ZUR PERSON: „Wir sind keine dogmatischen Hardliner“
Die neue Parkordnung aber würde er immer wieder einführen, sagt Stiftungsdirektor Hartmut Dorgerloh
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Das war einmal: Sanssouci, ohne Sorgen. Die Stiftung hat so deutlich wie nie zuvor vor dem drohenden Verfall von Königsschlössern gewarnt, weil es an Geld zur Sanierung mangelt. Seit kurzem lässt sie ihre Parkwächter zum Ärger vieler Gäste rigide gegen Hundehalter oder Sonnenhungrige durchgreifen. Und mit der Stadt Potsdam wird erbittert um frühere Immobilien wie das städtische Strandbad Babelsberg gekämpft. Warum geht die Stiftung plötzlich überall auf Konfliktkurs, Herr Dorgerloh?
Die Stiftung sucht keine Konfrontation, es gibt keine Generaloffensive. Dass mehrere Probleme uns jetzt gleichzeitig zum Handeln zwingen, ist reiner Zufall. Aber richtig ist eins: Unser Aufgabe ist es, die Schlösser- und Parklandschaft, die größte Welterbeanlage Deutschlands, zu pflegen und zu bewahren. Dabei gibt es natürlich Konflikte. Aber wir bemühen uns um Ausgleich, um Kompromisse.
Trotzdem fällt auf, dass die Stiftung ihre Politik der leisen Töne, die für Ihren Vorgänger Hans-Joachim Giersberg, aber auch Ihre Anfangszeit typisch war, aufgegeben hat. Müssen Sie etwa beim Ruf nach Geld heute lauter sein, um Gehör zu finden?
Wir müssen deutlicher auf den Investitionsbedarf hinweisen, weil die Situation mittlerweile dramatisch ist. Es reicht nicht mehr, das nur im Stiftungsrat zu tun. Die Stiftung hat immer erklärt, dass für die Sanierung des Neuen Palais, des Schlosses Babelsberg und anderer Häuser einige hundert Millionen Euro fehlen. Es hat aber nicht dazu geführt, dass wir das Geld bekommen haben. Und je weiter unsere Planungen und Untersuchungen vorangeschritten sind, je präziser die Zahlen sind, umso erschreckender wurde das Bild. Jetzt ist der Punkt erreicht, wo ich als Generaldirektor sagen muss: Es droht unwiederbringlich Substanzverlust, wenn nichts passiert.
Sie fordern 730 Millionen Euro in den nächsten 25 Jahren, eine immense Summe. Rechnen Sie wirklich damit, dass das in Zeiten knapper Kassen bewilligt wird?
Man muss die Summe einordnen: Es geht schließlich um einen sehr langen Zeitraum. Und für größere Investitionen gab es schon immer Sonderfinanzierungen, weil dies den Stammhaushalt der Stiftung überfordern würde. Die Politik hat erkannt, dass gehandelt werden muss. Die Signale des Bundes und des Landes Berlin stehen bereits eindeutig auf Grün. In Brandenburg ist man dabei, von Gelb auf Grün umzuschalten. Es ist ein Vorteil der Stiftung, dass man solche Belastungen auf drei Schultern verteilen kann.
Sie klagen über fehlendes Geld, kämpfen aber zugleich um weitere Liegenschaften wie das städtische Potsdamer Strandbad in Babelsberg. Wie passt das zusammen?
Das Gelände hat 1945 zum Park und damit zur Preußischen Schlösserverwaltung gehört. Deshalb haben wir den Rechtsanspruch angemeldet. Das war unsere Pflicht. Es ist eine alte Auseinandersetzung, die jetzt gerichtlich entschieden wurde. Mit dem Ergebnis, dass die Hälfte uns, die andere Hälfte der Stadt gehört. Wir müssen also miteinander reden.
Die Frage ist, was will die Stiftung?
In Babelsberg kam es nach 1945 zu störenden Eingriffen in die Parkanlage, die den königlichen Garten beschädigt haben. Da wurden die Grenz-Mauer gezogen, Internate gebaut, das Strandbad. Unser Ziel ist es, den in seiner Topografie mit Sanssouci vergleichbaren Park so wiederherzustellen, dass man die Grundidee von Lennè und Pückler besser erleben kann.
