zum Hauptinhalt

REITERMANIA: Wo die Wut herkommt

Der Sänger der Apokalyptischen Reiter über den Traumberuf Musiker, das Lebensgefühl Heavy Metal und den kommenden Auftritt in Potsdam / 3x2 Freikarten für Konzert im Lindenpark zu gewinnen

Stand:

Die Apokalyptischen Reiter haben sich vor zwölf Jahren gefunden. Damals warst du 22 Jahre alt. Was hat sich seitdem verändert?

Viel. Damals ging es darum in der extremsten Band der Welt zu spielen und seiner Wut freien Lauf zu lassen. Jetzt sind die Stücke und besonders die Texte erheblich tiefgründiger und vielschichtiger. Und natürlich war es total cool, eine Band zu haben.

Ist der Traumberuf Musiker immer noch so schön?

Klar, immer noch, jedes Wochenende bei den Konzerten oder sonst wo. Jedes Wochenende lässt sich so am Rad des Bewusstseins drehen, neue Leute kennen lernen, fremde Städte besuchen. Für mich ein absoluter Traum.

Ihr wart jüngst zum ersten Mal für mehrere Shows in Russland

das war überwältigend. Wir haben ja mit gar nichts gerechnet, kannten nicht einmal unsere dortigen Verkaufszahlen – und wurden plötzlich behandelt wie Rockstars. In Moskau kamen 1000 Leute zu dem Konzert, die Stimmung war irre, die Fans überrannten uns. Die russische Gastfreundschaft ist schier unglaublich.

Ihr seid ja gerade für solche kultigen Shows bekannt: Bei eurem letzten Auftritt in Potsdam hattet ihr zum Beispiel einen Sarg dabei, aus dem euer Keyboarder gekrochen ist. Was denn diesmal?

Soviel will ich da eigentlich nicht verraten. Nur drei Stichworte: Es gibt Seemannsbräute, Luftballons und Feuer.

Darunter werden sich Fans vielleicht etwas vorstellen können – doch erkläre bitte auch für Un-Eingeweihte für was die Reiter und ihre Musik stehen?

Die Reiter klingen so, wie eine Vier-Jahreszeiten-Pizza schmeckt. Dazu haben wir eine Vorliebe für schwere Gitarren. Der Begriff Metal erklärt das nur unzureichend. Bei uns schreibt das Leben die Lieder und das bewegt sich nun einmal zwischen Liebe und Hass. Jedes Album ist deswegen auch eine Art musikalisches Tagebuch. Aktuell arbeiten wir dazu an einer Live-DVD – und beginnen ein neues Album zu schreiben.

Wenn du sagst Tagebücher: Wie ist denn die momentane Stimmung?

Vielfältig. Zum Beispiel ist da das neue Stück „Das Lichtlein“, das davon handelt, wie motivierend manche Menschen für einen selber sein können. Und es gibt einen Song, in dem es darum geht, im Leben nicht stehen zu bleiben, sich zu entwickeln. Dieser Hunger nach Neuem ist auch bei uns noch da.

Zurück noch einmal zu euren Anfängen. Wie sind denn zum Beispiel deine Eltern damit umgegangen, plötzlich einen Heavy-Metal-Fan als Sohn zu haben?

Es war schon schwierig für sie, als ich plötzlich mit langen gefärbten Haaren am Frühstückstisch saß. Ich war auf der totalen Anti-Schiene, etwa mit 14 Jahren ging das los. Allerdings waren sie tolerant genug, damit umzugehen und positiv auf mich einzuwirken. Mittlerweile kommen sie sogar zu unseren Konzerten. Aber damals war das schon anders: Man war gegen alles, besonders gegen das Establishment. Das war aber auch genau mein Lebensgefühl, alles in Frage zu stellen. Heute ist man da überlegter.

Doch auf was war diese Wut gerichtet?

Die Welt ist zauberhaft, aber ungerecht. Und die Menschen sind so, wie sie sind: Das möchte man gerade als Jugendlicher verändern. Und auch jetzt noch. Ein Beispiel: Seit 30 Jahren schlachtet das Indonesische Militär die Ureinwohner West Papuas ab. Hier in Deutschland weiß das kaum jemand. Dazu leben wir in einer Gesellschaft, die auf Ausbeutung beruht und in der Fleiß und Leistung als höchste Tugenden gesehen werden. Das macht Deutschland oft sehr kalt, rein gefühlsmäßig. Es gibt andere Länder, da sind die Menschen ärmer, aber glücklicher. Hier sind die meisten Menschen materiell abgesichert, aber oft auch nicht wirklich zufrieden – sehr viele wissen gar nicht, wie reich wir eigentlich sind.

Wie lang lässt sich solche Wut, die ja auch wichtig zum Komponieren ist, konservieren – ist man irgendwann zu alt für Musik und Band?

Man braucht Leidenschaft für gute Songs, ob das nun Wut, Liebe, Mitleid oder Freude ist. Und Inspiration lässt sich bisher immer finden: Auf Reisen, beim lesen, beim reden mit Freunden – oder ich schalte den Fernseher an und rege mich auf, haha

Das Interview führte Henri Kramer

Die Apokalyptischen Reiter gründeten sich 1995 im thüringischen Weimar. Anfangs eine düstere Mischung aus Black und Death Metal, haben sie inzwischen ihrem Sound viele Elemente aus Rock und Folkore beigemengt – eine Entwicklung, die bei eingefleischten Fans für Kritik sorgte. Dennoch erreichte die aktuelle Platte „Riders On The Storm“ im vergangenen Jahr Platz 31 der deutschen Album-Charts. Im Internet ist die Band unter www.reitermania.de zu finden. pbi

Wir verlosen für das morgige Konzert der Apokalyptischen Reiter im Lindenpark 3x2 Freikarten. Dafür müsst ihr eine E-Mail mit Vor- und Zunamen und dem Motto „Reitermania“ an potsdambinich@pnn senden. Am Freitag gegen Mittag werden die Gewinner per Mail von uns informiert.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })