
© A. Klaer
Von Hella Dittfeld: Wo die Macht geistlos war
„Suchet der Stadt Bestes“: Ausstellung über die Innenstadt 1988 im Holländischen Viertel eröffnet
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Innenstadt - Die einstige Wirtin des Restaurants „Fliegender Holländer“ scheint 1988 so richtig vom Leder zu ziehen bei ihrer Einschätzung der DDR-Baupolitik. Die Innenstädte verfallen, historische Bauten gelten nichts, das ganze Augenmerk wird auf die Plattenbauten in den Neubauvierteln gelegt. Die Videoaufzeichnungen der Tirade sind allerdings miserabel und der Ton wurde abgedreht. Die Fotos dagegen, die Tischler Michael Heinroth und Fotograf Steffen Mühle vorlegen, machen Furore als Ausstellung unter dem Titel „Suchet der Stadt Bestes“.
Zuerst gezeigt im September und Oktober1989 in der Nikolaikirche, ist die Exposition seit gestern nun in der Benkertstraße 21 zu sehen. Sie zeigt Verfall und drohenden Abriss der Holländerhäuser und Barockbauten, mit dem in der Dortustraße schon begonnen worden war. Was Heinroth erst später erfuhr: In das Grüne Ökologische Netzwerk Arche der evangelischen Kirche, die die Ausstellung ermöglichte, hatte sich auch ein inoffizieller Mitarbeiter der Staatssicherheit eingeschlichen. Als der die Videofilme drehen sollte, lieferte er wohl absichtlich so schlechte Qualität, dass die aus dem Osten hinausgeschmuggelten Filme bei „Kontraste“ im Westfernsehen nicht verwendet werden konnten. Und nicht nur der schimpfenden Wirtin wurde das Wort abgeschnitten.
Dass der Unmut über die Baupolitik vor der Wende ständig wuchs, zeigt auch das damalige Gästebuch. „Der Geist ist machtlos, wo die Macht geistlos ist“, steht da am 8. Oktober 1989 notiert und viele der Eintragenden scheuten sich nicht, unter ihre Meinung den vollen Namen zu setzen.
Saskia Hüneke, Grünen-Stadtverordnete und Arche-Mitglied, ist es maßgeblich mit zu verdanken, dass die Stadtverordnetenversammlung am 1. November 1989 einen Abrissstopp für die Potsdamer Altstadt beschloss. Hüneke will sich nun dafür einsetzen, dass die Bildtafeln mit Texten des Journalisten Michael Zajons in die Dauerausstellung des Potsdam-Museums eingebunden werden. „Sie sind ein zeithistorisches Zeugnis von besonderem Wert“, sagte sie gestern bei der Ausstellungseröffnung in der Benkertstraße.
Dort riss der Besucherstrom kaum ab und auch der von Harald Dieckmann initiierte Brunch auf der Straßenkreuzung im Holländischen Viertel wurde ein Erfolg. Musikalisch unterhalten durch die Band „Kitchen Groove“ hatten viele Leckeres ausgebreitet, tafelten in Familie oder teilten mit anderen das Mitgebrachte.
Zu den Besuchern gehörte auch die Familie Hamm/Pütt, die die Benkertstraße 16 saniert hat. „Uns war etwas ängstlich zumute, als wir sahen, wie viel Arbeit da hineingesteckt werden muss“, erzählt Rita Pütt. Doch 2001 waren viele andere Häuser schon wieder restauriert. „Das hat uns Mut gemacht“, so Pütt. Ihre Kinder Helene und Clara erinnern sich noch, wie sie durch das ruinöse Haus geklettert sind. Inzwischen hat das Haus seine historische Fassade wieder und ein modernes Innenleben. Auch die Gloriette auf dem Hof, die Baumeister Carl Philipp Christian von Gontard Ende des 18. Jahrhunderts bewohnte, wurde gerettet und zum Atelier ausgebaut. Inzwischen sind sogar die Eltern nachgezogen und fühlen sich wohl in „der Stadt Bestem“. H. Dittfeld
Die Ausstellung in der Benkertstraße 21 ist bis 31. Oktober dienstags bis sonntags von 12 bis 18 Uhr geöffnet
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