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Von Henri Kramer: „Wir wollen nicht mehr Geld“

Ortstermin im „Streikbüro“: Service-Mitarbeiter des „Bergmann“-Klinikums über ihren Arbeitskampf

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Die Frage richtet sich an Jann Jakobs. „Warum gehen wir den Oberbürgermeister nur einen Dreck an?“, sagt ein Mann mit lauter Stimme. Er ist wütend. „Jann Jakobs ist kein Oberbürgermeister für alle Potsdamer, sondern nur ein Oberbürgermeister für unsere Geschäftsführung“, sagt er. Jann Jakobs ist nicht da. Ein langer Bürotisch, eine kahle Wand und Dutzende Kaffeetassen. Das so genannte „Streikbüro“ der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi im zweiten Stockwerk des Havel-Nuthe-Centers in Drewitz wirkt schmucklos. Umso erhitzter sind die Gemüter der Anwesenden, die am Tisch sitzen und über das Klinikum „Ernst von Bergmann“ diskutieren. Mit Unterbrechung wird seit mehr als einer Woche die Service-Tochter des Krankenhauses bestreikt. Es geht um Verträge für 520 Mitarbeiter, die in dem Service-Unternehmen schon arbeiten oder noch dahin überführt werden sollen.

Es ist ein Arbeitskampf, bei dem vieles unklar ist. Klinikführung und Gewerkschaft bezichtigen sich gegenseitig der Falschinformation. Das Klinikum meldet täglich, der Streik habe auf die auf die Patientenversorgung „keine spürbaren Auswirkungen“. Die etwa 60 Mitarbeiter im „Streikbüro“ – ihren Namen wollen sie aus Sorge vor Repressalien durch die Klinikleitung lieber nicht in der Zeitung lesen – sehen das anders. Sie zeigen mit dem Handy aufgenommene Fotos, auf denen in einem Keller aufgestapelte Müllbeutel zu sehen sind – das habe es vor dem Streik so nicht gegeben. „Die haben jetzt ein Entsorgungsproblem.“ Auch das Frühstück käme für Patienten jetzt später. Weil die Versorgung mit Sterilgut bestreikt würde, seien bereits Operationen ausgefallen. Dazu käme die Mehrarbeit für die restliche Belegschaft. Am Wochenende sind nun auch Helfer in den Operationssälen zum Streik aufgerufen. „Ohne uns geht es nicht“, versichert eine Frau, die im Hol- und Bringedienst beschäftigt ist.

Es sind Haustechniker, Wäscherinnen, Gärtner und Fahrer, die hier sitzen. Ihren Ärger sehen die Beschäftigten als gerechtfertigt. „Wir wollen nicht mehr Geld, sondern wenigstens unseren Status jetzt behalten“, sagt ein Mann. Er fürchtet, dass er, wenn er vom Klinikum in die Service- Tochter wechselt, nach einem Jahr dreihundert Euro pro Monat weniger erhält. Ein anderer Vorwurf: Einige Service-Mitarbeiter würden zwar künftig mehr Stundenlohn bekommen, zugleich aber weniger Ansprüche auf etwa Zuschläge und Urlaubstage besitzen. Und andere Service- Angestellte, so die Sorge, würden nach einer von der Klinikleitung vor einem halben Jahr vorgelegten Tariftabelle sogar schlechter bezahlt als bisher.

Klinikchef Steffen Grebner hat solche Vorwürfe stets bestritten. Doch hat er sich bisher geweigert, die vorgelegten Angebote der Öffentlichkeit im Detail vorzustellen. Die Begründung: So etwas gehöre in die Verhandlungen. An diese Spielregeln wolle er sich weiterhin halten.

Die Streikenden wünschen sich einen neutralen Schlichter, sagen sie. Von der Stadt als Gesellschafter des Klinikums erwarten sie nichts mehr. „Denen geht es doch nur um möglichst viel Gewinn“, sagt eine Frau. Und: „Warum dürfen wir aber von dem Kuchen nicht auch wenigstens ein paar Krümel abhaben?“ Lautes Klatschen. Nachdenklich sagt ein Mann etwas später: „Und wenn der Grebner hier seine Vorstellungen durchsetzt, dann geht er bald auch an andere Bereiche ran.“

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