Ohne Strandbad?
Nein, wir gehen differenziert heran. Unser Ziel ist nicht der Zustand von Anno Knipps. Wir sind da nicht dogmatisch. Wir wollen die Badenden dort nicht vertreiben, das Strandbad nicht ohne Alternative schließen. Aber die Wiesen, der Park dürfen auch nicht weiter in dem Maße wie bisher in Mitleidenschaft gezogen werden. Und das Bad ist, vorsichtig ausgedrückt, keine Augenweide. Es geht um eine langfristige Lösung, einen vernünftigen Ausgleich zwischen Denkmal- und Naturschutz und den Freizeitinteressen der Potsdamer.
Die Stiftung steht auch massiv in der Kritik, weil seit kurzem Parkwächter bei Verstößen gegen die Parkordnung in Sanssouci und in Babelsberg rigoros Bußgelder eintreiben. Ist die härtere Gangart wirklich nötig?
Auch die Schlossgärten sind Kunstwerke. Die Anzahl derjenigen, die sich nicht vernünftig in den Parkanlagen bewegen, hat leider deutlich zugenommen. Das führt zu Schäden. Aber ich möchte daran erinnern, dass wir mit der neuen Parkordnung den Freizeitbedürfnissen von Besuchern entgegengekommen sind. Wir haben das Radfahren auf bestimmten Wegen erlaubt. Unser Bestreben war es, Interessen von Potsdamern entgegenzukommen, nämlich von Anwohnern oder Studierenden. Sie brauchen keine Sondergenehmigung mehr und müssen kein schlechtes Gewissen haben, wenn sie mit dem Rad durch die Parks fahren. Wir haben die Parkordnung eigentlich liberalisiert. Aber sie muss trotzdem auch durchgesetzt werden, wofür wir mit der Novelle des Denkmalschutzgesetzes die Befugnis bekommen haben.
Der Aufschrei zum Beispiel in Babelsberg, wo jahrzehntelang im Park jeder machen konnte was er wollte, ist riesig. Haben Sie die Brisanz unterschätzt?
Dass es nicht einfach würde, war klar. Dass die Wogen so hochschlagen würden, hat mich überrascht. Ich habe ja ein gewisses Verständnis für lieb gewonnene Gewohnheiten. Ich bin früher ja auch auf dem Ruinenberg, oder dem Pfingstberg gerodelt. Aber das war damals auch verwildertes Gelände. Doch jetzt sind die Anlagen wiederhergestellt worden, und genau das ist es, was die Menschen an den Gärten so fasziniert. Was mich erstaunt, ist der Egoismus von Gruppen, von Einzelnen, nach dem Motto: Ich will direkt vor meiner Haustür baden und meinen Hund ausführen. Ich hätte nicht gedacht, dass in Potsdam die Einzelinteressen eines Stadtteiles, eines Kiezes, so ausgeprägt sind und so vehement vertreten werden. Wir müssen stärker vermitteln, dass jeder Park zum Welterbe gehört und es eine gemeinsame Aufgabe ist, dieses Welterbe für unsere Kinder zu bewahren.
Fehlt es in Potsdam an Bewusstsein für das UNESCO-Welterbe in der Stadt?
Sanssouci, das Flaggschiff, ist allen ein Begriff. Dass auch andere Anlagen wie Babelsberg oder die Kolonie Alexandrowka Bestandteil dieses Gesamtensembles sind, ist weniger verinnerlicht.
Es gibt massive Beschwerden gegen Parkwächter, den rüden Umgangston, die mitgeführten „Kampfhunde„. Mit welcher Order sind die Kräfte in den Parks unterwegs?
Die Ordnungskräfte haben zuallererst eine aufklärende und ordnende Aufgabe. Sie sind instruiert, Augenmaß und Verhältnismäßigkeit zu bewahren. Es ist etwas anderes, ob jemand mit dem Mountainbike quer über die Wiesen fährt oder das Kind mit dem Dreirad neben der Mutter rollt, die den Kinderwagen schiebt. Das funktioniert in der Regel auch. Leider gibt es aber auch aggressive, ja beleidigende Reaktionen von Besuchern, wenn sie von unseren Ordnungskräften angesprochen werden.
Gehen Sie Hinweisen auf Überreaktionen von Parkwächtern nach?
