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Er will weitermachen. Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs, seit gestern 56 Jahre alt.

© Andreas Klaer

Landeshauptstadt: „Wir stehen unter Glaubwürdigkeitsdruck“

Er will 2010 wiedergewählt werden: Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) über den Umgang mit Ex-Stasi-IMs an der Stadtspitze, Potsdamer Besonderheiten, seinen Ärger mit der Jugendkultur und den großen Wurf für die Platte

Stand:

Herr Jakobs, Sie regieren Potsdam nun seit sieben Jahren. Ihren ostfriesischen Humor haben Sie darüber nicht verloren. Was hat Sie 2009 amüsiert?

Oh, da muss ich nachdenken. Es waren wohl einfache, natürliche Begebenheiten.

2009 war kein Jahr zum Lachen?

Es war ein Jahr wichtiger Entscheidungen. Endlich ist klar, wie der Landtag in der Potsdamer Mitte aussieht. Nächstes Jahr wird der Grundstein gelegt. Mit den Entwicklungskonzepten Wohnen und Gewerbe haben wir vorbestimmt, woran in den nächsten Jahren gearbeitet wird.

2010 ist das Jahr der OberbürgermeisterWahl. Sie werden erneut antreten?

Ja, das will ich. Ich werde mich bewerben, und die Potsdamer SPD wird entscheiden, ob sie mich aufstellt.

Warum wollen Sie weitermachen?

Wir haben vieles auf den Weg gebracht. Die Potsdamer Mitte, das Klima in der Stadt haben sich zum Guten entwickelt. Ich möchte das Begonnene zu Ende bringen. Das möchte ich meistern, auch wenn es schwieriger wird. Die Stadt hat so viel Potenzial. Das will geweckt sein. Ich habe Lust, weiter mitzuwirken.

Gehen Sie gelassen ins Wahljahr – oder gespannt?

Es wird ein besonderes Jahr für mich. Spannend ist, wer gegen mich antritt. Wahrscheinlich wird Hans-Jürgen Scharfenberg für die Linke ins Rennen gehen.

Hans-Jürgen Scharfenberg war IM der DDR-Staatssicherheit. Kann er die Landeshauptstadt regieren und repräsentieren?

Das müssen die Wähler entscheiden.

Die SPD wird sich dazu nicht positionieren?

Doch, das wird sie sicher tun. Dazu müssen Sie aber den Potsdamer Parteichef Mike Schubert fragen.

Sie selbst werden sich nicht positionieren?

Ich habe eine Haltung dazu: Ich halte es nicht für richtig, würde ein ehemaliger Stasi-IM Oberbürgermeister. Auf Landesebene hat die SPD den Grundsatz geprägt, dass keine ehemaligen Mitarbeiter der Stasi ins Kabinett sollen. Dies kann man auf die kommunale Ebene übertragen. Doch wenn die Linke Herrn Scharfenberg aufstellt, wird der Wähler darüber eine Entscheidung zu treffen haben.

Vor einigen Wochen haben Sie noch betont, Rot-Rot wäre in Potsdam eine Option.

Es war eine Option, nach der Kommunalwahl im Herbst 2008. Wir waren offen. Aber da war kein großes Besprechen, kein Ausloten von Positionen möglich, weil Herr Scharfenberg abgelehnt hat.

Jetzt hat die Potsdamer Linke der SPD Sondierungen angeboten. Bekommt ein rot-rotes Bündnis eine zweite Chance?

Es ist immer gut, wenn man miteinander spricht. Aber die Linke kann nicht nachholen, was sie vor einem Jahr versäumt hat. Wir von der SPD haben uns in Folge der damaligen Sondierungsgespräche für die Rathauskooperation mit CDU/ ANW, Grünen, FDP und Familienpartei entschieden.

Dabei bleiben Sie?

Es war eine richtige Entscheidung. Daran wird gegenwärtig nicht gerüttelt. Ansonsten plädiere ich für einen gesunden Pragmatismus: An konkreter Politik lässt sich messen, ob und welche Gemeinsamkeiten von SPD und Linken es in Potsdam gibt.

Die Rathauskooperation beschert Ihnen seit einem Jahr die stabilen Mehrheiten im Stadtparlament, die Sie sich immer gewünscht haben. Trotzdem herrscht Skepsis: Hält das Bündnis über die Oberbürgermeister-Wahl hinaus?

Mit der Kooperation war nun schon mehr als ein Jahr erfolgreiche Politik möglich, ohne dass der Eindruck einer Blockpartei-Konfiguration entstand. Ich bin mir sicher, dass das Bündnis Bestand haben wird.

Obwohl die CDU einen instabilen Eindruck macht und die Familienpartei nach der Parteispenden-Affäre von der Bildfläche verschwunden ist?

