Landeshauptstadt: Wirtschaft warnt vor Azubi-Schwund
65 junge Potsdamer suchen noch Ausbildungsstelle – jedoch könnten bald mehr die Unternehmen suchen
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In Potsdam suchen noch 65 junge Leute nach einem Ausbildungsplatz, obwohl es 1335 Bewerber gab. Im vergangenen Jahr hatten in der Stadt noch 216 Personen von 1716 Suchenden vergeblich um eine Lehrstelle gekämpft. Die positive Augenblicksbilanz präsentierten gestern Potsdams Arbeitsagentur, Industrie- und Handelskammer (IHK) sowie Handwerkskammer (HWK) – und warnten vor massiven Problemen in der nahen Zukunft.
Denn mit dem erwarteten Rückgang der Schulabgängerzahlen im kommenden Jahr werde auch die Zahl potenzieller Azubis stark sinken, so die einhellige Meinung. Im vergangenen Jahr gab es 4156 Potsdamer zwischen 15 und 18 Jahren – die nächstjüngere Altersgruppe zwischen 12 und 15 Jahren war nur noch 2440 Personen stark. „Schon jetzt aber merken wir, dass die Bewerber immer schlechtere Zeugnisse mitbringen“, sagte Eva Gatzky, Leiterin der Abteilung Berufsbildung bei der HWK. Im gesamten Agenturbezirk von Brandenburg bis Königs Wusterhausen hätten laut Agenturstatistik 39,4 Prozent der Bewerber in diesem Jahr nur die Hauptschule abgeschlossen – oder gar keinen Abschluss. So hoch ist auch der Anteil der jungen Leute ohne Azubi-Platz. „In den kommenden geburtenschwachen Jahrgängen wird sich das Qualifizierungsproblem weiter zuspitzen“, sagte Dieter Ecker-Lasser, einer der Geschäftsführer der Potsdamer Arbeitsagentur. Man wolle sich schon jetzt darauf vorbereiten: So könnten ab 2008 kleine und mittlere Betriebe sozialpädagogische Begleitung für einen Azubi beantragen. „Jedoch kann die Ausbildung nicht der Reparaturbetrieb für Dinge sein, die in der Schule schief gelaufen sind“, sagte Wolfgang Spieß, Leiter der Abteilung Weiterbildung in der IHK. Schulen müssten deutlich mehr über das Berufsleben informieren als bisher – um die Schüler auch mehr zu motivieren: „Wegen der demographischen Entwicklung steigen die Chancen auf eine Stelle und einen Ausbildungsplatz – wenn sie motiviert und genügend qualifiziert sind.“
Denn schon jetzt würde die Wirtschaft den beginnenden Mangel ausreichend qualifizierter Jugendlicher spüren: 38 freie Ausbildungsplätze stehen laut Agentur in Potsdam inklusive Potsdam-Mittelmark noch zur Verfügung . „So viele freie Stellen gab es zu Beginn des Ausbildungsjahres noch nie“, sagte Gatzky, deren Kammer dazu ein Internet-Portal betreibt. 144 Firmen im Bezirk der Handwerkskammer würden dieses Jahr erstmalig Lehrstellen anbieten. Bei der IHK sind es sogar 263 solche Unternehmen. Nicht alle offenen Stellen würden der Agentur gemeldet, wies Spieß auf Tücken der Statistik hin.
Denn laut den Agenturzahlen gab es in diesem Jahr im Bereich Potsdam und Umland mit 2603 betrieblichen Ausbildungsplätzen 242 weniger als im Jahr zuvor. Dagegen nahm die Zahl der außerbetriebliche Ausbildungsstellen um 357 auf 2833 zu. Solche Plätze werden nicht von der Wirtschaft, sondern anderen Trägern gestellt – zum Beispiel Qualifizierungen für schwierig zu vermittelnde Jugendliche.
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