Wir gehen jeder Beschwerde nach, Fehlverhalten hat Konsequenzen. Aber wir müssen häufig feststellen, dass sich die Vorwürfe in Luft auflösen. Da wird auch viel behauptet und Stimmung gemacht. Übrigens gibt es nicht nur Kritik, sondern auch Zuspruch, dass wir endlich Verstöße auch ahnden.
An den Eingängen der Schlossparks stehen neuerdings Barrieren, über die sich Behinderte beschweren. Auf die Parkordnung weisen hässliche große Warnschilder auf Betonklötzen hin. Warum verschandeln Sie das Entree zum Welterbe?
Ja, das gehört dort eigentlich nicht hin, entspricht nicht unserer Philosophie vom historischen Bild der Gärten: Aber wir mussten auf das Phänomen reagieren, dass die schönen alten Parkordnungsschilder offensichtlich nicht wahrgenommen wurden. Deshalb müssen wir stärker als bisher aufklären und unsere Besucher informieren. Unser Ziel ist es, die neuen Schilder so schnell wie möglich wieder zu entfernen – wenn die Besucher wissen, was sie dürfen und was nicht. Wir sind kompromissbereit.
Das sind neue Töne.
Überhaupt nicht. Ich habe immer gesagt, dass wir in der Praxis beobachten, wie es ankommt, wie es funktioniert. Deshalb gibt es auch die befristete Ausnahmeregelung für Fahrradfahrer. Wir sind keine dogmatischen Hardliner. Und wir glauben auch nicht, die Weisheit mit Löffeln gefressen zu haben. Aber es ist auch keine leichte Aufgabe, das Verhalten von Millionen Besuchern zum Wohle der Anlagen zu steuern. Es gibt Leute, die kommen einmal in ihrem Leben nach Sanssouci. Und andere wollen jeden Morgen joggen. Beide sollen sich wohl fühlen.
Manche halten es für einen Fehler, dass Sie die Parkordnung überhaupt verändert haben. Werden Sie die Geister, die Sie riefen, jetzt nicht mehr los?
Ich würde es wieder tun, weil ich dazu keine Alternative sehe. Die Stiftung ist Teil eines Gemeinwesens in Potsdam und Berlin. Wir können nicht so tun, als ob sich die Welt nur außerhalb der Schlossparks verändert. Die Freizeitbedürfnisse der Menschen ändern sich. Das hat Auswirkungen auch für die Stiftung. Wir müssen darauf reagieren.
Ist das Regime in Sanssouci, Charlottenburg oder Babelsberg im nationalen und internationalen Vergleich strenger?
Es ist bei uns nicht strenger als in Versailles oder Schönbrunn. Die Grund-Regeln sind ohnehin fast überall gleich. Unterschiede gibt es allenfalls im Umgang mit Hunden und mit Radfahrern. In Schönbrunn und Schwetzingen dürfen gar keine Fahrräder in die Parks, in Versailles dürfen keine Hunde hinein. Wir sind also noch eher liberal.
Und das Baden im Heiligen See bleibt ein Alleinstellungsmerkmal für preußische Toleranz?
Ja, das ist in nur im Potsdamer Welterbe möglich.
Das Interview führten Michael Erbach, Thorsten Metzner und Sabine Schicketanz.
Hartmut Dorgerloh , Jahrgang 1962, ist seit 2002 Generaldirektor der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg. Er trat damals die Nachfolge des langjährigen "Sanssouci-Hüters" Hans-Joachim Giersberg an.
Von 1991 bis 2002 war der promovierte Kunsthistoriker - er ist Honorarprofessor an der Humboldt-Universität - Referatsleiter für Denkmalschutz im Brandenburger Kulturministerium.
Als Generaldirektor versucht Dorgerloh, die traditionsgeprägte Stiftung, die für den Erhalt der zum UNESCO-Weltkulturerbe gehörenden Schloss- und Parkanlagen zuständig ist, behutsam zu modernisieren.
In ihrer Obhut befinden sich allein 34 Museumsschlösser.
Die Stiftung (Jahresetat rund 45 Millionen Euro, 450 Mitarbeiter) wird von den Ländern Berlin und Brandenburg sowie dem Bund finanziert. thm
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