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Geologe aus Potsdam über außerirdisches Leben: "Wir sind nicht alleine"

Der Potsdamer Geobiologe Dirk Wagner über die Suche nach außerirdischem Leben, Mikroben auf dem Mars, das unbekannte Leben unter der Erdkruste und Biomarker im Weltall. Der Forscher wird auf dem diesjährigen Leibniz-Kolleg sprechen.

Stand:

Herr Wagner, mein 11-jähriger Sohn meint, dass es kein außerirdisches Leben geben kann. Ich habe ihm gesagt, dass es Milliarden von Galaxien mit Abermilliarden von möglichen Sonnensystemen gibt, in denen so etwas möglich sein kann. Oder liege ich da falsch?

Nein, sie liegen damit schon richtig. Wir brauchen noch nicht einmal in die große Galaxie oder das ganze Universum zu blicken – wir suchen bereits in unserem Sonnensystem nach Spuren von Leben. Wenn es Milliarden von Sonnen gibt, gibt es auch entsprechend viele Planeten. Durch dass Hubble-Teleskop wurden davon in jüngster Zeit einige entdeckt. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass es dort irgendwo Leben gibt.

Wie gehen Sie bei der Suche vor?

Wir untersuchen Organismen, die wir aus Extremhabitaten isoliert haben. Zum Beispiel haben wir einen Organismus aus dem sibirischen Permafrostgebiet als Modellorganismus für mögliches Leben auf dem Mars untersucht. Der Mars ist, auch wenn er heute sehr unwirtlich durch die Kälte und extreme Trockenheit wirkt, ein Planet, der zu Beginn seiner Entwicklung ähnliche Bedingungen hatte wie die Erde, als sich auf ihr das Leben entwickelte. Wenn die Entwicklung von Biomolekülen und in der Folge auch von Organismen physikalischen und chemischen Gesetzmäßigkeiten folgt, dann könnte eben auch auf dem Mars Leben entstanden sein. Die Frage wäre dann, was mit dem Leben auf dem Mars in der weiteren Entwicklung passiert ist.

Warum gerade der Mars?

Einmal ist er unser nächster Nachbar, also relativ einfach zu erreichen. Zum anderen liegt der rote Planet am Rande der habitablen Zone, in der durch den Abstand zur Sonne flüssiges Wasser und moderate Temperaturen möglich sind. Am Anfang seiner Zeit hatte der Mars eine Atmosphäre, Ozeane und moderate Temperaturen sowie Druckbedingungen. Unter diesen Bedingungen könnte sich tatsächlich Leben entwickelt haben. Deswegen ist er ein Kandidat, auf dem man nach Spuren von Leben sucht. Leben, das es hier einst gab oder das sogar heute noch existiert. Das würde ich nicht ausschließen.

Von welchen Formen des Lebens sprechen wir, sicher nicht von Aliens mit Tentakeln und Reißzähnen?

Auf dem Mars würden wir nach Mikroorganismen suchen, alles andere ist unrealistisch. Wenn wir weiter ins Universum schauen, wird es schwieriger. Das Leben, das wir kennen, basiert auf Kohlenstoff. Man kann sich aber auch Leben auf Siliziumbasis vorstellen. Dann hört es für uns allerdings auch schon auf. Wir orientierten uns an dem, was wir kennen. Das heißt aber nicht, dass es nicht auch andere Formen von Leben geben könnte. Hier kommt man schnell in den spekulativen Bereich.

Was muss für Leben vorhanden sein?

Mit dem Hubble-Teleskop werden Gesteins-Planeten gesucht, auf denen es ausreichend Sonnenlicht gibt und die durch ihren Abstand zum nächsten Stern auch flüssiges Wasser haben. Das sind die Grundvoraussetzungen zumindest für primitives Leben.

Wie kann man überhaupt Leben da draußen finden?

