Landeshauptstadt: „Wir werden kein Partytempel“
Perspektiven trotz Schulden und Personalmangels – Ein Gespräch über die Zukunft des Lindenparks
Stand:
Der Lindenpark stand wegen finanzieller Probleme kurz vor dem Aus. Sie haben den Lindenpark in dieser schwierigen Situation mit der Maßgabe übernommen, zu zeigen, dass das traditionelle Haus schuldenfrei arbeiten kann. Wie geht es dem Lindenpark unter diesen Umständen?
Dirk Harder: Wir haben noch unter der Schuldenlast zu leiden. Eine Menge der Altschulden konnten wir aber im vergangenen Jahr abbauen. Das ist für uns ein sehr großer Erfolg. Es war eine Verpflichtung, dass wir keine neuen Schulden aufnehmen und unsere Verbindlichkeiten einhalten.
Wie hoch sind eigentlich diese Schulden?
Dirk Harder: Die sind deutlich sechsstellig.
Wie lange werden Sie noch brauchen, diese Schulden abzuarbeiten?
Dirk Harder: Jedes Jahr machen wir einen kleinen Gewinn, den wir aber sofort wieder investieren müssen, weil wir ein gemeinnütziger Verein sind. Aber mit diesem Gewinn können wir den Schuldenberg nicht abarbeiten. Darum denken wir gerade über verschiedene Modelle nach.
Was sind das für Modelle?
Dirk Harder: Beispielsweise Sanierungskredite. Wir haben einen Treuhänder, der uns in dieser Phase begleitet. Damit ist sichergestellt, dass alles, was mit den Finanzen zu tun hat, auch ordnungsgemäß abläuft. Wir verhandeln mit den Gläubigern, machen Ratenzahlungen und im vergangenen Jahr ist es uns gelungen, wieder Vertrauen herzustellen. ich gehe davon aus, dass es bestimmt noch zehn Jahre dauern wird, bis wir sagen können, wir haben keinen Euro Schulden mehr.
Wie arbeitet der Lindenpark unter solchen Bedingungen?
Alexandra Adler: Die Arbeit ist natürlich schwierig und mit jeder Menge Hindernissen verbunden. Aber jedes Hindernis ist auch eine Herausforderung. Wir arbeiten hier ganz stark im Bereich der Prozessoptimierung der Arbeitsabläufe.
Heißt Prozessoptimierung auch Stellenabbau?
Alexandra Adler: Stellenabbau heißt das in dem Sinne nicht. Wir haben in großen Teilen umstrukturiert und Verantwortlichkeiten am sinnvollsten verteilt. Dabei haben wir bestimmte Stellen auch neu besetzten müssen. Wir schauen, wo sind noch Stellschrauben anzuziehen, sei es bei der Veranstaltungsplanung oder bei der Veranstaltungskalkulation, um finanzielle Risiken von Anfang an auszuschließen.
Was sind das für Risiken?
Alexandra Adler: Es kann passieren, dass so ein Veranstaltungshaus auch mal leer bleibt, weil die Nachfrage für ein bestimmtes Konzert doch nicht so groß ist.
Dirk Harder: Um ein Beispiel zu nennen. Wir haben unser Ska-Festival, in diesem Jahr das mittlerweile 17., da kommen Gäste aus ganz Europa. Und im vergangenen Jahr spielte zufällig Madness (eine der bekanntesten britischen Ska-Bands, Anm.d.Red.) am selben Tag in Berlin. Das hat sich erst wenige Wochen vorher herausgestellt. Das bedeutet dann, dass möglicherweise 300 bis 400 Gäste wegbleiben. Und das ist natürlich eine Katastrophe für einen Kulturbetrieb. Solche Sachen sind nicht vorhersehbar. Das Live-Musikgeschäft ist sehr schwierig und dieses Live-Geschäft ist eines unserer großen Standbeine. Dabei Geld zu verdienen ist sehr schwer.
Finanziert sich der Lindenpark durch solche Einnahmen?
Dirk Harder: Auf alle Fälle. Eines unserer Standbeine ist die Kinder- und Jugendarbeit, die von der Stadt gefördert wird. Im Kulturbereich erwirtschaften wir etwa 50 Prozent der Kosten beispielsweise durch Eintritt und Gastronomieeinnahmen selbst. Das ist eine ziemlich gewaltige Summe.
Wie viele Mitarbeiter hat der Lindenpark?
