahren, seit zweieinhalb Jahren sind wir verheiratet“, erzählt Ashraf Husameddin. Seine Frau wohnt in der Ukraine. Er kann sie als Tourist besuchen – und sie war auch schon einmal als Touristin in Deutschland. Aber herziehen dürfe sie nicht, solange er nicht ein bestimmtes Einkommen nachweisen kann. „Ich versuche, das zu lösen“, sagt der 27-jährige Syrer. Er lächelt zuversichtlich.
Seit etwas mehr als zwei Jahren wohnt Ashraf Husameddin schon in Potsdam. Seit zwei Wochen arbeitet der studierte Zahnarzt in der vom Roten Kreuz betriebenen Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge in der Heinrich-Mann-Allee als Dolmetscher. Husameddin spricht Arabisch, Russisch, Ukrainisch, Englisch und Deutsch.
Zum Studium in die Ukraine
Seine Geschichte ist etwas anders als die von vielen seiner syrischen Landsleute, die in diesen Wochen Deutschland und Potsdam erreichen. 2012, als der Bürgerkrieg in Syrien ausbrach, da lebte Ashraf Husameddin schon in der Ukraine. Dorthin war der in Homs geborene Sohn eines Spitzenpolitikers zum Studium gegangen. In Winnyzja südwestlich der Hauptstadt Kiew studierte er Zahnmedizin. Seine Familie, die Eltern, zwei Schwestern und ein Bruder waren damals in Syrien. Sein Vater, seinerzeit Energieminister, sei nach den Aufständen als einer der ersten Spitzenpolitiker zur Opposition gewechselt, berichtet Husameddin. Deshalb habe die Familie dann fliehen müssen.
Ashraf Husameddin unterbrach sein Studium und besuchte die Familie, die zunächst in der Türkei unterkam. „In dieser unsicheren Situation wollte ich bei ihnen sein“, erzählt er. In Istanbul traf man sich wieder – und Husameddin fing schon damals an, sich bei der Flüchtlingshilfe an der türkisch-syrischen Grenze zu engagieren. Nach einiger Zeit entschloss sich die Familie zur Weiterreise nach Deutschland: „Wir suchten einfach eine Zukunft“, erklärt Husameddin.
Streit um Anerkennung seines Abschlusses
In Potsdam habe die Familie niemanden gekannt. Aber die Mitarbeiter im Rathaus, zum Beispiel in der Ausländerbehörde, aber auch beim Jobcenter, seien eine große Hilfe gewesen, erinnert sich der junge Syrer. Im August 2013 kam er nach Deutschland und hat hier mittlerweile Asyl bekommen. 2014 war er noch einmal in der Ukraine, um die letzte Prüfung für sein Zahnarzt-Diplom abzulegen.
Um die Anerkennung des Abschlusses in Deutschland kämpft er seitdem. Zunächst hieß es, er müsse den ukrainischen Abschluss erstmal in Syrien anerkennen lassen. „Aber ich darf da nicht mehr einreisen“, erklärt Ashraf Husameddin. Wie und wann sich die Frage löst, ist derzeit noch unklar. Aber der junge Syrer ist zuversichtlich, dass sie sich löst. „Da hängt eines am anderen, wie in einer Kette“, sagt er. Wenn er die Zulassung bekommt, könne er Geld verdienen – und schließlich seine Frau nach Potsdam holen. In die Wohnung in Babelsberg, wo er mittlerweile lebt.
Dolmetscher für Russisch und Arabisch
Untätig ist er in der Landeshauptstadt auch ohne die Zulassung nicht. Er absolvierte Deutschkurse und meldete sich für ein freiwilliges Praktikum am Ernst-von-Bergmann-Klinikum, das die Untersuchung der Flüchtlinge nach der Ankunft organisiert. „Ich habe einfach beim Übersetzen geholfen“, erzählt Ashraf Husameddin: „Die medizinischen Begriffe kenne ich ja alle.“
Auch in der Erstaufnahme des DRK half er zunächst freiwillig mit. Seit Mitte Oktober ist er nun als Dolmetscher für Russisch und Arabisch angestellt. Auch dort sind seine medizinischen Kenntnisse manchmal gefragt, erzählt Ashraf Husameddin. Wenn ein Flüchtling Beschwerden hat, könne er etwa einschätzen, ob ein Arzt geholt werden muss.
Zukunft in Potsdam
Die Lage vieler seiner Landsleute, die jetzt in Potsdam stranden, sei nicht einfach, berichtet er: „Viele haben ihre Häuser, ihre Arbeit, ihre Familie verloren.“ Andere haben vom Terror des Kriegsalltags psychische Verletzungen davongetragen. „Wir versuchen zu helfen, wo wir können“, sagt Ashraf Husameddin. Die Mitarbeiter um DRK-Einrichtungschef Alfred Hasenöhrl beschreibt er als gutes Team.
Er selbst sieht seine Zukunft mittlerweile in Potsdam. An der Stadt schätze er die Ruhe und die vielen Parks. „Ich hoffe, ich kann hier irgendwann eine Praxis haben“, sagt er. Das Haus der Familie in Syrien ist zerbombt, er habe auch keine Bekannten oder Verwandten mehr im Land. „Wir haben nur die Erinnerung“, sagt der 27-Jährige. Solange das Assad-Regime herrscht, darf er nicht einreisen. 2011 war er zuletzt in seiner Heimat.
Das Schicksal seines Vaterlandes bewegt den jungen Mann: „Ich möchte, dass die Menschen in Syrien wieder in Sicherheit leben können und nicht jeden Tag Menschen sterben.“ Viele Landsleute wollen wieder zurück, das Land aufbauen, das weiß er aus den Begegnungen in der Erstaufnahme. „Solange Krieg und Tod herrschen, geht das nicht.“
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