Sport: „Wir haben unsere Fühler ausgestreckt“
Turbine Potsdams Trainer Bernd Schröder zum DFB-Pokal-Halbfinallos, zum Erfolgsjahr 2005 und zu personellen Überlegungen
Stand:
Herr Schröder, am Mittwochabend bescherte Celia Okoyino da Mbabi in München als Glücksgöttin der DFB-Pokal-Halbfinalauslosung Ihrer Mannschaft ein Heimspiel gegen den FC Bayern München. Schicken Sie der Nationalspielerin vom SC 07 Bad Neuenahr nun Blumen oder Pralinen zum Weihnachtsfest?
(lacht) Weder noch. Wir pflegen auf Leitungsebene schon lange sehr gute Beziehungen mit Bad Neuenahr. Dass sich das– scherzhaft gesagt – nun auch auf die Spielerinnen ausweitet, freut uns um so mehr.
Da Mbabi hat Ihr Traumlos für den 26. März gezogen, oder?
Zum einen ist es sehr schön, wieder ein Heimspiel zu haben. Und nach Lage der Dinge ist es angenehmer, auf Bayern zu treffen als auf Duisburg oder Frankfurt, weil München von den drei möglichen Gegnern der Papierform nach der einfachere Kontrahent ist. So gesehen ist dieses Los ein zusätzliches Weihnachtsgeschenk, um die Weihnachtszeit etwas ruhiger anzugehen. Die Aufgabe wird aber nicht mit links zu bewältigen sein.
Dank dieser Halbfinalpaarungen ist 2006 zum dritten Mal in Folge im Berliner Olympiastadion ein DFB-Endspiel Potsdam – Frankfurt möglich.
Sicher, aber ich denke, in dieser Saison wird es ein anderes Finale geben. Sowohl wir als auch Frankfurt haben noch nicht gewonnen. Duisburg hat mal wieder die Chance, das DFB-Pokal-Finale zu erreichen, und wird sich zu Hause dafür zerreißen. Da wird es auf Biegen und Brechen gehen. Und auch wir dürfen nicht den Fehler begehen, das Fell des Bären schon aufzuteilen, ehe der Bär überhaupt erlegt ist.
Sollten die beiden Vorjahres-Finalisten erneut ins Endspiel ziehen, ständen sich Potsdam und Frankfurt in der zweiten Halbserie gleich fünfmal gegenüber – in Meisterschaft, UEFA-Cup-Endspielen und DFB- Pokalfinale. In welchem Wettbewerb würde Sie eine Niederlage am wenigsten schmerzen?
Wir wollen natürlich alle Spiele gewinnen. Aber wir müssen darauf achten, dass wir nicht nach den Sternen greifen und am Ende ganz mit leeren Händen da stehen. Alle drei Titel konzentriert anzugehen ist wichtig. Es kann jedoch wie im vergangenen Jahr wichtig sein zu entscheiden, welche Prämissen zu setzen sind. Das aber wird erst die Zeit zeigen.
Kann Turbine diesen Tanz auf allen drei Hochzeiten mit dem momentanen Personal noch stemmen?
Nein. Bisher hatten wir viel Glück, dass wir von Verletzungspech verschont blieben. In diesem Zusammenhang auch ein Dankeschön an unsere medizinische Abteilung. Die Belastung mit Meisterschaft, Europacup, DFB-Pokal und Nationalmannschaft wird aber so groß werden, dass wir noch Verstärkung benötigen. Wir sind derzeit dabei, auf dem Markt in Europa und darüber hinaus zu recherchieren, um noch ein oder zwei Spielerinnen zu verpflichten.
Gibt es keine geeigneten Fußballerinnen in Deutschland?
Hier gibt es zur Zeit keine Spielerin des Formates, das wir brauchen, und die auch frei wäre um zu wechseln.
Aus dem Ausland erhielten Sie bei Verpflichtungsversuchen zuletzt einen Korb von der Norwegerin Ingvild Stensland und der Schwedin Jane Törnqvist.
Die beiden haben ja nicht abgesagt, weil wir eine schlechte Mannschaft sind. Wir wollten beide, weil sie auch Charakter haben und nicht so ohne weiteres ihre Vereine verlassen. Wir waren ja nicht an irgendwelchen Leuten dran, die von vornherein zu haben waren, sondern an Top- Spielerinnen. Stensland beispielsweise wurde jetzt zu Norwegens Fußballerin des Jahres gewählt. Sie und Törnqvist bekamen von ihren derzeitigen Klubs nach unseren Offerten halt erhöhte Angebote unterbreitet. Inzwischen ist Bewegung auf dem skandinavischen Markt, und es gibt auch außerhalb Europas gute Spielerinnen. Wir haben unsere Fühler ausgestreckt.
