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Von Peer Straube: Wo Hitchcock und Wilder ihr Handwerk lernten

Ufa, Defa, Studio Babelsberg – in ihrer fast 100-jährigen, wechselvollen Geschichte hat die Filmschmiede in Babelsberg viele Stars gesehen

Von Peer Straube

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Ganz sicher sind es die Beine. Die seinerzeit vielleicht schönsten der Welt. Babelsberger Filmgeschichte ohne Marlene Dietrichs verführerisch übereinandergeschlagene Schenkel in „Der blaue Engel“? Genau. Undenkbar. 1930 war das.

19 Jahre Jahre zuvor hatte die Firma Bioscop in Babelsberg ein gläsernes Filmatelier gebaut – und damit den Grundstein zu einer Legende gelegt. 1912 wurde der erste Film gedreht, „Der Totentanz“ mit Asta Nielsen. Der kometenhafte Aufstieg zum modernsten und größten Filmstudio der Welt begann mit der Gründung der Universum-Film AG, kurz Ufa, im Jahre 1917. In den 20er Jahren entstanden so einige der stilbildensten und wichtigsten Filme der Welt kaum einen Steinwurf von der Nuthe entfernt. „Die Nibelungen“ etwa, natürlich „Metropolis“ – beide von Fritz Lang. „Nosferatu“ von Friedrich Wilhelm Murnau. Von diesem großen Regisseur schaute sich ein anderer, damals völlig unbekannter Filmemacher einiges ab. 1925 linste der blutjunge Alfred Hitchcock Murnau bei den Dreharbeiten zu „Der letzte Mann“ über die Schulter. Ein anderer, ebenso berühmter Regisseur verdiente sich seine ersten Sporen ebenfalls bei der Ufa. Billy Wilder schrieb hier am Drehbuch für „Emil und die Detektive“ mit, bevor er vor den Nazis nach Hollywood emigrierte. Mitte der 20er Jahre galt die Ufa-Filmschmiede als modernstes Filmstudio der Welt. Viele Stars brachten Glamour in die Villenkolonie Neu-Babelsberg: Heinz Rühmann wohnte hier, Lilian Harvey, Marika Rökk und Brigitte Horney.

Im Dritten Reich verkam die Ufa zum Lieferanten für Goebbels’ Propagandamaschinerie. Machwerke wie „Jud Süß“ oder Durchhaltestreifen wie „Kolberg“ dominierten das Filmschaffen. Künstlerisch Wertvolles wie die heute noch beliebte „Feuerzangenbowle“ Rühmann oder „Münchhausen“ mit Hans Albers blieb die Ausnahme. Für letzteren schrieb Erich Kästner – von den Nazis mit Schreibverbot belegt – heimlich und anonym das Drehbuch. Und zwar in Brigitte Horneys Babelsberger Villa.

Nach Kriegsende verboten die Alliierten zunächst die Filmproduktion, doch verhalf Wolfgang Staudte den Studios bereits 1946 zu einem glanzvollen Comeback. „Die Mörder sind unter uns“ mit Hildegard Knef war nicht nur der erste deutsche Nachkriegsfilm, sondern auch die Geburtsstunde eines neuen Filmstudios. Auf das Konto der Deutschen Film AG (Defa) gingen in den folgenden Jahrzehnten fast 1500 Spiel-, Märchen- und Fernsehfilme. Ihren Ruf begründete sie mit Märchen wie „Das kalte Herz“ und herausragenden Werken wie „Der Untertan“. Den internationalen Höhepunkt erlebte die Defa mit „Jakob der Lügner“, der 1976 als einziger DDR-Film für einen Oscar nominiert war. Doch auch Systemkritisches entstand hier. „Die Spur der Steine“ mit Manfred Krug etwa, oder „Das Kaninchen bin ich“ – beides von der Zensur verbotene Filme, die erst nach der Wende zur längst verdienten Ehre gelangten.

Nach der Wiedervereinigung wurde die Defa privatisiert und wechselte seitdem mehrfach den Besitzer. In den ersten Jahren lenkte Regisseur und Oscar-Preisträger Volker Schlöndorff („Die Blechtrommel“) die Geschicke der Studios Babelsberg, wie sie nun hießen. Der erste Eigentümer, der französische Konzern Vivendi, investierte nach Studioangaben eine halbe Milliarde Euro in den Standort. Inzwischen sind sie flächenmäßig die größten Filmstudios Europas. Unzählige Stars gaben und geben sich hier heute die Klinke in die Hand: Anthony Hopkins, Michael Douglas, Roman Polanski, Kate Winslet, Matt Damon, Tom Cruise, Brad Pitt ... – die Liste ist endlos. Kevin Spacey fasst das Interesse Hollywoods zusammen: „Wie soll ich einen Film, der in der Bronx, in Las Vegas, New York und in Beverly Hills spielt, in Deutschland drehen? dachte ich. Aber jetzt weiß ich es: Das Studio ist phantastisch.“

Babelsberg ohne Filmproduktion? Genau. Undenkbar.

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