Das ist das Schwierige an der Aufgabe. Bisher konnten nur Methoden eingesetzt werden, die indirekt auf die Aktivität von Mikroorganismen Rückschlüsse zuließen. Ein Indiz war beispielsweise die Entdeckung von Methan in der Marsatmosphäre durch die Mars-Express-Sonde. Da Methan photochemisch abgebaut wird, kann es nicht mehr aus den Anfangstagen des Planeten stammen, es muss also eine Quelle dafür geben. Dafür gibt es nur zwei Möglichkeiten: aktive geologische Prozesse wie beispielsweise Vulkanismus, den man auf dem Mars bisher nicht nachweisen konnte, oder biologische Prozesse, bei denen Mikroorganismen beteiligt sind. Wasser als eine wichtige Voraussetzung von Leben konnte man durch spektrometrische Messungen und den Mars-Rover Phoenix, der Eis entdeckt hat, nachweisen.

Was erwartet man vom Curiosity-Rover, der jetzt auf dem Mars unterwegs ist?

Damit ist nun auch die Suche nach Biomolekülen möglich. Offensichtlich mit Erfolg: Mithilfe der Mission konnte nun ein Stoff nachgewiesen werden, der einer Fettsäure ähnelt.

Sie suchen also nach Biomarkern im All?

Genau, wir suchen nach Parametern, die nur durch Lebewesen gebildet werden können. So kann man etwa an der Zusammensetzung des Methans über die Isotopenanalyse herausfinden, ob das Methan biologischen oder geologischen Ursprungs ist. Aber solche Instrumente sind riesig, die kann man nicht einfach in ein Raumfahrtgerät unterbringen.

Sie sind Geomikrobiologe, beschäftigen sich also mit Dingen, die sich in unserem Boden abspielen. Inwiefern prädestiniert Sie das für die Suche nach außerirdischem Leben?

Ich untersuche das Leben in extremen Umgebungen. Ich habe lange Zeit in den Polarregionen, aber auch in Wüsten gearbeitet. Mich interessiert, wie Organismen unter diesen extremen Bedingungen überleben können. Das extremste Habitat, das man sich vorstellen kann, ist extraterrestrisch, beispielsweise der Mars. Hier herrschen Verhältnisse, wie wir sie auf der Erde nicht kennen. Wir haben auch Organismen unter künstlichen Bedingungen, die dem Mars entsprechen, untersucht. Mit dem Ergebnis, dass sie überleben können. Mitte 2014 haben wir auch Mikroorganismen auf die Raumstation ISS geschickt, um zu schauen, wie sie unter definierten Bedingungen im All klarkommen.

Und auf der Erde, gibt es hier auch solche Alleskönner?

Ja, zum Beispiel im Gestein, aber auch in sehr heißen Umgebungen wie etwa in heißen Quellen. Grundsätzlich finden wir Leben in jedem erdenklichen Habitat, von tiefen Minusgraden bis über hundert Grad heißer Umgebung. Man findet es auch tief in der Erdkruste, in der tiefen Biosphäre. Im Moment sind wir bei etwa drei Kilometern Tiefe, auch hier finden wir noch Mikroorganismen. Überraschend ist, dass die Menge der Biomasse dieser Mikroorganismen vermutlich ähnlich groß ist wie die gesamte Biomasse aller Lebensformen auf der Erdoberfläche – inklusive Pflanzen und Meeresorganismen. Das ist eine enorme Größe, die bislang gar nicht bekannt war.

Welche Rolle spielen bei der Entwicklung von Leben die Mineralien?

Das wurde bislang unterschätzt. Heute diskutieren wir, ob die Plattentektonik eine Voraussetzung für Leben auf einem Planeten ist. Durch diese geodynamischen Prozesse gelangt zum einen Wasser in die Erdkruste, zum anderen könnten dadurch Substrate für Mikroorganismen produziert werden, beispielsweise in Form von Wasserstoff. Das sind Dinge, die für die erste Entwicklung von Biomolekülen, wie wir sie kennen, gebraucht werden. Mineralien sind zudem auch als Katalysatoren notwendig.

Inwiefern?

Leben ist durch eine Vervielfältigung des Erbmaterials, durch Stoffwechsel und Evolution definiert. Der Stoffwechsel ist an biologische Katalysatoren, also Enzyme, gebunden. Für solche Katalysatoren könnten zu Beginn der Entwicklung des Lebens Minerale eine Rolle gespielt haben, zudem liefern sie Ionen, die zur Entwicklung bestimmter organischer Komponenten benötigt werden.

