Landeshauptstadt: Wo sollen wir noch hingehen?
Nach der Pleite von Lindenpark und Waschhaus: Potsdams Jugendliche feiern lieber in Berlin
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Wenn Elisabeth Rohne weggehen will, kommt Potsdam für sie nicht mehr in Frage. Für die 19-jährige Potsdamerin ist inzwischen Berlin die Alternative zum tanzen und feiern gehen – wenn da nicht die ständigen Fahrtkosten und der nervige Zeitaufwand wären. „Aber seit der Spartacus geschlossen worden ist, gehe ich in Potsdam nicht mehr weg.“
In der Tat werden die Einschläge in Potsdams Party-Szene derber. Innerhalb kurzer Zeit haben erst der Lindenpark in Babelsberg und dann am Dienstag das Waschhaus in der Schiffbauergasse Insolvenz angemeldet, können also ihre Rechnungen nicht mehr zahlen. Auch der bei jungen Leuten sehr beliebte „Spartacus“-Club musste Ende April schließen – alles Häuser, die an Wochenenden viel junges Publikum anzogen. Für Potsdams Jugend wird die Stadt enger, viele weichen nach Berlin aus, der Hauptbahnhof wird jedes Wochenende zum zentralen Treffpunkt.
Hannes Müller ist einer von denen, die sich in der benachbarten Hauptstadt die Nächte um die Ohren schlagen. Doch das ist offenbar schon länger so. „Für Leute in meinem Alter gab und gibt es in Potsdam kaum gute Plätze um wegzugehen.“ So ist es dem 24-Jährigen auch relativ egal, dass die „Kinderdiskos“ in einer finanziellen Krise stecken. Für die Potsdamer Schüler sei das natürlich ein echtes Problem, vor allem, da besonders im Waschhaus viele Konzerte stattfanden, die er aber nur sehr selten besuchte. So studiert der Potsdamer in Berlin – und genießt eben da auch sein Nachtleben.
À propos Nachtleben: Marcus Diller, 18, sieht das „Nachtleben“ in der Innenstadt als eine Alternative zu den wegbrechenden Pfeilern der Feier- und Tanzszene. Am Ausweichen nach Berlin kritisiert er Zeit- und Geldaufwand, auch wenn ihm jetzt oft keine andere Wahl bliebe. „Die Renovierung des Waschhauses war wirklich nötig. Aber es ist ein blödes Timing, dass es jetzt Insolvenz anmeldet, kurz nach dieser kostspieligen Aktion.“
Auch Hans Greifenhagen und Julia Wiedau sind genervt. Die beiden sind sich einig, dass nun in Potsdam wirklich gar nichts mehr los sei. Zur Not würden sie sich die Abendstunden noch im Speicher vertreiben, in der Studentenkneipe „Pub à la Pub“ vorbeischauen oder von Privatparty zu Privatparty ziehen, sagt der 20-Jährige. Julia ist verständnislos. „Das ist doch ein totaler Widerspruch! Einerseits soll die Jugend in Potsdam bleiben, andererseits schließt alles, und das Angebot wird immer kleiner“, sagt die 18-Jährige.
Solche Empörung kann Laura Miess verstehen. Vor allem findet sie es schade, dass nun kaum mehr Platz für Konzerte vorhanden sei. „Zum Tanzen könnte man ja noch ins Palmenzelt gehen“, sagt die 17-Jährige. Doch sie als „Bargängerin“ ist von der Schließungswelle weniger betroffen, bevorzugt Kneipen wie das „Fajngold“ in der Berliner Straße oder das „Filmcafé“ am Alten Markt. „Ich kann mir auch anders meine Abende vertreiben, und muss nicht unbedingt tanzen gehen“, sagt Laura. Gestern zum Beispiel besuchte die 17-Jährige das Open Air-Kino auf der Freundschaftsinsel.
Schwarz sieht Christian Schatz die Lage. Auch er fährt wie mit seinen Freunden nach Berlin um zu feiern. Sein Statement: „Potsdam stirbt aus.“ mahe/ ins
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