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Laute Töne. Zum Angriff auf die institutionelle Förderung der städtischen Musikschule hat die Potsdamer FDP geblasen. Sie fordert eine Ende der Steuermittelverschwendung und die Umstrukturierung hin zur speziellen Schülerförderung.

© Manfred Thomas (Archiv)

Von Jan Brunzlow: Wo spielt die Musik?

Es gibt fünf Musikschulen in Potsdam, nur eine wird subventioniert. Ungerecht, findet die FDP und fordert ein neues Fördersystem

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So richtig sicher sind sich Martina Engel- Fürstberger und Marcel Yon nicht, welche Reaktion ihre Studie zum Thema Musikschule hervorrufen wird. Doch sie haben sich abgesichert und nach eigenen Aussagen mit der Musikschule, Musikschulverbänden, Vertretern der Stadt und anderer Parteien besprochen. Denn das Ergebnis einer von der Potsdamer FDP in Auftrag gegebenen „ökonomischen Analyse der Musikschulförderung“ könnte das Aus der institutionellen Förderung der städtischen Musikschule „Johann Sebastian Bach“ sein. Gerade im laufenden Oberbürgermeisterwahlkampf erwarten Engel- Fürstberger und Yon daher Angriffe, die FDP wolle die Preise für die Musikschule erhöhen. Beide beteuern jedoch, sie seien allein für mehr Gerechtigkeit, eine gezieltere Förderung sozial benachteiligter Musikschüler und für einen größeren Wettbewerb der pädagogischen Konzepte der Musikschulen in der Landeshauptstadt.

Die Auswahl an Musikschulen in Potsdam ist vergleichsweise üppig. Neben der städtischen gibt es vier private Musikschulen. Die städtische Einrichtung erhält laut FDP-Studie jährlich 1,3 Millionen Euro Subventionen von der Stadt und dem Land, die anderen Schulen müssen ohne auskommen. Sie wirtschaften allein mit den Einnahmen aus dem kostenpflichtigen Musikunterricht. Für die FDP ist allein dies eine Verzerrung des Marktes. Noch dazu kommen laut Yon nur vier Prozent dieser Subvention sozial schwachen Familien zugute. 53 642 Euro Zuschüsse haben Musikschüler der Bach-Schule, die sich den Unterricht sonst nicht hätten leisten können, im vergangenen Jahr erhalten. Laut Yon und Engel-Fürstberger kommen zudem die Hälfte der Subventionen nicht dort an wo sie sollten, „nämlich bei der Ausbildung und Förderung von jungen Musikern“, so Yon. Er plädiert für eine Neuordnung der Subvention: weg von der Förderung der Schule hin zur Förderung der Schüler.

In der Studie wird die Einnahmen- und Ausgabensituation der städtischen Einrichtung komplett aufgeschlüsselt. Die Liberalen wollen nicht die gesamte Subvention kappen, denn Projekte wie ein Jugendsinfonieorchester oder Ensemble bräuchten die staatliche Unterstützung und sollen sie ihrer Meinung nach erhalten. Teilnehmer des Einzel- und Gruppenunterrichts müssten die Subventionen dagegen nicht erhalten. Dadurch hat die städtische Einrichtung die geringsten Preise für den Einzelunterricht an den Potsdamer Musikschulen. 60 Euro werden durchschnittlich für 45 Minuten Unterricht verlangt. Die freien Schulen verlangen im Schnitt 80 Euro für die Unterrichtsstunde, beim Gruppenunterricht teilt sich die Summe durch die Anzahl der Teilnehmer. Yon und Engel-Fürstberger wollen den durch die Subventionen bedingten Preisvorteil der Bach-Musikschule abschaffen und dieses Geld lieber bedürftigen Schülern zugute kommen lassen. Es sei eine „marktverzerrende Quersubventionierung“, so Yon. Sein Argument: Von dem Zuschuss profitieren auch Eltern, die nicht auf einen reduzierten Preis angewiesen sind.

Yon kennt die Argumente der Musikschule: Die argumentiert mit einer Verpflichtung das kulturelle Erbe erhalten zu müssen. Instrumente, die nur noch selten gespielt werden, müssten ebenso gelehrt und bereit gestellt werden wie neuere Instrumente. Für Yon nachvollziehbar, allerdings kein wirklicher Grund. In einer Auflistung der angebotenen Instrumente belegt die städtische Musikschule mit 30 Angeboten die größte Anzahl, andere Musikschule folgen mit 22 Instrumenten. Jedoch sagen Schulen wie „Bertheau & Morgenstern“, in der inzwischen mehr Schüler betreuen werden als in der städtischen Schule, bei Nachfrage kann jedes Instrument erlernt werden. Schon heute hat die Bach-Schule nur bei Fagott, Oboe, Tenorhorn, Bariton und Cembalo ein Alleinstellungsmerkmal. Allerdings gibt es mit der Akustik-Gitarre, Steelguitar, Ukulele und Melodika auch vier Instrumente, die private Schulen anbieten und die städtische Musikschule nicht.

Ein Mangel der städtischen Schule ist nach Ansicht der FDP auch, dass es bei verschiedenen Instrumenten eine lange Warteliste gibt. Da seien private Anbieter flexibler: Sie würden mehr Honorarkräfte einstellen, um die Nachfrage bedienen zu können. Und sie würden räumlich flexibler sein als die städtische Einrichtung. Leidet darunter dann die Qualität des Unterrichts? Ein beliebtes Argument der städtischen Musikschule, dem die freien Schulen widersprechen. Auch Yon meint, dies ist eine bloße Behauptung und durch nichts belegt. Die Musikschule „Bertheau & Morgenstern“ plant zudem die Gründung einer Akademie zur Ausbildung von pädagogisch-musischem Personal.

Engel-Fürstberger und Yon sprechen sich trotz der Ergebnisse ihrer Studie gegen die Vorschläge der Wirtschaftsberater von PriceWaterCoopers aus, die im Rahmen eines Spar-Konzeptes die Musikschule verschlanken wollen. Um Kosten zu sparen, sollen weniger fest angestellte Mitarbeiter beschäftigt werden und weniger Einzelunterricht gegeben werden. „Wenn das gemacht wird, ändert das am fundamentalen Problem nichts“, so Yon. Das wäre das Ende der städtischen Musikschule. Vielmehr müsse ein nachfragekonformes Angebot und Verhalten entstehen. Eine Konkurrenz im Bildungsbereich. Yon: „Wir wollen aber keine weitere Steuermittelverschwendung.“

Ihr Vorschlag ist ganz einfach: Die Subventionen für den Einzel- und Gruppenunterricht an der städtischen Musikschule sollen gestoppt werden und in vollem Umfang in die Förderung der Musikschüler fließen. Einen Gutschein mit einem bestimmten Wert können sich die Liberalen vorstellen, den jeder erhält, der sich sonst den Musikunterricht nicht leisten kann oder besonders begabt ist. Der Gutscheininhaber soll sich dann eine Musikschule aussuchen können. Engel-Fürstberger ist sich sicher, dass die Bach-Schule eine solche Neustrukturierung überstehen würde und sogar Potenzial zum Wachsen hätte. „Ich bin vom Angebot der Schule überzeugt“, sagt sie. Ihre Kinder lernen ebenfalls dort.

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