Parteien sind immer in einem unterschiedlichen Gemütszustand. Bei der CDU habe ich im konkreten Abstimmungsverhalten keine Instabilität bemerken können. Und selbst ohne Familienpartei hätten wir noch eine deutliche Mehrheit.

Bei den Landtags- und Bundestagswahlen 2009 hat die Linke wieder stark abgeschnitten. Seit Jahren gilt dies als ein Indiz für eine Spaltung Potsdams in Nord und Süd, reich und arm.

Es gibt eine latente Spannung in der Stadt. Sie zu vertiefen oder politisch zu instrumentalisieren, wie es die Linke, insbesondere Herr Scharfenberg, zuweilen tut, ist fatal. Potsdam braucht Gemeinsinn. Es gelingt uns immer mehr, das in Politik umzusetzen. Beispiel Bürgerhaushalt: Da ist die Stadt einheitlich vertreten, aus allen Stadtteilen kommen Vorschläge. Auch Engagement wie das von Günther Jauch für die Kinderhilfseinrichtung Arche in Drewitz eint die Stadt. Trennendes führt hier zusammen.

Das neue Rathausbündnis spiegelt sich auch in Ihrer Beigeordenten-Riege wider. Wie sehen Sie die Arbeit der Neuen, des Beigeordneten für Stadtentwicklung und Bauen, Matthias Klipp (Grüne), und der Beigeordneten für Bildung, Kultur und Sport, Iris Jana Magdowski (CDU)?

Ich bin sehr positiv überrascht. Beide bringen sich sehr engagiert ein, markieren Positionen. In einzelnen Ansichten gibt es zuweilen Differenzen. Das muss man aber aushalten und austragen.

Manchmal scheint es, Sie hätten Mühe, Herrn Klipp und Frau Magdowski unter Kontrolle zu halten.

Beide üben keine bewusste Grenzüberschreitung, inszenieren keine Provokation. Sie äußern sich nur, bisher ohne die besondere Potsdamer Resonanz zu kennen. Hier spricht niemand privat, alles kriegt sofort einen politischen Drall. Das müssen die beiden lernen. Meine Rolle als Älterer und Erfahrener ist es, Ratschläge zu geben, die hoffentlich befolgt werden.

Auch an Frau Magdowski, die sich selbst ja gern als kommunalpolitisches Schlachtross bezeichnet?

Die Erfahrung will ich ihr nicht absprechen. Aber man braucht schon eine gewisse Zeit, um zu verstehen, wie diese Stadt tickt.

Verraten Sie es mal!

Das kann man kaum in Worte fassen. Wie Potsdam tickt, das muss man erfahren. Man muss wissen, dass es hier markierte Felder gibt, in der Stadtentwicklung, bei kulturellen Themen. Und dass überall Leute sind, die ihre Auffassungen haben, sie schnell und meinungsstark artikulieren.

Ein maßgebliches Potsdamer Thema war auch 2009 die Jugendkultur. Ein „überzeugendes Konzept“ dafür haben Sie bereits vor einem Jahr versprochen. Doch es wird nur mehr schlecht als recht debattiert. Der laufende Jugendkultur-Workshop gilt als Erfolg, nur weil er nicht geplatzt ist: Eine Geschichte des Scheiterns.

Das sehe ich so nicht. Aber ich ärgere mich persönlich über die Situation, schließlich bin ich ja gelernter Erzieher und Sozialarbeiter. Nur über die Struktur von Angeboten nachzudenken, ist und war ein Fehler. Es geht um Konzepte. Wir stehen unter einem immensen Glaubwürdigkeitsdruck. Wir müssen wissen, was die jungen Leute wollen – auch die, die sich nicht zu Wort melden. Frau Magdowski hat eine Befragung vorgeschlagen. Das ist ein guter Ansatz.

Sie werden die Potsdamer Jugendlichen befragen?

Ja. Dieses Interessen-Abbild muss der Ausgangspunkt für die Debatte über Konzepte sein. Darüber können wir definieren, welche Angebote gebraucht werden. Es darf nicht sein, dass uns diese Fragestellung alle zwei Jahre wieder einholt, weil es neue Bedürfnisse gibt. Das verkraftet keine Stadt, auch finanziell nicht.

Immer wieder scheitert die Stadt im Uferstreit am Griebnitzsee. 2009 haben die Gerichte den Bebauungsplan wegen gravierender Fehler für nichtig erklärt. Der Uferweg ist seit mehr als acht Monaten unpassierbar. Wird er je wieder zu betreten sein?

Davon gehe ich aus. Aber wir müssen einen sehr langen Atem haben. Ich hoffe nicht, dass in dieser Zeit das Interesse am öffentlichen Weg erlischt. Wir arbeiten intensiv am neuen Bebauungsplan, der im September 2010 rechtskräftig werden soll.

Von Verhandlungen ist unterdessen wenig zu hören. Die Ufer-Diplomaten, Lothar de Maizière und Hans Otto Bräutigam, sind offenbar gar nicht zum Zuge gekommen. Sehen Sie noch Gesprächsmöglichkeiten?

