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Senioren in Potsdam: „Wir werden uns neu aufstellen müssen“

Mehr Hochbetagte, mehr Demenzerkrankungen: Potsdam muss seine Seniorenpolitik reformieren.

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Potsdam wächst – und damit auch die Zahl der Senioren. So soll die Zahl der Potsdamer über 65 Jahren bis 2035 um rund 30 000 auf dann rund 46 000 Personen wachsen – das wäre dann fast jeder vierte Potsdamer. Bei den Hochbetagten über 80 Jahren liegt der Zuwachs bei mehr als 60 Prozent – knapp 15 000 Potsdamer könnten 2035 so alt sein. Die Zahlen nannte Sozialdezernent Mike Schubert (SPD) am Mittwoch vor Teilnehmern einer Fachtagung „Altern im vertrauten Umfeld“ im Hoffbauer-Tagungshaus auf Hermannswerder. „Das stellt die Stadt vor neue Herausforderungen“, sagte Schubert.

Ein Beispiel: So muss die Stadtverwaltung ihre Beratungsangebote für die wachsende Gruppe der pflegebedürftigen Senioren ausbauen, wie Schubert deutlich machte. Die aktuell lediglich zwei Vollzeitstellen in dem Büro würden künftig nicht mehr ausreichen, sagte er – zumal sich mit neuen Pflegestärkungsgesetzen im kommenden Jahr bereits Fallzahlen und Beratungsbedarf laut Experten erhöhen werden. Zudem würden immer mehr Senioren auch nachfragen, ob sie zur Beratung tatsächlich ins Amt müssen – oder ob das wohnortnah erfolgen könne. „Wir werden uns neu aufstellen müssen“, sagte Schubert. Den Pflegestützpunkt betreibt die Stadt gemeinsam mit den gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen im Land.

Bei der Fachtagung erläuterte Ursula Kremer-Preiß vom Kuratorium Deutsche Altershilfe, wie solche Fragen in anderen Kommunen gelöst werden. So habe eine kleine Stadt wie Neu Isenburg (Hessen) mit 35 000 Einwohnern inzwischen neun Büros für Pflegeberatung. Anderswo würde auf völlig mobile Lösungen gesetzt, so die Expertin. In Nürnberg gebe es einen Beratungsstand auf dem viel besuchten Wochenmarkt. Das alles kostet Geld: Eine Bertelsmann-Studie habe ergeben, dass auf die Kommunen in den kommenden Jahren bis zu 25 Prozent mehr Kosten für Pflege-Hilfen zukomme.

Auch für Potsdam gibt es Lösungsvorschläge – die im sogenannten Seniorenplan zusammengefasst sind. Nach mehr als zweijähriger Bearbeitung liegt inzwischen ein erster Entwurf bei den Stadtverordneten. Darin werden verschiedene, noch eher abstrakt gehaltene Vorschläge für den Umgang mit dem Potsdamer Demografiesorgen aufgelistet, zum Beispiel der Ausbau der bestehenden Unterstützungs- und Entlastungsangebote oder die barrierearme Gestaltung von öffentlichen Wegen und Straßen. Mit dem Seniorenbeirat etwa werde die Stadtverwaltung nun diskutieren, welche Punkte tatsächlich auch kurz- oder mittelfristig umgesetzt und finanziert werden könnten, so Schubert. „Manches wird man nicht gleich machen können.“

In dem Planwerk heißt es unter anderem, eine „zentrale Herausforderung der kommunalen Seniorenpolitik“ werde in Zukunft auch der Umgang mit Menschen mit Demenzerkrankung sein: Deren Zahl werde vermutlich bis zum Jahr 2030 um 1900 auf fast 5000 Personen angewachsen sein. Dies wären 2,7 Prozent der Potsdamer Gesamtbevölkerung – jetzt sind es 1,9 Prozent. Daher werde die Bedeutung niedrigschwelliger Betreuungsangebote deutlich zunehmen, heißt es in dem Seniorenplan weiter.

Auch das Thema Altersarmut spielt in dem Seniorenplan eine Rolle. Vorgeschlagen wird, eine regelmäßige Armuts- und Reichtumsberichterstattung in der Stadtverordnetenversammlung zu etablieren – und zur Beschäftigung von Potsdamern im Ruhestand mit Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden zu kooperieren. Rund 12 Prozent der Haushalte von Potsdamern im Alter von über 65 Jahren hätten weniger als 1000 Euro pro Monat zur Verfügung, heißt es in dem Plan.

Weiteres wichtiges Thema der Tagung war auch, dass Senioren möglichst in ihren angestammten Vierteln alt werden sollten. Zugleich stellte Schubert auch das Potsdamer Modell vor, über eine geplante Wohntauschbörse Senioren zu animieren, zu groß gewordene Wohnungen mit Familien zu tauschen, die zu wenig Platz haben. Gegen Isolation im Alter will die Stadt laut ihrem Seniorenplan auch ein Konzept für mehr Mobilität erstellen – und ihre Broschüre „Veranstaltungen für Seniorinnen und Senioren in der Landeshauptstadt Potsdam“ künftig breit an die Zielgruppe versenden. „Wir müssen auch mit diesem Teil des Wachstums Schritt halten“, sagte Schubert.

Beim Vortrag von Expertin Kremer- Preiß konnte der neue Dezernent zudem lernen, was in anderen Kommunen schon praktiziert wird: Von mobilen Kaffeekränzchenrunden gegen Einsamkeit bis hin zu Netzwerken für Senioren mit ähnlichen Interessen oder Wohngemeinschaften für Pflegebedürftige. Wichtig sei, so Kremer-Preiß, auch die Senioren vor Ort an solchen Lösungen zu beteiligen – dann bekäme die Kommune auch Engagement zurück: „Und dieses Engagement werden Sie künftig dringend benötigen.“

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