Landeshauptstadt: Wir sind die Anderen
Flades haben Babelsberg gegen Indonesien getauscht. Sie vermissen vor allem Freunde, Käse und dunkles Brot
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Inzwischen ist ihr Indonesisch einigermaßen fließend; sie wagen sich schon zum Frisör, können Essen bestellen und beteiligen sich an Diskussionen über biblische Texte. Drei Monate haben Annette und Stefan Flade kräftig gepaukt, um sich sprachlich auf ihre Aufgaben vorzubereiten. Anfang August waren der langjährige Babelsberger Pfarrer und die ebenso bekannte Ausländerseelsorgerin am anderen Ende der Welt angekommen. Mindestens drei Jahre will das Ehepaar auf Sumatra bleiben und in einem ökumenischen, internationalen Kirchenzentrum mitarbeiten.
Vieles ist ungewohnt. Besonders die schwüle Hitze und der nächtliche Lärm – eine Mischung aus Autogeräuschen, anpreisenden Straßenhändlern, laufenden Fernsehern und lauten Gebetsrufern – haben sie in den ersten Wochen schlecht schlafen lassen. Die indonesische Küche hingegen sei hervorragend, schwärmt vor allem Annette Flade. Die Vegetarierin ist begeistert von den vielen Gemüsesorten und Tofu mit Erdnuss- oder Kokossoße.
Von ihren vielen Eindrücken berichten die Flades regelmäßig in ihrem Internet-Tagebuch. Sie haben auch Fotos dazugestellt, mit deren Hilfe man sich ein eigenes Bild machen kann. Vor seiner Abreise hat das Ehepaar noch eine entsprechende Seite eingerichtet, bequem am häuslichen PC. Auch das gestaltete sich ganz anders in ihrer Zeit auf Java, wo sie den Sprachunterricht besuchten. Zusammen mit weiteren zehn Sprachschülern aus allen Teilen der Welt, lebten sie in einer Art Herberge. Hier und auch in der Sprachschule hatten sie einen Anschluss ins WorldWideWeb. „Allerdings ist die Technik nicht die modernste und andere Gäste wollen auch an den Rechner“, berichtet Annette Flade von den Tücken. Trotzdem ist dieser langsame Computer ein wichtiges Kommunikationsinstrument für die Botschaften nach Deutschland. Besonders in der ersten Zeit zischten unzählige Mails durch das weltumspannende Netz. Was sie am meisten vermissen: Ein Gespräch mit den guten Freunden, Käse und dunkles Brot. „So ändern sich Bedürfnisse“, stellt Stefan Flade in einem Tagebucheintrag fest.
Eine der bisher interessantesten Erfahrungen sei für sie das Ende der muslimischen Fastenzeit gewesen, schreibt die Flüchtlingsseelsorgerin. Eine völlig veränderte Alltagssituation: Übervolle Geschäfte und Straßen, dann viele, viele Reisende in die Dörfer zu den Familien; auch in der Stadt Yogykarta feiernde Menschengruppen an allen Moscheen und Straßenumzüge und Feuerwerk, erzählt Annette Flade. Die Verhältnisse sind dort andere als in Deutschland. 86 Prozent der Indonesier sind islamischen Glaubens und nur zehn Prozent Christen. Gott heißt für alle Religionen Alah. Nicht nur in der Moschee, auch in der Kirche sitzen die Frauen von den Männern getrennt.
Schon in den ersten Tagen ihres neuen Lebens „in einem anderen Teil unserer Welt“ hatten die Flades festgestellt: „Alles ist anders! Wir sind gespannt. Deutlich zu merken, dass wir hier die Anderen sind.“
Die Freundlichkeit der Menschen haben den Flades die Eingewöhnung leicht gemacht. Die Indonesier seien sehr gastfreundlich und hilfsbereit und hätten keine Vorbehalte gegen das Fremde. Wie ein Frisörbesuch belegen soll. Die Gastgeberin hatte für Annette Flade einen Termin ausgemacht. „Während mir die Haare mit großer Sorgfalt geschnitten wurden – denn diese feine Sorte Haare ist man nicht gewohnt – wurde laut für alle anderen im Salon Sitzenden mitzuhören erzählt. Woher ich komme, was ich beruflich mache“, schildert sie das Erlebte. Alle seien sehr erstaunt gewesen und es sei zu merken gewesen, dass es eine Ehre für sie war, „dass ich zum Haareschneiden hier bin.“ Es wurde auch eine Kassette mit christlichen Liedern eingelegt.
Die Flades sind im Internet zu finden unter www.familie-flade.de.
Außerdem wird am kommenden Dienstag, dem 21. November, um 19 Uhr in der Stiftungsbuchhandlung, Gutenbergstraße 71/72 aus Annette Flades Buch „Geht dem Flüchtling mit Brot entgegen“ gelesen.
Nicola Klusemann
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