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AUFARBEITUNG: Wo Soldaten und Spitzel speisten

Am Forschungsstandort Potsdam-Golm wird über die Aufarbeitung der eigenen Geschichte diskutiert

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Am Ende stand vor allem die Erkenntnis, dass es an der Universität Potsdam noch viel nachzuholen gibt. „Wir müssen die Geschichte der Universität noch aufarbeiten, aber auch die Geschichte der Vorgängerinstitutionen“, räumte Manfred Görtemaker, Professor für Neuere Geschichte an der Uni Potsdam, ein: „Da gibt es Defizite.“ Görtemaker war am Mittwochabend gemeinsam mit Ulrike Poppe, der brandenburgischen Beauftragten zu Aufarbeitung der Folgen der kommunistischen Diktatur, und dem Historiker und Ausstellungsmacher Thomas Gröbel der Einladung zu einer Podiumsdiskussion an der Uni gefolgt. Was als Veranstaltung zur Geschichte des Standorts Golm von 1935 bis 1990 angekündigt war, entwickelte sich unversehens zum Austausch über Versäumnisse in der Zeit nach der Uni-Neugründung im Jahr 1991.

Der Umgang mit der Vorgeschichte der drei Hochschul-Campi war dabei nur ein Aspekt: Für Golm, das von 1951 bis 1990 Standort der sogenannten Juristischen Hochschule des DDR-Ministeriums für Staatssicherheit und damit Ausbildungsort für Stasi-Führungskräfte war, ist ein erster Schritt 2011 getan worden. Zum 20. Gründungsjubiläum der Hochschule hatte Reimund Gerhard, der langjährige Dekan der in Golm ansässigen Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät, eine Ausstellung in Auftrag gegeben. Die 14 Tafeln, die über die Entwicklung des Standorts von der Wehrmachtskaserne zur Stasi-Hochschule informieren, werden seitdem als Wanderausstellung in den wissenschaftlichen Einrichtungen Golms gezeigt. Von einer „Durchlauferhitzer-Funktion“ spricht Ausstellungsmacher Thomas Gröbel: Die Tafeln seien als erster Einstieg und Sensibilisierung für die Thematik gedacht.

Wie groß das Interesse nach mehr Information ist, zeigte sich auch Mittwoch: Gefragt wurde etwa nach der Rolle der Frauen an der Stasi-Hochschule oder nach den Gründen dafür, dass die Stasi-Offiziere an der Golmer Hochschule ausgerechnet mit dem akademischen Titel des Doktors der Rechtswissenschaften „geadelt“ wurden. Erschöpfende Antworten hatte niemand.

Fragen nach der Geschichte des Standortes habe es immer gegeben, vor allem von ausländischen Studenten, berichtete Physikprofessor Gerhard. Ulrike Poppe lobte die Ausstellung als Anregung zur weiteren Auseinandersetzung: „Das ist genau der richtige Weg.“ Sie schlug zudem vor, auf die frühere Nutzung etwa der Mensagebäudes, das schon Wehrmachts- und später Stasi-Offizieren als Kantine diente, hinzuweisen: „Ich frage mich, ob die Studierenden wissen, dass das so ein geschichtsträchtiger Ort ist?“

Weitere Anregungen kamen aus dem Publikum. Unter den gut 30 Zuhörern waren neben Uni-Präsident Oliver Günther und interessierten Gästen auch Zeitzeugen: Ulrich Baumann etwa, der die Uni und ihre Vorgängereinrichtung, die Pädagogische Hochschule, seit 1963 kennt – und der sich nach 1990 an der Hochschule viele Feinde machte, als er für personelle Erneuerung kämpfte. Baumann, der auch in der Enquete-Kommission des Landtags für Aufarbeitung gehört wurde, spricht beim Verhältnis von Stasi-Hochschule und Uni Potsdam von einer „Langzeitwirkung in die 1990er Jahre hinein“, die es aufzuarbeiten gelte. Ludwig Krämer, ebenfalls langjähriger Hochschulmitarbeiter, regte an, auch die Verbindungen zwischen der Pädagogischen Hochschule und der Stasi-Hochschule zu beleuchten. Damit stieß er bei Görtemaker auf offene Ohren: „Man müsste untersuchen, wie groß die Berührungspunkte sind“, stimmte der Historiker zu. Bekannt sei bisher, dass an allen drei Uni-Standorten 540 Mitarbeiter von Vorgängereinrichtungen übernommen wurden. Jana Haase

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