
© T. Rückeis
Landeshauptstadt: Wöchentlich einen Korb gegeben
Versorgergemeinschaften sind auf dem Vormarsch: Auch in Potsdam will sich eine Gruppe gründen, die sich frisch vom Bauern beliefern lässt
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Frank Wesemann ist Spezialist für alte Gemüsesorten. Auf seinem Bio-Landhof in Barenthin in der Prignitz wachsen köstliche alte Salatsorten, 60 verschiedene Arten Tomaten, grüne, schwarze, gestreifte; außerdem Pflanzen, die heute kaum noch jemand kennt, Haferwurzel zum Beispiel. Seine Produkte verkauft er auf Märkten, viel Aufwand ist das, freie Wochenenden gibt es nicht. Gern würde er deshalb mit einer Gemüse-Versorgergemeinschaft zusammen arbeiten.
Etwa 25 solcher Kooperationen gibt es in ganz Deutschland. Die Mitglieder solcher Gruppen verpflichten sich in der Regel für den Zeitraum eines Jahres, dem Bauern für einen festen monatlichen Betrag einen Teil der Ernte abzunehmen. Im Erntekorb, der wöchentlich zusammengestellt wird, findet sich wieder, was und wie viel Region und Natur gerade hergeben. Selbstredend weder Bananen noch Erdbeeren im Februar. Dafür frisches, nach Bionorm angebautes Obst und Gemüse in einer Vielfalt, die es in den Supermärkten schon lange nicht mehr gibt. Mit der Monatsrate von 50 bis 65 Euro lässt sich in der Regel der monatliche Gemüsebedarf einer zwei- bis dreiköpfigen Familie decken.
Die „Gemüse-Aktien“ gehen gut. Denn es geht eben doch nicht nur um das Essen. Die Teilnehmer schätzen ebenso das Miteinander, das Engagement als direkten Beitrag zum Erhalt von Natur und Arbeitsplätzen in der kleinteiligen Landwirtschaft. Bis zu vier Mal im Laufe des Jahres treffen sie sich zu Arbeitseinsätzen auf dem Hof, zur Pflege oder Ernte. Wer dazu nicht in der Lage ist, übernimmt andere Arbeiten, organisiert vielleicht Transport und Verteilung der Lieferungen. „Das regeln die Gruppen unter sich“, sagt Frank Viohl, selbstständiger Berater, der Landwirte und Kunden zusammenbringt, berät und betreut.
In Berlin gibt es bereits funktionierende Kooperativen, nun soll auch in Potsdam eine Gruppe gegründet werden. Im März fand ein erstes Treffen mit mehr als 15 Interessenten statt. „Damit ist die Gruppe fast voll“, freut er sich. Aber keiner wird abgewiesen, gern dürfen Neue beim zweiten Treffen im April dazukommen. Die Teilnehmer seien „ganz normale Leute“, sagt Viohl, oft junge Menschen mit Kindern, Studenten, und „natürlich auch der eine oder andere Vegetarier“.
Bevor es losgehen kann, muss ein Raum gefunden werden, in dem das wöchentlich angelieferte oder abgeholte Gemüse gelagert und verteilt werden kann. Die ehrenamtliche Arbeit, zusammen arbeiten, kochen oder im Herbst auch mal Sauerkraut herstellen, verbindet und macht Spaß.
Auch der Landwirt profitiert von dem regelmäßigen, garantierten Absatz eines Teils seiner Ernte. Frank Wesemann wird vielleicht eines Tages nicht mehr jedes Wochenende auf den Märkten verbringen. Andere Bauern, sagt Viohl, konnten durch die verlässliche Einnahmequelle Investitionen planen – gemeinsam mit den Kunden. Die dürfen und sollen auch mitreden, wenn es um Sortenauswahl und Anbaupraktiken geht, mehrmals im Jahr treffen sich Landwirt und Abnehmer.
Wesemann musste sich schon sagen lassen, dass seinen Kunden Tomaten nicht mehr schmecken – wenn sie aus dem Supermarkt kommen. Das freut ihn natürlich. Er versteht seine Arbeit als Beitrag zur Ernährungssouveränität. Die hochgezüchteten Sorten, die nur noch in einer Hightech-Landwirtschaft mit Pestiziden und Kunstdüngern gedeihen, bergen ein Risiko, sagt er. Wenn da mal was schief geht, ein bestimmter Schädling sich ausbreitet, könne das katastrophale Auswirkungen haben.
Ende Mai oder Anfang Juni wird es von seinem Hof die erste Lieferung an die Versorger-Gemeinschaft geben: Mit alten, schmackhaften Salatsorten und den ersten Kräutern, Möhren, junger Roter Bete und Radieschen. Steffi Pyanoe
Am 18. April um 18.30 Uhr findet im Haus der Natur, Lindenstraße 34, die nächste Informationsveranstaltung zu dem Projekt statt. Weitere Information, auch für interessierte Landwirte, im Internet unter www. freiräume.org.
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