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Landeshauptstadt: Wo die Rohre münden

Straßenwasser direkt einleiten? Mit einem Elektroboot zu den Umweltsünden am Groß Glienicker See

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Das Wasser ist klar, der Blick reicht bis zu fünf Meter auf den Grund, der von Wasserpflanzen bewachsen ist. Der Groß Glienicker See hat derzeit keinen Zu- oder Abfluss. Früher, erzählen die älteren Groß Glienicker, gab es einen Kanal bis zum Sacrower See und sie konnten bis zum Wannsee paddeln. Leise gleitet das Boot der Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) dahin. Als Antrieb dient ein Elektromotor. Am Ruder steht DLRG-Mitglied Olaf Jahn, doch Kapitän dieser Fahrt ist Andreas Menzel, der Bündnisgrüne, der unter den Besitzern der Ufergrundstücke des Groß Glienicker Sees nicht nur Freunde hat. Menzel will von der Seeseite aus zeigen, wie sehr das Ufer durch die Ufer-Anrainer in Anspruch genommen wird – in vielen Fällen ohne jede Genehmigung.

Das DLRG-Boot nähert sich dem Schilfgürtel auf der Berliner Seeseite. Alle 20 bis 30 Meter wird die Vegetation durch einen Steg zerteilt. 119 Stege hat Menzel gezählt; „nur einer ist genehmigt“. Es ist der Steg der DLRG-Rettungsstation Kladow. Die anderen wurden illegal errichtet – von Anwohnern, die sich wenige Meter vor der eigenen Haustür einen eigenen Bootsanleger gönnen. Diese störten etwa die Schilfrohrdommel, die im Schilf nicht mehr nisten könne, da sie wegen ihrer hohen Fluchtdistanz nicht in Ruhe brüten könne.

Neben einigen Stegen reichen Rohre ins Wasser. „Abends hören Sie hier die Pumpen“, sagt Menzel. Bei 1,60 Euro für den Kubikmeter Stadtwasser beregnen die Anrainer ihre Gärten lieber mit dem Wasser des Sees.

Dass die Anwohner daran schuld sind, dass der Wasserspiegel des Groß Glienicker Sees um mehr als einen halben Meter zurückgegangen ist, glaubt auch Menzel nicht: „Pro Minute verdunstet mehr, als die Leute rauspumpen können.“

Man sieht nur, was man weiß: Erst jetzt fallen die trockengefallenen Wurzelsysteme der Uferbäume auf. Und: Die Stege, der legale wie die illegalen, sehen alle ein bisschen aus wie Hochstände, soweit ragen ihre Stützpfähle aus dem flacheren Wasser. Wie Menzel erklärt, es gebe ein Gerücht, wonach beim Bau eines Abwasserrohres auf Berliner Seite eine Lehm-oder Tonschicht beschädigt wurde und das Wasser in tiefere Erdschichten entschwinde.

Das Boot passiert die Halbinsel: „Die gehörte bis vor drei Wochen noch Potsdam“, so Menzel. Der Käufer wolle dort eine „Außenbogenschießanlage“ errichten. Eine Bürgerinitiative setzte sich gegen eine weitere Bebauung der Halbinsel ein. Wenig weiter steht plötzlich Hartmut Waßmann am Ufer. Waßmann ist ein vom Bezirksamt Spandau beauftragter Ingenieur für den See, Menzel kennt ihn. „Warum sind die Belüftungsbojen noch nicht installiert?“, fragt er. Waßmann antwortet knapp: „Den Bezirk fragen.“

Die Berliner Seite zeigt Menzel, um zu verdeutlichen, was das Grundproblem am Potsdamer Ufer ist: „Nach der Mauerzeit wollen die Potsdamer es auch so haben wie die Berliner.“ Um die östliche Seeseite, also die der Berliner, kümmert sich Menzel sonst nur wenig: „Ich kann ja nicht die ganze Welt retten.“ Umso mehr ist Menzel am Westufer aktiv. Wer hier, auf Potsdamer Seite, sein Ufergrundstück, das zum Landschaftsschutzgebiet gehört, einzäunt oder den öffentlichen Uferweg einschränkt, sich einen Steg oder gar eine private Badestelle errichtet, der bekommt es mit Menzel zu tun. Der Bündnisgrüne entwickelt sich zum Pol in einem Konflikt, der seit langem mit vielen Mitteln und auch Mittelchen geführt wird. Dabei wolle er „kein Totalreservat“, nur geltendes Recht sollte eingehalten werden. Das Elektroboot nähert sich der Potsdamer Seite und passiert einen Uferbereich, der vor Jahren Schlagzeilen machte. 19 Erlenbäume waren mit DDT-haltigem Unkraut-Ex vergiftet worden und mussten gefällt werden. Die Feuerwehr rückte Menzel zufolge im Vollschutz inklusive Atemschutzmaske an. Schon zuvor hätten Unbekannte Kupfernägel in die Bäume eingeschlagen, um sie zu schädigen. Mit diesem Wissen fällt nun auch das ins Auge: Vor fast jeder Villa, jedem Uferhaus, lichtet sich der Baumstreifen, wie von unsichtbarer Hand freigeschlagen. Villa mit oder ohne Seeblick, das ist hier die geldwerte Frage.

Gezielt steuert Olaf Jahn nun das Ende eines Rohres an, das in den See mündet. „Straßenwasser-Einleitung“, sagt Menzel trocken. Wenn es stark regne, komme dort ein dicker Strahl raus, „gelegentlich mit Schaumkrone“. Menzel erklärt, „in unserer Region ist Regenwasser Abwasser.“ Wie der Umweltschützer weiter informiert, wolle die Stadt Potsdam noch an zwei weiteren Stellen Regenwasser von den Groß Glienicker Straßen in den See leiten. „Ich glaube nicht, dass das genehmigungsfähig ist“, hofft Menzel.

Gegen Tourende begrüßt er noch „einen alten Bekannten“, einen Container auf einem Ufergrundstück, „von dem Oberbürgermeister Jann Jakobs vor einem Jahr sagte, der wäre in vier Wochen verschwunden“ (PNN berichteten).

Die Groß Glienicker Bündnisgrünen und die Alternative Liste Spandau laden für den heutigen Mittwoch, den 30. Mai ab 19 Uhr, zu einer Podiumsdiskussion und Informationsveranstaltung in die Grundschule Groß Glienicke, Hechtsprung 14-16. Thema: „Groß Glienicker See 2007 wie soll es weitergehen?“

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