Kann sich Leben überhaupt aus den genannten Voraussetzungen selbst entwickeln, oder hat es vielleicht ein Asteroid der Erde eingeimpft?

Diese Panspermie-Theorie finde ich recht unbefriedigend. Denn damit verlagert man die Frage nach der Herkunft des Lebens nur woandershin. Ich glaube tatsächlich an eine Entwicklung aus sich selbst heraus. Es gibt Experimente, die die Uratmosphäre nachgebildet haben und bei denen durch die Zuführung von Energie organische Moleküle wie Aminosäuren gebildet wurden. In einem großen Ozean ist das natürlich schwierig, hier ist die Verdünnung zu groß. Kondensation wäre nötig, wofür die Minerale wieder ins Spiel kommen, auch das Eindampfen von Lösungen an heißen Gestaden ist denkbar. Durch Eindampfen sind im Experiment Vorstufen von Zellen entstanden.

Und dann?

Dann müsste noch die Vervielfältigung des Erbmaterials in Gang gebracht werden. Die Enzymtätigkeit der RNA ist dafür so etwas wie die eierlegende Wollmilchsau: ein alleiniges Molekül, das die Erbinformation tragen und sich selbst vervielfältigten kann. So könnte das Entstandene auch erhalten bleiben. Ein nächster Schritt ist die Frage, wo das stattfinden könnte. Dafür sind die sogenannten Schwarzen Raucher – hydrothermale Quellen am Grund der Tiefsee – ein denkbarer Ort. Sie befanden sich an Kontinentalrändern, das passt auch gut zu der Bedeutung der Plattentektonik. Durch die Verschiebung der Platten kamen Magma und Fluide an die Oberfläche.

Das klingt aber nicht gerade nach lebensfreundlichen Bedingungen.

In diesen karbonathaltigen Schloten gibt es winzige Reaktionsräume, die durch Eisensulfidhäutchen ausgekleidet gewesen sein könnten. Darin hätten diese Prozesse stattfinden können. Die heißen Fluide aus dem Untergrund liefern tatsächlich alle Ionen und Minerale, die man dazu gebraucht hätte. So hätten sich in Jahrmillionen erste organische Moleküle und später erste Organismen mit einer Zellmembran entwickeln und ins Meer gelangen können. Somit wären die ersten einfachen Zellen ins Wasser gekommen. Dieser Prozess wäre auch auf erdähnlichen Habitaten denkbar.

Also ist da draußen noch jemand?

Das nehme ich auf jeden Fall an. Heute kommt man zum Glück für solche Aussagen nicht mehr auf den Scheiterhaufen. Bei der Größe des Universums und der Vielzahl der Galaxien wäre es vermessen, zu denken, dass die Entwicklung von Leben nur hier stattgefunden hat. Es sei denn, man glaubt daran, dass es von Gott gegeben ist. Die ganze Kaskade der Entwicklung des Lebens wäre auch auf dem frühen Mars möglich gewesen. Und es kann sogar auf dem heutigen Mars noch Organismen geben.

Wie das?

Sie könnten in den Tiefen der Marskruste eine Nische gefunden haben, in der sie überdauern oder vielleicht sogar noch aktiv sind. Das ist durchaus möglich. Ein Beispiel ist der Permafrost auf der Erde. Vor 100 Jahren hat niemand geglaubt, dass es darin Leben gibt, heute wissen wir, dass die Diversität dort genauso groß ist wie in jedem anderen Bodenökosystem auf der Erde.

Ist es überhaupt wichtig, zu wissen, ob da draußen noch jemand ist? Haben wir nicht genug Probleme auf unserem eigenen Planeten?

Im Grunde haben Sie damit natürlich recht. Aber ich glaube, die Frage, ob wir einzigartig sind oder uns das Universum mit anderen Lebewesen teilen, liegt einfach in der Natur des Menschen.

Das Gespräch führte Jan Kixmüller

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ZUR PERSON: Dirk Wagner (51) leitet am Potsdamer Geoforschungszentrum die Sektion Geomikrobiologie. Er ist gleichzeitig Professor für Geomikrobiologie und Geobiologie am Institut für Erd- und
Umweltwissenschaften an der Universität Potsdam.

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