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Wenn Kinder sterben. Die Babelsbergerin Renata zu Dohna verarbeitete den Schmerz nach dem Verlust ihrer Tochter auch im Gespräch mit anderen Eltern. Die Sternkirche lädt am heutigen Samstag zum Gottesdienst für betroffene Eltern ein.

© Andreas Klaer

Gedenkfeier: Wo die Trauer leben kann

Renata zu Dohna verlor ihre Tochter – im Austausch mit anderen Eltern überwand sie den Schmerz

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Der 20. April und der Ostersonntag sind für Renata zu Dohna besondere Tage. Gedenktage. Vor gut neun Jahren, am 20. April 2003, einem Ostersonntag, wurde ihre Tochter Antonia geboren. Doch Antonia überlebte den Tag nicht. Das kleine, 30 Zentimeter lange Mädchen starb noch während der Geburt.

„So dramatisch es war, aber ich habe mich damit versöhnt“, sagt Antonias Mutter heute. Sie wisse jetzt ihre Tochter in Gottes Händen: „Ich bin fest davon überzeugt, es geht ihr gut, da wo sie ist.“ Doch die Versöhnung mit diesem Schicksal war für die Krankenschwester ein schmerzvoller Weg.

In der ersten Zeit nach Antonias Geburt und dem Tod habe sie die Erfahrung gemacht, dass tiefe Trauer regelrecht körperlichen Schmerz auslöst. „Ich dreh’ jetzt durch“ – so beschreibt sie ihr Empfinden nach dem Schicksalsschlag. Beistand habe sie in einer Berliner Selbsthilfegruppe erhalten, die sie ein Jahr lang jeden Monat besuchte.

Wenn zu Dohna mit anderen Menschen, denen nicht ein solches Schicksal zuteil wurde, über den Tod ihrer Tochter reden wollte, habe sie zuweilen Phrasen gehört, die sie nicht akzeptieren konnte. „Wird schon irgendwann wieder gut“ war eine dieser Worthülsen. Manchmal habe man ihr sogar direkt bedeutet, sie solle nun aufhören zu trauern. Bald habe sich bei ihr so das Gefühl eingestellt, mit niemandem reden zu können. Die Berliner Selbsthilfegruppe sei in dieser Situation ein Rettungsanker gewesen.

„Ich kann nur allen raten, sich intensiv auf eine Trauerarbeit einzulassen“, sagt zu Dohna. Sie habe Frauen erlebt, die erst zehn oder 20 Jahre nach dem Verlust des Kindes angefangen haben zu trauern. „Es holt einen irgendwann wieder ein“, so ihre Erkenntnis aus der Zeit in der Berliner und später in einer Potsdamer Selbsthilfegruppe.

Natürlich habe auch sie sich die Frage nach dem Warum gestellt. Eine Antwort hat sie bis heute nicht. Außer vielleicht der, dass der Tod zum Leben gehört. Selbstverständlich ist diese Einsicht nicht, das weiß zu Dohna: Immer weniger Menschen, egal ob junge oder alte, sterben zu Hause. In Familien rede man kaum über das Thema. „Der Tod wird totgeschwiegen“, sagt die Babelsbergerin. Für sie ist das eine ungute Entwicklung.

Für sie selbst war es damals wichtig, dass ihre Tochter, die sie bereits in der 23. Schwangerschaftswoche verlor, als Mensch mit Name und Geburtsurkunde anerkannt wurde. Auch das keine Selbstverständlichkeit: Schließlich hätte sie ihre Tochter damals nicht einmal beerdigen müssen, erzählt die Babelsbergerin. Da Antonia nur 600 Gramm wog, gab es keine Bestattungspflicht. „Wenn sie nicht beerdigt ist, dann kann ich nicht trauern“, habe sie sich gesagt. Die Leiche sei zwar letztlich nur eine Hülle ohne Seele, doch sei ihre Tochter schließlich auch ein Mensch gewesen. Das Potsdamer Klinikum Ernst von Bergmann, in dem sie ihre Tochter zur Welt brachte, habe damals Fotos von Antonia gemacht. Einige dieser Bilder hängen heute in ihrer Wohnung.

Freunde ihres inzwischen 17-jährigen Sohnes Julian würden manchmal verwundert reagieren. Und dann könne man darüber durchaus reden, sagt zu Dohna. „Ich weiß gar nicht, warum man nicht offen darüber reden soll“, fügt sie hinzu.

In den ersten Jahren habe sie an den Potsdamer Gedenkgottesdiensten für die verstorbenen Kinder teilgenommen und bei der Vorbereitung geholfen. Doch zur Gedenkfeier am heutigen Samstag – die Veranstaltung richtet sich auch an konfessionslose Eltern – in der Sternkirche wird sie wahrscheinlich nicht kommen. „Ich brauch das nicht mehr“, sagt die heute 52-Jährige und fügt aber gleich hinzu: „Ich finde das total toll, dass es das gibt.“

Die Gedenkfeier für verstorbene Kinder findet am Samstag um 15 Uhr in der Sternkirche, Im Schäferfeld 2, statt.

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