Alexander Adler: Wir haben verschiedene Einrichtungen, so zwei Jugendclubs, wo im Bereich der Jugendsozialarbeit fünf Mitarbeiter tätig sind. Im Kulturbetrieb sind wir auch nur eine Handvoll Mitarbeiter, die den Betrieb tragen. Im Bereich der Gastronomie, der Veranstaltungskoordination, Öffentlichkeitsarbeit und Technik sind das zehn Leute. Im Kulturbetrieb arbeiten wir personell gesehen am Limit. Wir arbeiten auch mit Auszubildenden. Die werden wie die anderen Mitarbeiter voll in das Tagesgeschäft einbezogen.
Sarah Buschmeier: Die arbeiten auch sehr eigenverantwortlich. Das ist wichtig bei der Suche nach Auszubildenden. Da suchen wir Leute, die schon sehr selbständig sind. Unter Anleitung natürlich, sich aber trotzdem sehr gut einbringen können.
Alexandra Adler: In diesem Jahr werden wir drei neue Auszubildende einstellen.
Gibt es ein Konzept, nach dem der Lindenpark arbeitet?
Dirk Harder: Die grobe Struktur ist ja durch unsere beiden Standbeine Kinder- und Jugendarbeit und den Kulturbetrieb vorgegeben. Im ersten Jahr hatten wir noch eine analytische Phase hinter uns zu bringen. Wir haben gefragt, woher kommen unsere Gäste, wo arbeiten wir wirtschaftlich, welche Ressourcen lassen sich durch die Umstrukturierungen erschließen. Jetzt sind wir gerade damit beschäftigt, ein neues Konzept zu erarbeiten. Nach einem Jahr Analyse also sind wir jetzt an dem Punkt, an dem wir fragen, wo es in Zukunft hingehen soll. Wir haben auch versucht, im Haus eine neue Politik der Transparenz und Mitbestimmung durchzusetzen. Wir wollen nicht von oben herab entscheiden, sondern sind offen für Hinweise unserer Mitarbeiter. Mitbestimmung ist uns sehr wichtig.
Der Lindenpark betreibt auch akzeptierende Jugendarbeit. Was versteht man darunter?
Dirk Harder: Wir arbeiten sehr stark mit speziellen Zielgruppen. Deren Ansichten und Vorstellungen werden erst mal respektiert und wir akzeptieren sie erst mal so wie sie sind. Wir haben hier Punkkonzerte, Skinheadkonzerte, wobei Skinheads nicht mit der rechten Szene gleichzusetzen sind. Wir distanzieren uns ganz klar von rechtem Gedankengut.
Sarah Buschmeier: Das sind Angebote, die wir als unseren Auftrag ansehen und die wir machen wollen. Dabei geht es nicht um viel Geld machen. Das ist unser Auftrag in der Jugend- und Kulturarbeit, dass wir die Leute nicht allein lassen.
Zum Thema Jugendarbeit gehört auch der Jugendschutz, der durch Alkoholmissbrauch bei Jugendlichen in jüngster Vergangenheit wieder stärker in die öffentliche Diskussion kam. Ist Alkoholmissbrauch unter Jugendlichen auch ein Problem, mit dem der Lindenpark zu kämpfen hat?
Dirk Harder: Wir befinden uns momentan in einem schwierigen Prozess, was den Alkohol betrifft. Es ist gerade angesagt, Party zu machen und zu trinken. Diesen Mainstream, diese Partyschiene wollen wir nicht bedienen. Wir schauen, wie wir bestimmte Subkulturen ansprechen können. Da sehen wir unsere Richtung. Wir werden uns nicht zu einem Partytempel entwickeln. Problematisch wird es mit dem Rauchverbot. Man stelle sich nur vor, wir haben ein Konzert mit 800 Punks und ich sagen dann zu denen: Rauchen bitte nicht. Dann schicke ich sie raus auf die Straße oder in den Garten. Und dann haben wir weitere Probleme.
Alexandra Adler: Was den Alkohol betrifft, arbeiten wir sehr intensiv in den Jugendclubs. Unsere Mitarbeiter sind da besonders geschult, wie man mit diesem Problem auf die Jugendlichen zugeht, um bei ihnen ein Problembewusstsein zu entwickeln.
Neben der Jugendarbeit gibt es auch noch die Arbeit mit Kindern. Ist die überhaupt noch möglich, jetzt, wo der Spielplatz hier auf dem Gelände gesperrt ist?
Dirk Harder: Vom Spielplatz sind nur bestimmte Teile gesperrt.
Wie geht es mit dem Spielplatz jetzt weiter?