Für welchen Bereich in Ihrer Mannschaft sehen Sie den größten Bedarf aufzurüsten?
Für den defensiven Bereich.
Mit bisher nur vier Gegentoren haben Sie die beste Abwehr der Bundesliga.
Das stimmt, und uns fehlt nur ein Tor, um auch die meisten Tore erzielt zu haben – das ist eine runde Leistung der Mannschaft. Wobei die wenigen Gegentore nicht nur ein Verdienst der Abwehr sind, sondern auch des Mittelfeldes und des Angriffs, der für Entlastung sorgt. Unsere Personaldecke ist aber zu dünn – bei einer Verletzung beispielsweise Britta Carlsons oder Inken Bechers würden wir sofort Probleme bekommen. Bei der hohen Belastung und dem hohen Verschleiß in den kommenden Monaten brauchen wir noch weitere Spielerinnen.
Wie sieht es mit Viola Odebrecht aus, die im Sommer an die Florida States University wechselte und derzeit auf Heimaturlaub ist?
Nach Lage der Dinge wird sie im April zu Turbine zurückkommen. Wir wissen aber noch nicht, wie das spielrechtlich zu regeln ist, weil die zweite Wechselperiode offiziell am 31. Januar endet. Nun muss man erst einmal Odebrechts genauen Status in den USA definieren. Fest steht bereits, dass sie von Nationaltrainerin Silvia Neid in den Kader für das Wintertrainingslager der Nationalmannschaft Ende Januar in Spanien nominiert wurde.
Soll Viola Odebrecht über den Sommer 2006 hinaus beim Verein bleiben?
Dazu kann man derzeit noch nichts sagen. Man muss sehen, wie unsere Mannschaft für die nächste Saison überhaupt aussehen wird. Es ist Bewegung in der Liga, es ist Bewegung in Europa, und wir haben als europäische Spitzenmannschaft mittlerweile einen Ruf, der das Interesse der einen oder anderen Spielerin für die neue Saison an uns weckt.
Sie haben 2005 zum bisher erfolgreichsten Jahr für Turbine erklärt. Warum?
Wir haben neben dem Hallenmasterstitel und dem DFB-Pokal zum ersten Mal den Europacup gewonnen, der noch wesentlich höher zu bewerten ist als der Deutsche Meistertitel. Unsere B–Mädchen wurden wieder Deutsche Meister, unsere Sportschülerinnen wurden Schul- Weltmeister, und mit unseren Nachwuchsspielerinnen sind wir in die Regionalliga aufgestiegen. Damit haben wir die drei höchsten Spielklassen besetzt – das ist einmalig im deutschen Fußball. Und wir sind in dieser Saison wieder im UEFA-Cup-Endspiel und erneut im DFB- Pokal-Halbfinale. Wir wurden zum vierten Mal in Folge Brandenburger Mannschaft des Jahres. Und wir belegten – bisher einmalig für eine Frauenvereinsmannschaft – in der Umfrage nach Deutschlands Mannschaften des Jahres Rang fünf – nur zwei Plätze hinter den Männern des FC Bayern München.
Bernd Schröder kann sich also am Wochenende zufrieden unter den Weihnachtsbaum setzen.
Wir brauchen jetzt erst einmal alle etwas Ruhe, und es lässt sich mit diesen Ergebnissen in der Tat angenehmer unter dem Weihnachtsbaum sitzen. Aber nicht lange. Das sind nämlich alles Momentaufnahmen. Der rauhe Alltag wird uns bald wieder haben!
Wann beginnt die Vorbereitung auf die zweite Halbserie?
Trainingsbeginn ist am 9. Januar. Am Wochenende darauf spielen wir beim Internationalen Bielefelder Hallenturnier, und am 21. Januar wollen wir in Bonn unseren Hallencup-Titel verteidigen.
Haben Sie Ihren Spielerinnen für die turbine-freie Zeit Trainings- und Ernährungspläne mitgegeben?
Nein. Unsere Spielerinnen wissen genau, wie sie sich verhalten müssen, um ihr körperliches Niveau einigermaßen stabil zu halten. Wir haben denkende und mündige Spielerinnen, die wissen, was sie tun, und die über Weihnachten essen dürfen was sie wollen – wenn sie am 9. Januar ihr Wettkampfgewicht haben. Dann wird gewogen.
Was wird denn bei Familie Schröder zu Weihnachten aufgetischt?
Wie in jedem Jahr völlig überraschend Gans mit Rotkohl und Knödeln.
Das Interview führte Michael Meyer
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