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Landeshauptstadt: „Wir sind noch nicht auf Augenhöhe“

20 Jahre Migrantenbeirat: Mitglieder wünschen sich endlich EU-Kommunalwahlrecht für Ausländer

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Dass es seit 1992 in Potsdam einen Migrantenbeirat gibt, ist auch einem Missstand geschuldet: Noch immer können in Potsdam lebende Ausländer ohne deutsche Staatsbürgerschaft aus sogenannten Drittländern weder aktiv noch passiv an den Kommunalwahlen teilnehmen. Seit 2005 dürfen bereits EU-Bürger an die Wahlurne – für alle anderen bleibt die Beteiligung vorerst frommer Wunsch, obwohl die EU ihren Mitgliedsstaaten das seit Langem nachdrücklich empfiehlt und es in vielen EU-Ländern seit Langem praktiziert wird. Dabei sind selbst die gewählten Mitglieder des Migrantenbeirats im Stadtparlament und in den Ausschüssen nicht stimmberechtigt, sondern haben nur beratende Funktion.

„Das ist nicht mehr zeitgemäß“, findet Hala Kindelberger, Beiratsvorsitzende. „Gerade im Bildungs- und Sozialausschuss sollte unsere Stimme Gewicht haben“, findet Kindelberger. Zu den häufigsten Problemen, die im Beirat auf den Tisch kommen, gehöre, dass es zu wenig bezahlbaren Wohnraum in Potsdam gebe. Dazu kommen Elternbeschwerden über Mobbing an Schulen oder dass Kindern der Zugang ans Gymnasium erschwert wird. „Wir haben eine beratende und vermittelnde Funktion, suchen direkt das Gespräch mit Schulleitern und Sozialarbeitern, aber wir wollen auch politisch arbeiten“, sagt Kindelberger, Lehrbeauftragte der Uni Potsdam für politische Theorie.

Knapp 7000 Ausländer ohne deutschen Pass, 4,43 Prozent der Gesamtbevölkerung, leben derzeit in Potsdam, für alle, unabhängig mit welchem Aufenthaltsstatus, aber auch für Deutsche Bürger mit Migrationshintergrund, will der Beirat Interessenvertretung sein. Eine enge Zusammenarbeit mit der Stadt ist dabei unerlässlich. Magdolna Grasnick, Beauftragte für Migration und Integration: „Ideal wäre natürlich ein Kommunalwahlrecht für alle, dann wäre man auf Augenhöhe,“ so die gebürtige Ungarin. Bisher wird der Migrantenbeirat zeitgleich mit den Stadtverordneten gewählt, kandidieren und wählen können alle Nicht-Deutschen, die seit mindestens drei Monaten in Potsdam wohnen. „Die Wahlunterlagen werden per Post verschickt“, sagt Grasnick, 2008 lagt die Wahlbeteiligung bei 13,1 Prozent. „Wir brauchen unbedingt mehr engagierte Unterstützer und vor allem Kandidaten,“ sagt Kindelberger, in Ägypten geboren und seit 17 Jahren in Potsdam zu Hause. Die Fluktuationsrate der gewählten Mitglieder sei groß, aus beruflichen oder familiären Gründen.

Es ist nicht gerade eine homogene Gruppe, die der Beirat vertreten will: Die größte Gruppe stellen die in der Regel gut integrierten jüdischen Zuwanderer aus den ehemaligen GUS-Staaten dar. Weiterhin gibt es in Potsdam mittlerweile eine große vietnamesische Gemeinde, viele kleine und mittelständische Unternehmer, einige im Unternehmerverband Thang Long organisiert. Dazu kommen ausländische Ehepartner binationaler Ehen, Studierende, Wissenschaftler, Arbeitnehmer. „Die Arbeitnehmerzuwanderung wird einfacher, weil die Grenze für den gesetzlichen Mindestverdienst gesenkt wurde“, sagt Grasnick. Kleinste Gruppe in der Statistik, aber größtes Sorgenkind sind nach wie vor die knapp 200 Flüchtlinge. „Die Jugendlichen unter den Flüchtlingen brauchen unbedingt einen verbesserten Zugang zu Bildungsmöglichkeiten, Schul- und Berufsausbildung“, so Grasnick zu den dringendsten Aufgaben des Migrantenbeirats.

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