Dirk Harder: Das ist eine gute Frage. Wir haben hier ja ein großes Areal, auf das wir sehr stolz sind. Der Jugendclub kümmert sich auf dem Gelände um die Skate- und BMX-Anlagen und die Basketballfelder. Was die ganzen Spielgeräte auf dem Spielplatz betrifft, die Anfang der 90er Jahre angeschafft wurden, die sind mittlerweile marode und zum Teil vom TÜV gesperrt und dann abgebaut oder abgesägt. Wir haben mit unseren Möglichkeiten versucht zu retten, was zu retten ist. Es fehlt am Geld und wir sind auf der Suche nach Sponsoren. Aber der große Durchbruch ist uns bis jetzt noch nicht gelungen. Wir haben eine Spende von der Sparkasse bekommen, mit der wir die Wippen und die Basketballkörbe erneuern konnten. Das kann aber nur der erste Schritt sein.
Wie viel Geld brauchen Sie?
Dirk Harder: Wenn der Spielplatz wieder die Qualität und Vielfalt haben soll wie am Anfang, dann würden die Kosten mit dem Aufbau bei 40 000 Euro liegen. Wir haben allerdings gesagt, wenn es uns gelingen würde, nur das Material zu bekommen, würden wir zusammen mit Partnern den Spielplatz selbst wieder aufbauen.
Wie viel würde das Material kosten?
Dirk Harder: Da reden wir über eine Größenordnung von zirka 25 000 Euro.
Sie haben gesagt, der Lindenpark soll kein Partyschuppen werden. Welches Profil aber hat der Lindenpark als Veranstaltungshaus? Wie will er sich beispielsweise vom Waschhaus abgrenzen?
Alexandra Adler: Das ist zum jetzigen Zeitpunkt eine sehr schwierige Frage. Da wir uns da noch in einem Prozess befinden, können wir das noch gar nicht beantworten. Aber wir sind dabei, das Thema abzuarbeiten. Wir versuchen hier eine Art Nischenkonzept für das Haus Lindenpark zu erarbeiten.
Sarah Buschmeier: Wir schauen auch, wo ist der Bedarf in Potsdam und dem Umland. Das ist eine sehr wichtige Frage. Denn auf der einen Seite wird geschimpft, es gibt nichts, wo man hingehen kann. Aber auf der anderen Seite wird viel angeboten, aber nicht wahrgenommen. Da müssen wir noch unsere Lücke finden.
Dirk Harder: Wir stehen im engen Kontakt mit dem Waschhaus und haben zu diesem ein gesundes Verhältnis. Es finden Gespräche statt, wo wir uns gelegentlich abstimmen. Durch unsere Lage außerhalb haben wir einen Nachteil. Aber mit der ganzen Entwicklung in der Schiffbauergasse wird das Waschhaus, das ja aus einem Hausbesetzerprojekt entstanden ist, schicker werden. Der Lindenpark wird nie Ausstellungen machen wie das Waschhaus. Uns wird die Abgrenzung schon gelingen.
Sarah Buschmeier: Wir werden uns mehr auf die Musik konzentrieren. Weniger Partys, mehr Konzerte. Das liegt auch in der Tradition des Lindenparks.
Die Tradition des Lindenparks also, die für gute Konzerte steht?
Dirk Harder: Ja, wir wollen anknüpfen an die alten Sachen, wofür der Lindenpark bekannt ist. Wir wollen wieder die Adresse für qualitativ wertvolle Musik sein. Dabei werden wir uns nicht nur in die eine Richtung bewegen, die Kinder- und Jugendarbeit ist weiterhin ein wichtiges Standbein. Wir wollen wieder als verlässlicher Partner akzeptiert werden. Es gab Schwierigkeiten, das ist nicht zu leugnen. Es wurden Gagen nicht bezahlt und daraus entstehen natürlich Ängste. Die Beispiele wie mit der Band Keimzeit sind ja bekannt.
Besteht die Arbeit im Lindenpark derzeit also vor allem darin, das angeschlagene Image aufzubessern
Sarah Buschmeier: Ja, das ist eines der Hauptziele.
Dirk Harder: Eine Gesundung des Unternehmens Lindenpark ist derzeit das wichtigste Ziel. Wir befanden uns immer kurz vor der Insolvenz und es ist noch nicht ausgestanden. Wir werden noch zwei bis drei Jahre mit dem Wundenflicken beschäftigt sein.
Sarah Buschmeier: Für uns sind das ganz große Schritte, die wir hier gerade machen. Doch nach außen werden die meist nur als ganz kleine wahrgenommen.
Das Gespräch führte Dirk Becker
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