Landeshauptstadt: Wo des Kaisers Gaumenfreuden wuchsen
Ein neu gegründeter Verein widmet sich der Wiederherstellung der Babelsberger Hofgärtnerei
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Babelsberg - Nur wenige Potsdamer haben diesen Blick je genießen dürfen: Wer von der Babelsberger Hofgärtnerei aus über die einstigen Lorbeerhäuser hinweg nach Norden auf den von der gleißenden Morgensonne angestrahlten Flatowturm schaut, darf sich ein wenig verzaubert fühlen von diesem Ort, an dem sich der preußische Hof einst selbst Wünsche erfüllte: Pfirsiche, Wein, Pflaumen, Aprikosen – hier mitten im Babelsberger Schlosspark wuchs, was dem royalen Gaumen beliebte.
Doch eigentlich führt das von einer Mauer umgebene, öffentlich nicht zugängliche Gärtnerei-Areal heute ein Schattendasein. Die Treibhäuser, in denen einst die pflanzlichen Gaumenfreuden für den Hof von Wilhelm I. und seiner Gemahlin Augusta wuchsen, sind zerfallen, das aus Obstbäumen bestehende Raster auf einer großen Wiese weist diverse Fehlstellen auf.
Der jetzt gegründete Verein der „Förderer der königlichen Hofgärtnerei Park Babelsberg“ möchte dem historischen Gelände nun neues Leben einhauchen. Ungefähr zehn Mitglieder haben sich dafür schon gefunden, sagt der Vereinsvorsitzende Alwin Scholz. Hinzu kämen noch einmal so viele Interessenten. Es sei klar, dass der Verein nicht das Geld habe, in kürzester Zeit die gesamte Hofgärtnerei in den historischen Zustand zurückzuversetzen. Doch in enger Abstimmung mit der Schlösserstiftung wolle man mit einzelnen Teilprojekten beginnen, so Scholz.
Noch sei nicht entschieden, mit welchen Arbeiten man starten werde. Dies hänge davon ab, „was die Stiftung für gut hält“. Er, so Scholz, wünsche sich „eine Art Businessplan“ für die königliche Gärtnerei. Um die Potsdamer für dieses Gelände, das teilweise von der Schlösserstiftung als Wirtschaftshof genutzt wird, zu begeistern, schwebe ihm vor, hin und wieder Führungen anzubieten. Auch das müsse freilich erst mit der Schlösserstiftung abgestimmt sein, denn nur sie habe hier die Schlüsselgewalt.
Mit der maroden Bausubstanz wartet jede Menge Arbeit auf den Verein. 150 Jahre nach ihrer Errichtung sind von den Treibhäusern teilweise nur noch einzelne, labile Mauern erhalten. Bei anderen Gewächshäusern wiederum lassen Schornsteine und Reste eiserner Scheibeneinfassungen den einstigen Bestimmungszweck gerade noch erkennen. In gutem Zustand sind dagegen die beiden in den Hang hineingebauten Lorbeerhäuser aus gelbem Ziegelstein. Kaiser Wilhelm I. habe von Bankier Gerson Bleichröder einst riesige Lorbeerbäume zum Geschenk erhalten. Extra dafür seien in den Jahren 1879 bis 1881 die beiden Lorbeerhäuser errichtet worden, erzählt Katrin Schröder, Kustodin für Gartendenkmalpflege bei der Schlösserstifung. Bleichröder war mit dem Kaiser eng verbunden, da der Bankier den preußischen Staat mitfinanzieren half.
Die Lorbeerhäuser sind – im Gegensatz zu den verfallenen Treibhäusern – deshalb in so gutem Zustand, weil die Schlösserstiftung 2011 beide Gebäude mit Mitteln des Konjunkturpakets II restaurieren konnte. Doch Lorbeerbäume werden hier heutzutage nicht mehr über den Winter gebracht. Die Stiftung nutze die Häuser derzeit zur Lagerung von Architekturfragmenten, sagt Kustodin Schröder. Nach dem Krieg seien Bombentrichter im Babelsberger Park mit Schutt verfüllt worden. Seit den 1980er Jahren bis vor ungefähr zehn Jahren habe man den Schutt wieder ausgebuddelt – und offenbar so einiges Bewahrenswerte darin gefunden. Die Bombentrichter wurden auf diese Weise zur Fundgrube.
Doch gartenhistorisch von besonderem Interesse sind die vier sogenannten Lepèreschen Quartiere am Nordende der Gärtnerei – Areale, die an drei Seiten von Ziegelsteinmauern umgeben sind, in etwa ausgerichtet nach Süden, sodass durch die vierte offene Seite viel Sonnenlicht einfallen kann. Die für die Pflanzen so wichtige Wärme soll sich dann zwischen den mit kleinen Dachüberständen versehenen Mauern besonders gut halten. Die Bezeichnung der Quartiere geht auf den französischen Obstbauexperten Alexis Lepère zurück, der seine Ideen auch am preußischen Hof anpries und ab Anfang der 1860er Jahre am Klausberg und in der Babelsberger Hofgärtnerei wirkte.
Was genau Lepère in den geschützten Quartieren anbauen ließ, wisse man leider nicht. Vielleicht lasse es sich eines Tages erforschen, sagt Katrin Schröder. An einer der Mauern ist noch ein – nach Aussage von Schröder – historisches Rankgerüst teilweise erhalten. Filigrane Holzrechtecke von schätzungsweise zehn mal acht Zentimetern erstrecken sich über mehrere Quadratmeter. Ja, Wein könnte hier zu Kaisers Zeiten emporgerankt sein. Nachgewiesen sei das aber bislang nicht.
Die Apfelbäume in den Lepèreschen Quartieren seien hingegen ganz und gar nicht historisch. Zu DDR-Zeiten habe es auf dem Gärtnereigelände verschiedene Kleingärten gegeben. Einige davon werden bis heute genutzt. Andere sind aufgegeben worden. Die Apfelbäume zeugen noch von dieser Nutzung. Auch das Gärtnerhaus, im 19. Jahrhundert von Hofgärtner Christoph Ferdinand Kindermann bewohnt, steht seit Jahren leer. Es sei „in einem ganz schlechten Zustand“, sagt Schröder. Vor sieben oder acht Jahren sei der letzte Bewohner verstorben.
Kontakt zum Förderverein über dr.scholz@snafu.de
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