Landeshauptstadt: Wirtschaftsschreck?
Bei Podiumsdiskussion stritten Vertreter aus Stadt und Handel über den Wirtschaftsstandort Potsdam
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Bei Podiumsdiskussion stritten Vertreter aus Stadt und Handel über den Wirtschaftsstandort Potsdam Die meisten leben hier doch von „Staatsknete“. So die These von Rainer Siebert gleich zu Beginn der Podiumsdiskussion im Atrium neben dem Babelsberger Truman-Haus. Der Geschäftsführer der LBS-Immobilien GmbH moderierte am Donnerstagabend die Veranstaltung der Friedrich-Naumann-Stiftung mit dem Motto: „Quo Vadis Potsdam?“ Wohin geht die Stadt – oder besser: Wohin könnte sie gehen, um sich zu einem attraktiven Wirtschaftsstandort zu entwickeln. Antworten darauf sollten vor allem die vier Gäste im Podium geben: Karin Genrich als Präsidentin des Handelsverbands Berlin-Brandenburg, die Baubeigeordnete Elke von Kuick-Frenz, Bernhard Schuster, Präsident der Brandenburgischen Architektenkammer, und Moritz van Dülmen, der Projektleiter Kulturhauptstadt 2010. Mit „Staatsknete“ meinte Siebert nicht etwa Sozial- und Arbeitslosengeld, sondern die Gehälter der Einwohner: Neben Hochschulen und Universität seien die öffentlichen Verwaltungen von Land und Kommune die größten Arbeitsgeber. Da die Finanzlage der öffentlichen Hand immer schlechter werde, sänken sicher irgendwann die Gehälter und so auch die Steuern, die dem Stadthaushalt zu Gute kämen und der Kaufkraft, so Siebert. Darum sei es wichtig, einen Weg zu finden, wie „wirkliche Wertschöpfung“ in Potsdam stattfinden könnte. Sein Blick gehe Richtung Dresden und Leipzig, wo sich Autoindustrie und große Logistikdienstleister angesiedelt haben. Die Stadt müsse überlegen, wie Unternehmen angeworben werden könnten. Zum Beispiel mit günstigen Gewerbeflächen in den neuen Ortsteilen für junge Gründer, wie eventuelle Absolventen des Hasso–Plattner-Instituts, damit diese samt Technologie und Produktion hier blieben, lautete der Vorschlag eines Zuhörers. Auch solle die Stadt beachten, dass der Wasserzugang zur Speicherstadt, die einzige Möglichkeit sei, große Lasten zu bewegen, weil Potsdam über keinen Umschlag-Bahnhof verfüge. Van Dülmen betonte, dass die Stadt Kultur noch mehr als Wirtschaftsmotor begreifen müsse. Kultur und Events zögen Menschen an, die Kaufkraft würde steigen und die Wirtschaft nach sich ziehen, so van Dülmen. Für den Handel spiele die Kaufkraft möglichst vieler Kunden eine enorme Rolle, sagte Genrich. Seit Karstadt eröffnet habe, sei die Fußgängerzone um ein „Vielfaches belebter: „Karstadt tut der Stadt gut“, so Genrich. Ebenso die „Erlebnisnacht“, die Händler und Gastronomen gemeinsam organisiert hatten: „Endlich ein Event ohne Buden!“ Trotzdem fehle vielen in der Stadt das „Wir-Gefühl“. Kein Wunder, fand Architekt Schuster. Nicht nur, dass wer über Michendorf nach Potsdam fährt, einen falschen Eindruck bekäme: „Potsdam hat keine Mitte, keinen Identifikationspunkt“. Man habe den Fehler begangen, von außen nach innen zu sanieren. Die Hälfte des Bestandes sei saniert, so von Kuick-Frenz, für die andere Hälfte wolle sie möglichst viele Fördermittel einstreichen. Denn auch der Städtebau sei ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für die Baubranche. Schuster setzt die Globalisierung und die Billiglohnanbieter aus dem Osten dagegen. Zudem sei es schädlich für eine belebte Innenstadt, dass kaum Menschen in der Mitte wohnten. Hier gäbe es zu wenig günstige Wohnangebote und zu wenig Chancen für Bürger Häuser oder Wohnungen zu kaufen, so Schuster. „Doch Eigentum stiftet Identität“. Genrich stören die auch die hohen Gewerbemieten: Sobald ein Ladeninhaber eine schlechtere Phase habe, könne er sich die Räume nicht mehr leisten. Von den 34 500 Quadratmetern Verkaufsfläche in der Innenstadt stünden 15 000 leer: „Leere Schaufenster mit toten Fliegen – dabei sind Schaufenster die „Visitenkarte“ einer Stadt. Gerade für einen Bummel durch hübsche, kleine Geschäfte kämen Touristen hierher. Wenn sie überhaupt den Weg von Sanssouci in die Stadt finden, warf ein Zuhörer ein. Dass die Parkplätze für die Touristenbusse auf dem Bassinplatz nun einer Skate-Bahn weichen könnten, stieß bei vielen im Publikum auf Unmut. Auf dem Blatt mit ihren „Fazits“, das sich von Kuick-Frenz während des Abends gemacht hat, stand auch das Stichwort „massiver Protest gegen Skatebahn auf Bassinplatz“. Den werde sie weitertragen. Juliane Wedemeyer
Juliane Wedemeyer
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