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Landeshauptstadt: Wir versuchen zu vergeben und niemals zu vergessen

Ehemalige KZ-Insassinnen und Zwangsarbeiterinnen sprachen über die Vergangenheit, ohne sich der Gegenwart zu verschließen

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Ehemalige KZ-Insassinnen und Zwangsarbeiterinnen sprachen über die Vergangenheit, ohne sich der Gegenwart zu verschließen So viele Kerzen wie gestern Mittag werden in der russisch-orthodoxen Kirche auf dem Kapellenberg selten auf einmal angezündet. Mit den Lichtern haben hoch betagte Frauen von der ukrainischen Halbinsel Krim all jener Menschen gedacht, die während des Nationalsozialismus im Konzentrationslager Ravensbrück umgekommen sind. Die Besucherinnen, von denen fast alle selbst Häftlinge oder Zwangsarbeiter waren, sind Mitglieder des „Simferopol- Invalidenvereins“ und haben die lange Zugfahrt noch einmal auf sich genommen, um in Deutschland als Zeitzeugen über ihre Erfahrungen zu sprechen. Gestern hatte sie das autonome Frauenzentrum für einen Tag nach Potsdam eingeladen. Mit fast 86 Jahren ist Antonina Tschernetskaja die älteste in der Gruppe. Sie war 1943 als Krankenschwester an der Ostfront in Kriegsgefangenschaft geraten. Als sie sich der Zwangsarbeit verweigerte, kam sie ins Frauen- KZ Ravensbrück. Auf die Frage, wie es heute für sie sei, hier in Potsdam zu sein, antwortete sie, dass man der jungen Generation nach 60 Jahren keine Vorwürfe mehr machen könne. „Aber“, fügte sie hinzu, „ich fühle noch heute den inneren Schmerz und möchte verhindern, dass die Vergangenheit in Vergessenheit gerät.“ Antonina war eine jener Frauen, die nach der Befreiung des Lagers erschöpfte Waisenkinder auf einer Schubkarre mitgenommen haben. Sie selbst wog damals nur noch 35 Kilogramm. Gemeinsam mit dem Förderverein der Gedenkstätte Ravensbrück wollen die Frauen des Invalidenvereins ein Altersheim für Opfer des Nationalsozialismus am Schwarzen Meer bauen. Das Bauvorhaben macht zwar kleine Fortschritte, aber der Großteil der benötigten Summe fehlt bisher. Rieta Mildebrath vom Autonomen Frauenzentrum Potsdam war im vergangenen September auf der Krim und hatte danach aus Überzeugung 35 Bittbriefe an prominente Potsdamer geschrieben – ohne Erfolg. Die Leiterin des „Invalidenvereins“ Zinaida Pawlona selbst war nicht im KZ. Sie ist die Tochter eines ehemaligen Zwangsarbeiters. Nachdem ihr Vater schwer gezeichnet nach Kriegsende in die Sowjetunion zurück gekehrt war, hat man ihn dort als Vaterlandsverräter noch einmal zu 25 Jahren Zwangarbeit in Sibirien verurteilt, weil er mit seiner Arbeit den deutschen Feind unterstützt habe. Die Familie folgte ihm in die Verbannung. „Ich erinnere mich, dass meine Haare nachts an der Wand festfroren, so dass mein Bruder sie am nächsten Morgen mit der Schere abschneiden musste“, erzählte Zinaida. Es wird oft vergessen, wie sehr das Leben der Angehörigen mitgelitten hat, die mittlerweile auch alt geworden sind, mahnte sie. Auch sie sollen vom „Simferopol- Invalidenverein“ unterstützt werden, zum Beispiel mit einem Heimplatz. Juliane Schoenherr Spendenkonto: 375300 00 18, BLZ: 160 500 00, Stichwort: „Altenheim am Meer“

Juliane Schoenherr

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