Wir sind mit vielen Anrainern im Gespräch, mit dem allergrößten Teil. Doch ohne Bebauungsplan haben wir keine Grundlage für vertragliche Regelungen. Wir arbeiten, wie am Groß Glienicker See, für Einzelverträge. Das ist sehr, sehr aufwendig, aber ohne Alternative.

Haben Sie aus den Fehlern, die auch den ersten Bebauungsplan zu Fall gebracht haben, Konsequenzen gezogen?

Wir haben uns Sachverstand von außen geholt, sowohl juristisch als auch verfahrenstechnisch. Wir haben eine Arbeitsgruppe einberufen, die spezialisiert den Bebauungsplan und seine inhaltliche Begründung vorbereitet. Wir hoffen, damit die möglichen Fehlerquellen ausmerzen zu können.

Neue Fehler scheinen schon passiert. Die Stadt wollte für 2,6 Millionen Euro 13 Ufergrundstücke vom Bund kaufen. Doch jetzt bieten Anrainer mehr und werden bei einer Ausschreibung wohl erfolgreich sein.

Das ist kein Fehler, aber ein Problem, Sie haben Recht. Doch noch ist nichts entschieden. Sollten die Grundstücke tatsächlich ausgeschrieben werden, wird die Stadt mit bieten – es sei denn, die Stadtverordnetenversammlung legt eine Obergrenze fest. Dann können wir uns nur hinten anstellen und werden erleben, wie die Grundstücke an Privateigentümer verkauft werden.

Waren die Gebote der Anrainer und die Ausschreibung der Grundstücke nicht vorherzusehen?

Ich war schon erstaunt, dass der Bund nicht unmittelbar zu einer notariellen Beurkundung der Kaufverträge imstande war. Aber mich überrascht, was das Thema Griebnitzsee angeht, mittlerweile gar nichts mehr.

Lange Jahre stand die Potsdamer Mitte bei der Stadtentwicklung im Fokus.

Für die Mitte sind die Grundsatzentscheidungen gefallen. Jetzt kann man sich sehr liebevoll und engagiert um den Feinschliff kümmern. Dazu gehören Speicherstadt und Brauhausberg, die als neues urbanes Quartier eine Fortsetzung der Mitte jenseits der Havel bilden und so das Gesicht Potsdams in den nächsten Jahren verändern werden.

Verändern könnte sich auch Drewitz. Haben die Pläne für einen Umbau zur Gartenstadt wirklich eine Chance?

Es ist der große Wurf für die Platte. Und wenn wir wollen, setzen wir ihn um. Aber man darf sich nichts vormachen: Das dauert einige Jahre. Es wird viele einzelne Baustellen geben, von der Stadtteilschule bis zur Konrad-Wolf-Allee. Wir sprechen mit dem Land, um Fördermittel zu bekommen. Die Wohnungswirtschaft soll eine Selbstverpflichtung eingehen, je nach Eigentumsanteil mitzumachen.

Finanziell stehen Potsdam harte Jahre bevor. Weniger Einnahmen, mehr Ausgaben. Wie ist Ihr Kurs durch die Krise?

2010 werden wir ungefähr 22 Millionen Euro Schulden machen müssen, ähnliche Summen kommen 2011 und 2012 dazu. Aber wir können keinen Schuldenberg anhäufen. Wir müssen sparen und die Einnahmen erhöhen. Da kommt eine Aufgabe auf die städtischen Gesellschaften zu.

Sie müssen mehr Geld abliefern?

Die Frage ist: Wie kann die Stadt profitieren? Aber wir wollen die Gesellschaften nicht ausbluten lassen.

Über die Stadtverwaltung gibt es immer wieder Klagen von Bürgern. 2009 kamen drei Korruptionsverdachts-Fälle dazu. Ist alles aufgeklärt?

Es ist alles aufgeklärt, ein Fall harrt noch der abschließenden strafrechtlichen Bewertung. Man kann aus solchen Dingen nur lernen und Prävention organisieren. Das haben wir getan. In Potsdam ist es ein beliebtes Spiel, auf die „unfähige Verwaltung“ zu schimpfen. Wenn in der Stadt etwas gut läuft, schmücken sich alle damit. Wenn etwas schief geht, ist die Verwaltung schuld. Doch sie leistet Großartiges. Das will ich besser nach außen vermitteln.

2009 wurde der Medienpreis Bambi erstmals in Potsdam verliehen. Wer würde von Ihnen ein goldenes Rehkitz als „Potsdamer des Jahres“ bekommen?

Ich würde der Kammerakademie einen Bambi verleihen – für ihre besondere künstlerische Ausstrahlung für die Landeshauptstadt Potsdam.

Das Interview führte Sabine Schicketanz

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